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Landkreis Bad Kissingen
Energie aus der Tiefe: Natürlicher Wasserstoff in Nordbayern
Eine sensationelle Entdeckung im fränkischen Boden könnte dazu beitragen, die Energieprobleme der Region zu lösen. Ein Geologenteam um Dr. Jürgen Grötsch hat in Nordbayern signifikante Mengen an weißem Wasserstoff gefunden.
Wasserstoff       -  Wasserstoff aus der Erde könnte auch im Landkreis Bad Kissingen die Energieprobleme der Zukunft lösen.
Foto: Adobe Stock | Wasserstoff aus der Erde könnte auch im Landkreis Bad Kissingen die Energieprobleme der Zukunft lösen.
Rüdiger Schwenkert
 |  aktualisiert: 04.04.2025 02:41 Uhr

Der Geologe Dr. Jürgen Grötsch forscht am GeoZentrum Nordbayern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) zusammen mit Professor Harald Stollhofen zum Thema natürlicher Wasserstoff. Er und sein Team haben in Bodenluft-Messungen hohe Konzentrationen des nachhaltigen Energieträgers entdeckt.

Im Interview erklärt Grötsch, wie Städte und Gemeinden in Nordbayern perspektivisch von dieser Entdeckung profitieren könnten. Er erklärt auch, warum bisher niemand nach dieser günstigen und umweltfreundlichen Energiequelle gesucht hat.

Herr Dr. Grötsch, warum suchen Sie gerade in Nordbayern nach weißem Wasserstoff?

Die geologischen Gegebenheiten in Nordbayern bieten sehr gute Voraussetzungen, um natürlichen Wasserstoff zu finden.

Wir vermuten, dass sich hier ultrabasische Gesteine im Untergrund befinden. Das sind dichte und schwere Gesteine, die Eisen- und Magnesium-Silikate enthalten. Außerdem gibt es auch Granitvorkommen, etwa unter den Haßbergen. Und beide Gesteinskomplexe können Wasserstoff generieren.

Das heißt aber nicht, dass Nordbayern das einzige Gebiet in Deutschland ist, wo weißer Wasserstoff zu erwarten ist. Auch in Rift-Gebieten wie dem Oberrheingraben haben unsere Kollegen vom Frauenhofer IEG jetzt auch ähnliche Messungen vorgenommen.

Geologe Dr. Jürgen Grötsch       -  Jürgen Grötsch forscht am Geozentrum Nordbayern der FAU Erlangen-Nürnberg.
Foto: Barbara Steinbauer-Grötsch | Jürgen Grötsch forscht am Geozentrum Nordbayern der FAU Erlangen-Nürnberg.

Wo haben Sie Wasserstoff gefunden?

Bisher haben wir unter anderem einen Bereich in den Haßbergen untersucht. Interessant sind auch andere Gebiete in Nordbayern, der Oberpfalz und Teile Niederbayerns. 

Es handelt sich also um ein Gebiet von mehreren tausend Quadratkilometern, in dem wir Wasserstoff in Bodenluft-Messungen gefunden haben oder vermuten.

Wie hoch ist die Chance im Landkreis Bad Kissingen?

Wir sind nicht weit weg von einem unserer Fundorte in den Haßbergen. Also ja, auch im Kreis Bad Kissingen sind die geologischen Voraussetzungen gegeben, jedoch haben wir dieses Gebiet bis jetzt noch nicht weiter untersucht. 

Weißer Wasserstoff       -  Förderung von weißem Wasserstoff
Foto: Grafik: Franziska Schäfer | Förderung von weißem Wasserstoff

Wie entsteht natürlicher Wasserstoff?

Nach unseren bisherigen Erkenntnissen kann Wasserstoff unter verschiedensten geologischen Gegebenheiten entstehen. Ich nenne hier die am besten untersuchte, die Serpentinisierung. Hier oxidiert im Zusammenspiel mit Wasser Eisen und in der Folge wird natürlicher Wasserstoff freigesetzt. 

Ist natürlicher Wasserstoff eine endliche Ressource wie Erdöl oder Gas, oder wird er im Untergrund ständig produziert?

Nach unseren bisherigen Erkenntnissen wird natürlicher Wasserstoff ständig neu gebildet, unter anderem durch Serpentinisierug, aber auch durch andere Prozesse in der Erdkruste und im Erdmantel.

