zurück
Bad Kissingen
Karriere von Fußballerin Franziska Kilian beendet: In Bayern überhart bestraft?
Die Weichtungerin wurde für ein Passvergehen lebenslang gesperrt. In anderen Landesverbänden hätte die 27-Jährige mehr Milde erwarten dürfen.
Das Sportgerichtsurteil mit dem Ausschluss aus dem Bayerischen Fußballverband in der rechten Hand wiegt für Franziska Kilian schwerer als die Urkunde für die Aktion „Junges Ehrenamt“.       -  Das Sportgerichtsurteil mit dem Ausschluss aus dem Bayerischen Fußballverband in der rechten Hand wiegt für Franziska Kilian schwerer als die Urkunde für die Aktion „Junges Ehrenamt“.
Foto: Jürgen Schmitt | Das Sportgerichtsurteil mit dem Ausschluss aus dem Bayerischen Fußballverband in der rechten Hand wiegt für Franziska Kilian schwerer als die Urkunde für die Aktion „Junges Ehrenamt“.
Jürgen Schmitt
 |  aktualisiert: 03.06.2024 13:00 Uhr

Der Fall der Franziska Kilian hat Wellen geschlagen. Für ein Passvergehen wurde die 27-Jährige vom Bayerischen Fußball-Verband ( BFV ) ausgeschlossen (wir berichteten). Ein drakonisches Strafmaß, ausgesprochen vom Verbandssportgericht, welches sich an der Rechts- und Verfahrensordnung des BFV orientierte. Spielraum für ein milderes Urteil hatte der Verband aufgrund der Statuten nicht gesehen. Damit ist die Fußball-Karriere der Weichtungerin beendet. Damit hat der BFV eine engagierte Funktionärin verloren, die im Oktober ausgezeichnet wurde für ihr ehrenamtliches Engagement in der Kampagne „Fußballhelden – Aktion Junges Ehrenamt“. Das macht die Fallhöhe noch krasser. Die Sportredaktion wollte wissen, wie andere Landes- und Sportverbände in einem vergleichbaren Fall entschieden hätten. Eine Umfrage ergab erstaunliche Unterschiede.

Im Norden der Republik wäre ein Jahr Sperre das Maximum gewesen

Schriftlich äußert sich ein Mitarbeiter eines norddeutschen Landesverbandes (Name und Funktion sind der Redaktion bekannt): „Ein konkretes Strafmaß zu benennen, ist natürlich schwierig. Mein Kollege aus der Rechtsabteilung würde in einem ähnlich gelagerten Fall aber davon ausgehen, dass eine Spielwertung vorgenommen wird sowie Verein und Funktionär eine niedrige dreistellige Geldstrafe erhalten. Ein zeitlich befristeten Ausschluss aus dem Verband hält er dagegen für eher sachfremd. Generell ist es so, dass ein Sportgericht unseres Bundeslandes eine maximale Sperre von einem Jahr aussprechen kann – gleich, um welches Vergehen es sich handelt. Allerdings ist es möglich, bei einem besonders schweren Vergehen, zum Beispiel wenn ein Schiedsrichter zusammengeschlagen wird, vom entscheidenden Sportgericht einen Antrag an das Präsidium zu stellen, in dem ein darüber hinausgehender zeitlich befristeter oder ein dauerhafter Ausschluss aus dem Verband gefordert wird. Das Strafmaß obliegt dann dem Präsidium und kann sich zum Beispiel auf vier Jahre oder gar lebenslang belaufen. Die Verbandsausschlüsse in den letzten Jahren hatten aber nie Passfälschung, sondern fast ausschließlich Tätlichkeiten als Grundlage für den (zeitlich befristeten) Ausschluss.“

Berlin sieht eine harte Strafe vor

Janosch Franke, Leiter der Verbandskommunikation im Berliner Fußball-Verband verweist auf den Paragrafen 45 der Berliner Rechts- und Verfahrensordnung. Dort heißt es unter Punkt 2: Mit einer Spielsperre nicht unter einem halben Jahr wird geahndet: a. wer wissentlich unter falschem Namen spielt b. wer falsche Nachweise verwendet c. wer unbefugt Eintragungen in einem Spielerpass vornimmt, d. wer zu a - c anstiftet oder Beihilfe leistet. Falsche Eintragungen in einem Spielerpass werden mit Ausschluss aus dem Verband bestraft. „Falsche Eintragungen in einem Spielerpass werden also ebenfalls mit Ausschluss aus dem Verband bestraft. Einen konkreten, vergleichbaren Fall aus der jüngeren Vergangenheit konnte mir unser zuständiger hauptamtlicher Mitarbeiter für das Sport- und Verbandsgericht aber nicht nennen“, so der Pressesprecher.

