
Die Corona-Pandemie hat andere Erkrankungen in den Hintergrund gedrängt. Dabei sind diese mit dem Auftreten des Virus nicht etwa verschwunden. Erkrankte benötigen nach wie vor Hilfe und Therapie. Die Mitglieder der Deutschen Rheuma-Liga Bad Brückenau etwa waren und sind von den pandemiebedingten Einschränkungen unmittelbar betroffen.
Roswitha Reder, Maria Rüttiger, Marianne Böhm-Hettrich, Andrea Göpfert und Dagmar Kühnen engagieren sich aktiv in der Liga. Sie alle haben selbst Rheuma und berichten gemeinsam von den Schwierigkeiten, die die Corona-Pandemie für sie als Rheuma-Patientinnen mit sich gebracht hat: Das für sie wichtige Funktionstraining konnte seit Pandemie-Beginn im März 2020 nicht mehr stattfinden und Alternativen waren schlicht nicht zu finanzieren.
Funktionstraining der Rheuma-Patienten durch Corona nicht mehr möglich
"Die Krankenkassen haben damals zwar unsere Verordnungen für das Funktionstraining um ein halbes Jahr verlängert, aber das hat im Endeffekt gar nichts gebracht", berichtet Kühnen. Denn aufgrund der Abstandsregeln und der Kontaktbeschränkungen war - und ist - das Training in gewohnter Gruppenstärke nicht mehr möglich.
"Aber um die Gruppen zu halbieren, hätten wir die doppelte Anzahl an Therapeuten und an Stunden in Bädern und Hallen benötigt", erklärt Kühnen. So viele Therapeuten und Trainingsstätten stünden gar nicht zur Verfügung. Und: "Es würden dann auch doppelte Gebühren anfallen." Das sei finanziell nicht zu stemmen.
Etwa 70 Prozent der von Rheuma betroffenen Mitglieder der Liga seien Frauen über 70. "Viele sind früher als Hausfrauen und Mütter zuhause gewesen und bekommen jetzt nur eine kleine Rente. Da kann man sich auch die Zuzahlungen, die zum Beispiel für Krankengymnastik - als Ersatz für das Funktionstraining - notwendig wären, gar nicht leisten", berichtet Kühnen weiter. Ohnehin kämen in Corona-Zeiten schon zusätzliche Ausgaben hinzu, etwa für Masken oder eine Einkaufshilfe.
Taxifahrten zur Krankengymnastik aus eigener Tasche nicht bezahlbar
Eine weitere Hürde: "Wir leben hier sehr ländlich und viele Leute kommen aus kleinen Ortschaften und bilden Fahrgemeinschaften, sodass auch die Personen ohne Auto zum Funktionstraining kommen", berichtet Kühnen. Doch während der Pandemie sei vielfach etwa die Fahrt zur Krankengymnastik nur mit dem Taxi möglich. "Auch das ist finanziell nicht zu schaffen", weiß sie aus eigener Erfahrung.
"Es ist auch die Gemeinschaft, die beim Funktionstraining eine Rolle spielt", sagt Maria Rüttiger. Gerade für die Alleinstehenden sei der Wegfall der regelmäßigen Treffen psychisch belastend. Sich auszutauschen, ein offenes Ohr für die Sorgen der anderen zu haben, das sei bei den Funktionstrainings immer ganz wichtig gewesen, fügt Marianne Böhm-Hettrich an. Nicht zuletzt, seien inzwischen auch viele Freunde an Corona verstorben, berichtet die Gruppe.
Insgesamt hätte sich die Rheuma-Liga mehr Unterstützung seitens der Krankenkassen und der Regierung gewünscht, wie Kühnen erklärt. "Die Finanzgeber sollten darauf achten, dass einzelne Gruppen nicht hinten runterfallen. Es sollte auch für Rentner und chronisch Kranke Hilfspakete geben." Von Seiten der Stadt Bad Brückenau indes hätte sich die Rheuma-Liga Unterstützung - etwa durch Zugang zum großen Saal in der Kurhalle oder zur Therme - erhofft, wie Kühnen berichtet.
Der Juli als Lichtblick für erste Aktivitäten der Rheuma-Liga
Nach der langen Pause soll es Anfang Juli für die Mitglieder der Rheuma-Liga wieder losgehen - draußen, wenn das Wetter mitspielt. "Unter dem Motto ,Zurück ins Leben‘ wollen wir langsam wieder anfangen - zum Beispiel mit dem großen Schwungtuch im Park oder mit Spaziergängen und Walken", berichtet Kühnen. Auch die kleine Turnhalle des TV Bad Brückenau dürfe man nutzen.
In der Zeit ohne Funktionstraining habe die Muskulatur abgebaut. Deswegen solle es ein leichter Einstieg werden. Aber auch und vor allem für den Kopf ist der Neustart wichtig - zusammen quatschen und zusammen lachen, das ist es worauf sich die Rheuma-Patientinnen auch freuen, wie sie berichten. Böhm-Hettrich sagt: "Es ist wichtig, dass die Leute wissen, es geht weiter."
375 Mitglieder zählte die Rheuma-Liga zu Beginn der Corona-Pandemie . Inzwischen ist die Zahl auf 323 gesunken. Viele hätten den Mut verloren weiterzumachen, sagt Dagmar Kühnen.