Unsere vorsichtigen Schätzungen besagen, dass jährlich 23 Millionen Tonnen Wasserstoff an der Erdoberfläche entweichen. Es könnte aber auch wesentlich mehr sein. Zum Vergleich: Jährlich werden 90 Millionen Tonnen Wasserstoff zum größten Teil aus fossilen Brennstoffen gewonnen.

Grüner Wasserstoff       -  Erzeugung von grünem Wasserstoff
Foto: Grafik: Franziska Schäfer | Erzeugung von grünem Wasserstoff

Wie hoch schätzen Sie die Menge an Wasserstoff im nordbayerischen Boden?

Wir vermuten, dass diese Vorkommen relativ groß sind. Die Frage ist jedoch, wie viel Wasserstoff können wir eigentlich aus dem Boden holen, also wie viel können wir letztendlich davon produzieren? Dazu entwickeln wir momentan Konzepte, zusammen mit Kollegen auch aus dem Ingenieurbereich.

Gibt es auch in anderen Regionen der Erde weißen Wasserstoff?

Man könnte sagen, die Wasserstoffsuche ist weltweit in vollem Gang.  In vielen Regionen haben Forscher inzwischen natürlichen Wasserstoff nachgewiesen. Zum Beispiel in Kansas, Nebraska, Südaustralien oder den Pyrenäen.

Gibt es schon Anlagen für die Gewinnung von natürlichem Wasserstoff?

Die weltweit einzige Produktionsanlage arbeitet seit mehr als zwölf Jahren erfolgreich im afrikanischen Mali. Unser Ziel ist es nun, die zweite Produktionsanlage zu installieren. Hoffentlich im fränkischen Raum und möglichst in Zusammenarbeit mit einer Stadt oder Gemeinde in Nordbayern.

Wie wird Wasserstoff aus der Erde gewonnen? Wird gebohrt oder handelt es sich um das umstrittene Fracking?

Nein, Fracking ist hier nicht notwendig. Der Wasserstoff soll in unserem Konzept im Verbund mit geothermischer Energie gefördert und dann an der Oberfläche abgeschieden werden. Die Bohrtiefe ist mit etwa 1000 bis 1500 Metern im Vergleich zu Öl und Gasbohrungen relativ gering. Das vereinfacht vieles.

Forschende des GeoZentrums Nordbayern und des Frauenhofer IEG Aachen suchen in Franken nach natürlichem Wasserstoff. Von links: Peter Achtziger-Zupančič, Akib Ahmed, Jürgen Grötsch, Daniel Fillers und Felix Gsell.
Foto: Barbara Steinbauer-Grötsch | Forschende des GeoZentrums Nordbayern und des Frauenhofer IEG Aachen suchen in Franken nach natürlichem Wasserstoff. Von links: Peter Achtziger-Zupančič, Akib Ahmed, Jürgen Grötsch, Daniel Fillers und Felix Gsell.

Was sind Ihre nächsten Schritte in Nordbayern?

Wir planen, mit unseren Studenten das Gebiet großräumig weiter zu untersuchen. Daneben möchten wir auch mit Städten und Gemeinden ins Gespräch kommen, um potenzielle Entwicklungspartner für unser Pilotprojekt zu gewinnen. 

Die Förderung von natürlichem Wasserstoff kann für lokale Industrien oder öffentliche Gebäudekomplexe von großem Interesse sein, denn natürlicher Wasserstoff im Verbund mit geothermischer Energie kann kostengünstig, zuverlässig und nachhaltig sein. Unser Ziel ist, saubere Energie für lokale Verbraucher zu erzeugen. 

Können die finanziell klammen Kommunen ein solches Projekt überhaupt stemmen?

Wir sind gerade dabei, mit Unterstützung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) ein Start-up auszugründen. Es soll die eigentliche Projektentwicklung in die Hand nehmen und mit Kommunen oder Stadtwerken eng zusammenarbeiten. 

Wann könnte die erste Anlage in Franken starten?

Wir sind am Anfang, aber unter optimalen Bedingungen könnte die Pilotanlage in fünf Jahren stehen. 

Wird Energie für die Bürger erheblich günstiger, wenn in ihrer Stadt oder Gemeinde eine Wasserstoff-Anlage steht?

