Viele Branchen wurden durch die Digitalisierung auf den Kopf gestellt – oder sie verschwanden ganz. Einen massiven Umbruch erlebte die Fotografie. Waren früher Spiegelreflexkameras das teure Non-plus-ultra, werden die heute von vielen Handys im Ergebnis fast schon ersetzt. So ist das Jubiläum, das „Ringfoto Hanff“ in Bad Kissingen feiert, ein besonders. Was muss man tun, um 35 Jahre in dieser Branche zu bestehen? Steffen Hirschmann (54) ist der Inhaber. Ein Gespräch über fette Jahre, Einbrüche, Erfindungsreichtum und eine ungewisse Zukunft.
Herr Hirschmann, was heißt eigentlich Ringfoto?
„Ringfoto“ ist der Verbund sämtlicher Fotohändler in Europa. Über diesen Einkaufsverband können wir günstiger einkaufen, die Zentrale samt Lager steht in Fürth.
Sie sind seit dreieinhalb Jahren der Inhaber von Ringfoto Hanff. Wie kam’s?
Der alte Chef Günter Hanff ist vor dreieinhalb Jahren im Alter von 77 in den Ruhestand gegangen, ich habe den Laden dann übernommen. Bei Hanff bin ich schon fast mein ganzes Arbeitsleben lang, seit sich Herr Hanff mit dem Laden selbständig gemacht hat.
Haben Sie die Übernahme bereut?
Nein. Auch wenn es oft schwierig ist. Früher haben wir unsere Umsätze mit Fotografien, Entwicklungen, Verkauf von Filmen und Kameras gemacht. Doch dann kam das Handy.
Haben Sie gleich befürchtet, dass die Digitalisierung eine große Konkurrenz sein wird?
Nein, wir haben es anfangs belächelt, weil die Qualität bescheiden und digitale Kameras sehr teuer waren. Doch dann wurden die Kameras immer besser und billiger und somit wurde der Film von der Speicherkarte abgelöst.
Kauft heutzutage überhaupt noch jemand Filme?
Sie werden lachen: Es ist derzeit ein solcher Boom, dass die Hersteller kaum hinterherkommen. Und teuer sind die Filme geworden! Für einen Diafilm mit 36 Aufnahmen zahlen Sie jetzt locker etwa 30 Euro. Allerdings: Es ist ein Hype, der kürzlich in Berlin entstanden ist und nun langsam auch aufs Land schwappt. Die ganz große Mehrheit fotografiert digital.
Wie kommen Sie dann auf Ihr Geld?
Wir haben uns rigoros umgestellt. In unserem Laden steht ein Hochleistungsdrucker, der wirklich blitzschnell Fotos mit bester Papierqualität ausdruckt – auch in ungewöhnlichen Formaten oder als Panoramafotos . Und die müssen unsere Kunden nicht mühsam, Klick für Klick und mit langer Wartezeit im Netz bestellen. Bei uns können sie ihre Bestellung nach wenigen Minuten mitnehmen.
Ein Service, den es im Netz nicht gibt.
Stimmt. Wir sind schneller als das Netz.
Doch allein von diesem Service werden Sie und Ihre Angestellten nicht satt.
Nein. Wir produzieren viel selbst, damit wir unabhängig bleiben können. So fertigen wir Kissinger Souvenirs wie Schneekugeln oder Tassen mit Stadtmotiven an. Bei uns krieg man tolle Kissen mit persönlichen Motiven, daneben bieten wir wirklich alles rund ums Bild an.
Bei vielen verrotten die Fotos im Speicher der Handys und werden nie wieder angesehen.
Ja, aber es gibt immer mehr Menschen, die wieder Fotos zum in-die-Hand-nehmen oder Fotobücher haben möchten. Oder einen Bild-vom-Bild-Abzug, das können wir bis zum Format A1 oder in Panoramagröße machen. Oder jemand sucht ein schnelles Geschenk, ein Poster – machen wir. Genauso wie eine Tasse mit dem Foto des Enkelkinds drauf. Und natürlich reinigen wir alte Kameras, verkaufen nach wie vor alle Apparate, von der kleinsten Knipse bis zur Profikamera. Ein gutes Geschäft sind auch Sofortbildkameras . Die sind momentan bei Hochzeitsfeiern oder Partys der Hit, weil die Fotos sofort ins Gästebuch eingeklebt werden können. Und natürlich haben wir auch einen Online-Verkauf, aber da geht viel Geld für Preissuchmaschinen weg, die verdienen an jedem Klick.
Fast nicht vorstellbar, dass Sie da noch Zeit für Ihren Hauptjob haben – der liegt ja bei den Pass- und Bewerbungsfotos.
In Zeit darf ich das schon lange nicht mehr messen. Ja, die Passfotografie und die Bewerbungen, das sind unser Hauptstandbein. Aber wer weiß, wie lange.
Wie meinen Sie das?
Ab Mai 2025 sollen auf Ämtern wie bei der Passbehörde Fotoautomaten stehen. Da kriegt man dann für kleines Geld schlechte Fotos. Eine Konkurrenz, die uns die Politik beschert hat – und die am Ende der Steuerzahler zahlt. Denn so ein Kasten ist teuer. Der steht dann auf einem Behördenflur – und uns brechen die Kunden weg. Ich sehe da einen massiven Eingriff der Politik in den Handel. Außerdem können Kinder in diesen Apparaten nicht in die Kamera schauen und Menschen mit dunkler Haut müssen mit sehr schlechter Qualität rechnen, weil die Belichtung automatisch erfolgt und nicht für ihren Hauttyp geeignet ist.
Dass Sie unter dem Staat leiden, ist nicht das erste Mal für Sie. Corona muss schlimm gewesen sein.
Ja. Unglücklicherweise kam der Virus, als ich übernommen habe. Ich bin gestartet und musste drei Monate lang quasi schließen, obwohl ich systemrelevant war, weil Passfotos oder Bewerbungsfotos auch in dieser Zeit gemacht werden mussten und durften. Aber: Ich durfte nebenher nichts verkaufen, keinen Bilderrahmen, nichts. Obwohl ich knapp 1000 verschiedenen Musterleisten für Rahmen habe. Und auch noch millimetergenaue Passepartouts anbiete.
Lassen Sie uns noch mal zu den Passfotos zurückkommen. Wenn das Geschäft wegfällt, wird es eng, oder?
Sehr eng. Es ist jetzt schon so, dass ich mir den Laden nicht leisten könnte, wenn meine Frau nicht auch verdienen würde.
Warum machen Sie es dann noch?
Es geht um Verantwortung. Um Verantwortung für meine Angestellten – eine Bürokraft, eine Halbtagskraft, eine Teilzeitkraft und eine Vollzeitkraft. Und es geht um die Verantwortung für meine Kunden. Wo sollen die denn hin? Ich kriege so viel Dankbarkeit, wenn ich an einer Kamera mit zwei Handgriffen und einem Werkzeug etwas repariert habe. Das kostet oft nichts. Ich sage dann immer: Lassen Sie das Geld stecken, kommen Sie einfach wieder. Und darin liegt ja auch das Geheimnis: Der Kunde, der Bad Kissinger, entscheidet, ob er weiter Onlinekunde sein möchte, oder den Einzelhandel in seiner Stadt unterstützen möchte. Der Kunde entscheidet, ob Fachgeschäfte überleben. Nicht ich.
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