Für den Württembergischen Fußballverband nimmt Heiner Baumeister, Abteilungsleiter Kommunikation, Stellung: „Derartige Vergehen sind bei uns sehr selten, kommen aber durchaus ein-, zweimal pro Saison vor. In der Regel wird ein solches Vergehen mit einer Geldstrafe in Höhe von nicht unter 250 Euro bestraft, je nach Fallgestaltung auch mehr. Die Rechtsfolge umfasst auch den Spielverlust beim betreffenden Spiel gemäß Paragraf 46 unserer Spielordnung. Bei mehrmaligen Vergehen eines Vereins dieser Art und Weise sperren wir die Vereine zeitweise, so dass die Folge ein Ausschluss aus dem Spielbetrieb ist (wegen dreimaligem Nichtantritt in der Sperrzeit). In der Folge muss der Verein ein Wiederzulassungsverfahren in den Folgejahren durchlaufen.“

Moderate Hessen

Ein vergleichbarer Fall ist innerhalb des Hessischen Fußball-Verbandes laut Matthias Gast, dem Referenten für Medien und Kommunikation, nicht bekannt. Der genannte Themenbereich wird dort in Paragraf 42 Nr. 3 der Strafordnung behandelt. Darin heißt es: „Wer in die Spielberechtigungsliste im DFBnet ein Passbild hochlädt, das nicht den genannten Spieler darstellt, wird mit Spielverbot von zwei bis zu neun Monaten oder Punktabzug in Höhe von sechs bis 24 Punkten und mit Geldstrafe   bis zu 1500 Euro geahndet.

Interessante online-Kommentare

Interessant gestaltet sich auch der Blick auf die online-Kommentare zur Berichterstattung. Walter Meding kritisierte den Schreiber für einen fehlenden Aspekt, nämlich den der fehlenden Versicherung. „Was passiert eigentlich, wenn die nicht spielberechtigte Person sich so arg verletzt, dass sie sogar berufsunfähig sein sollte, vom Todesfall ganz zu schweigen?“, lautete die Frage des Goßmannsdorfers. Die wurde von „einFranke“ wie folgt, und zwar vollkommen richtig beantwortet: „Der Versicherungsaspekt hat für den BFV gar keine Rolle bei der Urteilsfindung gespielt um die es hier geht. Warum auch? Die Versicherungsfrage wäre im vorliegenden Fall auch kein Problem des BVF gewesen weil keine Spielberechtigung vorlag.

Lesen Sie hierzu auch

Thomas Siller ergänzt, „dass es über den BLSV lediglich eine zusätzliche Unfallversicherung gibt und diese dann greift, wenn ein Sportler offiziell Mitglied im Verein ist. Ein Spielerpass ist dafür nicht maßgebend.“ Keine Rückmeldung kam trotz mehrmaliger Nachfrage über mehrere Tage bis Redaktionsschluss vom westdeutschen und Thüringer Landesverband.

Nach ihrem offen kommunizierten Verbandsausschluss bekam Franziska Kilian viel Zuspruch, auch von Leuten, die nichts mit Fußball zu tun haben. „Das hat gut getan“, sagt die 27-Jährige, der zumindest noch das inoffizielle Amt der Mädchen-Trainerin geblieben ist. In dieser Funktion gab es als Reaktion auf die Berichterstattung sogar eine Einladung ins Nachwuchsförderzentrum für Juniorinnen der Würzburger Kickers , verbunden mit der Einladung zum gemeinsamen Spaß-Training.

