
Wenn er diesen Mittwoch um 9 Uhr den Eingang zur Fischerhütte am Rothsee öffnet, dann startet Jörg Scheffler in seine letzte Saison als Hüttenwirt am ebenso abgeschiedenen wie idyllischen Waldsee oben am Bauersberg – und immer beliebteren Treffpunkt für Einheimische wie Touristen.
„Ich seh' das mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, beschreibt Scheffler in unüberhörbar norddeutschem Dialekt seine gemischte Gefühlslage. Denn Spaß macht ihm die Arbeit ganz offensichtlich auch in seiner 13. und wohl letzten Saison noch, aber anderseits...
„Heute hier morgen dort“, beschreibt der 62-Jährige die „Zipperlein“, die ihn immer häufiger plagen und ihm die Arbeit schwer machen. Und auch wenn in der gemütlichen Hütte oberhalb des Basaltwerks gute Stimmung und lockere Sprüche die Atmosphäre prägen, dem Hüttenwirt ist es sehr ernst, was seine Arbeit betrifft. „Wenn ich ankündige, die Hütte ist jeden Tag geöffnet, dann ist sie jeden Tag geöffnet“, erklärt er kategorisch. Einmal habe er in den bisherigen zwölf Jahren verschlafen und die Hütte mit zehn Minuten Verspätung geöffnet.
Und die „Heringshappen in Dillsauce“ oder das so beliebte Bauernfrühstück werden in der gemütlichen Stube oder der großen Terrasse am See alljährlich von Ostern bis zum dritten Oktoberwochenende ohne Ruhetag Tag für Tag angeboten. In den ersten und letzten Wochen jeweils von 9 bis 19 Uhr, in den Sommermonaten von 8 bis 20 Uhr – und das auch bei miesem Wetter, wenn keine 20 Euro Umsatz am Tag gemacht werden.
„Da ist man dann tagtäglich mindestens 14 Stunden auf den Beinen und darf nicht krank werden“, so der Wirt, auf dem die meiste Arbeit lastet. Das ist ihm und seiner Frau allmählich viel zu viel und nun Grund zum Aufhören.
Dazu ist er auch Opfer seines Erfolgs. Nicht zuletzt dank der guten Stimmung, die der Wirt verbreitet, ist die Fischerhütte für manche Gästegruppen Kult, und das Geschäft läuft immer besser, was aber auch immer mehr Arbeit bedeutet. Auch das erst im vergangenen Jahr neu eröffnete Schaubergwerk nur wenige Meter nebenan kommt bei den Besuchern gut an, was wiederum dem Umsatz der Fischerhütte guttut. „Es wird mir jetzt einfach zu viel“, so Scheffler, der nun eben lieber aufhört, als Abstriche von seinen Ansprüchen zu machen.
Dabei mögen die Bischofsheimer ihren „Fischkopf mit dem losen Mundwerk“, wie Martin Klein, der hier größeren Anlässen als „Grillmeister“ aushilft, den Hüttenwirt bezeichnet. Laut sagen tut er das natürlich nicht, statt dessen wird die fehlende Haarpracht des Wirtes durch den Kakao gezogen, worauf hin der ihm – mit einem drastischen formulierten Verweis auf die Leibesfülle – den bestellten Kuchen verweigert... Es geht eben lustig zu am „Stammtisch für Fischer, Jäger und andere Lügner“ in der Fischerhütte.
Und wie ist der „Fischkopf“ in die Rhön gekommen? Der Zugführer aus Hamburg hat sich hier verliebt und ist 1999 nach Bischofsheim gezogen. 2002 wurde er frühverrentet und übernahm ein Jahr später die Fischerhütte. Schließlich wollte er wieder am Wasser sein – auch wenn ihm seine Verpächter vom Bischofsheimer Angelsportverein verboten hätten, Salz in den See zu schütten, um hier Krabben zu züchten, wie er mit völlig ernster Miene berichtet.
Nun wird er seine letzte Saison noch genießen und hofft darauf, dass ein geeigneter Nachfolger gefunden wird. Das dürfte nicht ganz einfach sein, denn alleine von den sechs Monaten, die die Hütte im Jahr geöffnet ist, kann man nicht leben – zumal der Umsatz auch noch sehr vom Wetter abhängig ist, so Scheffler, der seine Pension als ehemaliger Bahnmitarbeiter im Hintergrund hat. Aber er kann seinem Nachfolger zusichern, dass er ihm mit Rat und Tag unterstützen und gerne auch ein oder zwei Tage Hüttendienst übernehmen wird.