Das kann man im Augenblick nicht sagen. Aber sie hätten mit einer solchen Lösung Vorteile wie einen Zugewinn an Energiesicherheit, die Unabhängigkeit von Preisschwankungen auf dem globalen Energiemarkt und eine fast CO₂-neutrale Energieversorgung, also ideal für die notwendige Wärmeplanung der Städte und Gemeinden.

Blick in die Haßberge in Oberfranken       -  Geologen der Universität Erlangen-Nürnberg haben in Nordbayern riesige Vorkommen an natürlichem Wasserstoff entdeckt.
Foto: Thomas Otto (Adobe Stock) | Geologen der Universität Erlangen-Nürnberg haben in Nordbayern riesige Vorkommen an natürlichem Wasserstoff entdeckt.

Welche Energie kann man aus weißem Wasserstoff gewinnen?

Mit natürlichem Wasserstoff kann man Wärme und Strom erzeugen oder ihn für die Mobilität einsetzen, beispielsweise für eine Wasserstofftankstelle.

Gibt es genug Wasserstoff im Boden, um ganz Deutschland damit zu versorgen?

Nein, aber wir hätten damit, neben Wind und Solar, eine weitere nachhaltige Komponente für das zukünftige Energiesystem. Mit dezentralen Anlagen zur Gewinnung von natürlichem Wasserstoff könnten wir die Abhängigkeit von ausländischen Energielieferungen verringern.

Wieso hat man nicht schon viel früher nach Wasserstoff gesucht?

In der Salzmine Leopoldshall bei Staßfurt in Sachsen-Anhalt hat Ernst Erdmann von 1910 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges zum ersten Mal natürlichen Wasserstoff gewonnen. Geringe Mengen zwar, aber kontinuierlich. Dann kamen Öl und Gas und niemand hat sich mehr um Wasserstoff gekümmert. Diese fossilen Brennstoffe waren viele Jahrzehnte billig und in großen Mengen verfügbar.

Forscher hatten früher auch nicht die modernen Messgeräte, die wir seit ein paar Jahren nutzen. Diese Sensoren arbeiten mit Satelliten zusammen und können auch direkt im Gelände Wasserstoff anzeigen.

Eine alte Weisheit der Rohstoffwirtschaft besagt, dass man nur etwas findet, wenn man danach sucht. Und je mehr man investiert, desto mehr findet man.

Ist natürlicher Wasserstoff absolut klimaneutral?

Im Prinzip ist weißer Wasserstoff bei sachgemäßem Gebrauch einer der umweltfreundlichsten Energieträger. Natürlich wird am Anfang Energie für zum Beispiel den Bohrturm benötigt. Wenn die Anlage aber einmal läuft, sind die Emissionen minimal.

Wem gehört der Wasserstoff, wenn er auf meinem Grundstück gefunden wird?

In den USA sind die Landbesitzer auch Eigentümer der Rohstoffe, die unter der Erde gefunden werden.

In Deutschland fallen Erdgas, Erdöl, Kohle oder metallische Rohstoffe unter das deutsche Bergbaugesetz. Darin steht, dass diese Rohstoffe dem Staat gehören. Dieser kann zur Suche und Förderung Lizenzen vergeben.

Wasserstoff ist bisher leider nicht im deutschen Bergbaugesetz aufgeführt. Wir brauchen deshalb dringend die Unterstützung der Politik, damit das Bergbaugesetz angepasst wird.

Wie können die Kommunen ein solches Projekt unterstützen?

Wir würden uns freuen, wenn Kommunen und Stadtwerke unseren FAU-Mitarbeitern und Studenten des GeoZentrums Nordbayern zur Seite stehen würden, etwa bei der unbürokratischen Bewilligung von Bodenluft- und anderen Messungen in den gemeindlichen Flur- und Waldgrundstücken.

Sie können damit einen wichtigen Beitrag zum schnelleren Fortgang unserer Forschung leisten. Ich würde eine solche Hilfe sehr begrüßen.

Herr Dr. Grötsch, vielen Dank für dieses Interview.

Interessierte Städte oder Gemeinden erreichen Dr. Grötsch per Mail unter juergen.groetsch@fau.de

Hier geht's zum Bericht der FAU über die Entdeckung von Wasserstoff in Nordbayern.

 

 
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