In anderen Sportverbänden ist ein Ausschluss möglich, aber nicht nötig

Wäre Franziska Kilian Volleyballerin, hätte die 27-Jährige den Paragrafen 8 der Rechtsordnung im Blick haben müssen. Laut der Verbands- und Bezirksrechtskammer können gegen Personen folgende Strafen verhängt werden: Verweis. Geldstrafe bis 1000 Euro. Begrenzte oder dauernde Spielsperre. Begrenzte oder dauernde Amtssperre. Schadensersatz. Das Strafmaß muss der Schwere des Verstoßes angemessen und geeignet sein, die Einhaltung der BVV-Ordnungen sowie die Regeln des Anstandes und der Sportlichkeit sicherzustellen. Das heißt, dass die Weichtungerin als Volleyballerin glimpflicher hätte davon kommen können. Laut Tom Gailer aus der Geschäftsstelle des Bayerischen Volleyballverbandes sei ein ähnlicher Fall in den vergangenen Jahren allerdings nicht bekannt.

Laut dem Bayerischen Handball-Verband (BHV) greifen für derartige Fälle die Paragrafen 12 und 13 der Rechtsordnung, wo unter anderem geschrieben steht: Paragraf 12 (1): Wer einen Spielausweis oder einen Spielbericht fälscht oder verfälscht oder von einem gefälschten oder für einen Dritten ausgestellten Spielausweis vorsätzlich Gebrauch macht, ist mit einer Sperre von zwei bis zwölf Monaten zu bestrafen. Und in Paragraf 13 heißt es: Wer durch falsche Angaben eine Spielberechtigung erschleicht, die Eintragung falscher Daten im Spielausweis bewirkt, von einem solchen Spielausweis vorsätzlich Gebrauch macht oder einen für einen Dritten ausgestellten Spielausweis verwendet, ist mit einer Sperre von drei bis zwölf Monaten zu bestrafen. Außerdem kann auf Amtsenthebung und/oder Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung eines Amtes erkannt werden. Laut Pressestelle des BHV gibt es aktuell keinen bekannten vergleichbaren Fall. Eine Aussage zum tatsächlichen Strafmaß trifft ein unabhängiges Sportgericht .

Sehr knapp fällt das Statement aus der Geschäftsstelle des Bayerischen Basketball-Verbandes (BBV) aus: „Einen derartigen Fall hatten wir so noch nicht. Vielleicht hat der DBB hier weiterführende Informationen.“ Also einen Blick in die BBV-Satzung geworfen, wo unter Paragraf 4 (Mitgliedschaft) unter Punkt 5 geschrieben steht: Bei groben oder wiederholten Verstößen gegen die Satzung des BBV sowie bei grob unsportlichem oder verbandsschädigendem Verhalten kann das Präsidium bei der Rechtskammer ein Ausschlussverfahren einleiten.

Lesen Sie hierzu auch

 

 

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Kissingen
Bayerischer Fußball-Verband
Bundesamt für Verfassungsschutz
FC Würzburger Kickers
Fußball-Verbände
Geldstrafen
Handball-Verbände
Janosch
Sportverbände
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • lbs
    Mir tut Frau Kilian einfach nur Leid. Die Regeln sind wohl in Bayern härter als anderswo . Warum weiß aber keiner so richtig. Wäre es jemand prominentes gewesen, wäre dies sicherlich glimpflicher ausgegangen. Lebenslange Sperre ist für mich nicht nachvollziehbar. Aber so ist es halt mit dem Fußballverband. Sie haben einfach viel zu viel Macht und solche Sportgerichte sind auch überflüssig , da sie meiner Meinung nach viel zu viel Macht haben. Wie sagte ein Freund mal zu mir im Fußballbund, Sportgerichten und sonstigen fußballerischen Machtbefugte sitzen immer öfters solche Korinthenka....!

    Frau Kilian ich wünsche Ihnen jetzt noch mehr Unterstützung von allen die Ihnen beistehen. Ich hoffe man nimmt dieses Urteil auch wieder zurück.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Ludwig_Bauer@gmx.de
    Herr Schmitt,vielen Dank,dass Sie sich die Mühe gemacht einmal den Vorgang in der deutschen Sportlandschaft zu untersuchen und zu vergleichen. Vielleicht bringen Ihre Zeilen den BFV dazu diesen Paragraphen einmal zu überdenken,denn für mich hat der BFV mit diesem Urteil ein Eigentor geschossen, auch wenn er nach seinen Regeln nicht anders hat entscheiden können und er die Entscheidung bewußt so gewollt hat.
    Mit tut nur Franziska leid. Erst wird sie als U-30-Siegerin in den Olymp gehoben und dann in die Hölle geschossen. Vielleicht gibt es doch noch ein Happyend (in Jahren)
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten