
Wie bitte? Bismarck und Kirche? Wie soll das zusammengehen? Seine Auseinandersetzung mit Papst und Kirche war Bestandteil der Reichspolitik, ist als Kulturkampf in die Geschichte eingegangen. Und jetzt steht eine in Gold gefasste Verklärung des himmlischen Jerusalem in "seinem" Wohnzimmer, in "seinem" Museum in "seinem" Kissingen? "Kunst geht fremd... und zeigt Kante", heißt das Motto des Erfolgsprojekts unterfränkischer Museen, die untereinander besondere Exponate für eine Weile (bis 3. November) austauschen. Ganz bewusst sollen die Objekte im jeweils anderen Ausstellungskontext wie Fremdkörper wirken, vielleicht sogar Irritationen, zumindest aber Diskussionen auslösen. So wird gleichzeitig das Interesse für das Museum geweckt, das Leihgeber des Ausstellungsstücks ist. Also machen Provokationen Sinn.
Dass die Bismarck'schen Gesetze und Erlasse gegen die Kirche auch die Kunstszene unserer Region bewegte, ist in Reiterswiesen zu sehen. Dort zeigt das große Altarbild in der St. Laurentiuskirche, das der Kissinger Bildhauer und Maler Michael Arnold im Jahr 1873 fertigte, das Martyrium des Heiligen Laurentius auf einem glühenden Rost. Dem grimmigen römischen Richter, der die Szene überwacht, hat Arnold Statur und unübersehbar Gesichtszüge des Reichskanzlers gegeben. Heute blickt der Eiserne Kanzler in römischer Toga nicht mehr vom Altar auf die Gläubigen, sondern wurde an den rechten Seitenaltar verbannt.
Offizielle Präsentation
Im Museum Obere Saline begrüßte Leiterin Annette Späth die kleine Schar Kunstinteressierter, die zur Präsentation gekommen waren und stellte Klaus Vogt , den ehrenamtlichen Leiter des Museums "Kunst und Geist der Gotik" in Gerolzhofen vor. In der Johanniskapelle soll nicht nur die Kunst, sondern auch der Geist der Gotik erlebbar gemacht werden. Viele Aktionen, Kunstnächte, Diskussionsabende und Kulturveranstaltungen tragen dazu bei. Beeindruckend der moderne Ausstellungskontext, der prägende Objekte, wie einige Riemenschneiderarbeiten, ins rechte Bild setzt. Die jetzt entweihte, ehemalige Friedhofskapelle unmittelbar neben der "Steigerwald Dom" genannten Stadtpfarrkirche, ist ein gotisches Kleinod und Sonn- und feiertags von 14 bis17 Uhr geöffnet.
Himmlisches Jerusalem
Die Hostienmonstranz aus dem 15. Jahrhundert wurde bei Restaurierungsarbeiten in der Kirche von Neusetz gefunden, berichtete Vogt, und stellte das Sakramentshaus, das zur feierlichen Präsentation der konsekrierten Hostie auf dem Altar oder bei Fronleichnamsprozessionen diente, näher vor.
Als Material wurde vergoldetes Silber verwendet. "Die Gotik lenkt den Blick auf das Heilige, zeigt mit Fahnen Messgewändern und solchen Monstranzen eine Kirche des Schauens". Die feine Arbeit besticht durch die filigrane Ausarbeitung der Seitentabernakeln mit den Heiligen Ursula und Barbara.
Gekrönt ist er mit der Figur der Gottesmutter, die dem Himmel am nächsten steht. So sollten sich die Gläubigen das himmlische Jerusalem vorstellen.