
Es ist Donnerstagabend, 19.45 Uhr. Philipp Bohatsch, der von Beruf Notfallsanitäter ist, trifft sich nach der Arbeit mit der Atemschutzgruppe des ersten Zuges der Feuerwehr Bad Kissingen in der Feuerwehrwache. Wegen ihrer Größe ist die Bad Kissinger Feuerwehr in zwei „Züge“ à 35 Feuerwehrdienstleistende eingeteilt. Wie etwa zweimal im Monat steht an diesem Abend eine Übung an: Die nächsten Stunden wird Philipp Bohatsch also mit seiner Feuerwehrgruppe verbringen. „Wir haben Übungen, wo beide Züge gleichzeitig üben, Zugübungen oder Gruppenübungen, wo die Atemgeräteträger, die Maschinisten oder die Drohnenpiloten zusammenkommen“, erklärt er.
Diese ist eine besondere: Es ist eine Übung, die gleichzeitig als Prüfung fungiert: Nur die, die bestehen, dürfen weiter mit Atemschutz und Maske in den Einsatz gehen. Auch nötig ist eine dreijährige ärztliche Untersuchung mit Belastungs-EKG, um sicherzustellen, dass die Einsatzkräfte fit sind.
Bad Kissingen hatte 435 Einsätze im Jahr 2023
Fit sein mussten sie etwa für die 435 Einsätze mit 5084 Einsatzstunden im Jahr 2023. „Es waren 147 Brände, 205 Technische Hilfeleistungen, acht Einsätze mit ABC-Gefahrenstoffen, 72 Sicherheitswachen und drei, die in die Kategorie Sonstige fallen. In der Gesamtzahl von 435 Einsätzen sind 84 Falschalarmierungen“, weiß Stadtbrandinspektor Harald Albert .
Eine bestimmte Zeit, in der diese 435 Einsätze – also durchschnittlich mehr als einer am Tag – passieren, gibt es nicht. „Wenn man dran denkt, dann kommt keiner. Und wenn man drauf wartet, erst recht nicht. Aber wenn es gerade gar nicht passt, dann auf jeden Fall“, beschreibt Louis Pörtner, der an diesem Tag Bohatsch' Übungspartner ist. Aber auch, wenn man gerade bei Freunden zum Grillen ist und es gerade ein schöner Abend zu werden scheint: „Während andere fragen, ob man nun zu diesem Einsatz geht, für den man alarmiert wurde, hat man meistens schon seine Jacke an und ist auf dem Weg zur Tür“, beschreibt es Louis Pörtner.
In voller Montur Treppenlaufen und Reifenziehen
Zurück zur Übung: Zugführer des ersten Zuges und Atemschutzgerätewart Marco Albert geht mit der elf Mann und einer Frau starken Truppe die Übungsstrecke entlang, die die Gruppe dann in voller Schutzkleidung und mit Atemschutzausrüstung absolvieren muss.
Es beginnt mit drei Runden im Laufschritt über den Hof der Wache zum Aufwärmen. Dann geht es in die selbstgebaute Atemschutzübungsstrecke, die hierfür dunkel und vernebelt ist. Es geht darum, sich zu orientieren. Kommt man wieder heraus, gilt es, eine 80 Kilogramm schwere Übungspuppe mehrere Meter weit zu tragen, abzulegen und dann einen kleinen Parcours zu durchklettern.
Mit zwei gefüllten Kanistern á 20 Kilo geht es zwei Stockwerke nach oben und wieder runter. Erneut in den zweiten Stock müssen die Rettungskräfte, um vom Balkon ein Gewicht von rund 15 Kilo an einem Seil hochzuziehen und abzulassen. Nachdem sie wieder auf dem Hof angekommen sind, müssen sie zuletzt noch einen LKW-Reifen, der an einem Seil befestigt ist, über den Hof ziehen – zur Erinnerung: in voller Feuerschutzkleidung und mit Atemschutzflasche.
Die letzte Station war die Kür – bestanden wäre, wenn der Part davor geschafft ist. Und bestanden haben am Ende alle. Danach hieß es Umziehen und sich im Gemeinschaftsraum treffen, um noch ein wenig zusammenzusitzen. Denn das gehört auch zur Feuerwehr: Gemeinschaft, Freundschaften und Zusammenhalt.
Ehrenamt Feuerwehr und Arbeit – funktioniert das?
Wie es sich anhört, ist es jedenfalls nicht immer einfach, bei der Feuerwehr engagiert zu sein. Es gilt, fit zu sein, aber man muss sich auch die Zeit für Übungen, Lehrgänge und Einsätze nehmen. Und das alles für die meisten neben einem 40-Stundenjob.
Und weil Einsätze sich nicht nach Arbeitszeiten richten, kann es vorkommen, dass der Funkmelder währenddessen zum Einsatz alarmiert. Wie stehen Arbeitgeber dazu?
Es gibt Einsatzkräfte, die bei einem Alarm ihren Arbeitsplatz sofort verlassen dürfen und andere, bei denen das offenbar schwierig ist. So ist Philipp Bohatsch während der Arbeit nicht bei Feuerwehreinsätzen dabei, weil sonst der Rettungswagen stehen bleiben würde. Bei Louis Pörtner sieht das anders aus: „Ich arbeite in der IT, ich darf grundsätzlich zum Einsatz weg. Aber ich muss abwägen: Wenn auf der Arbeit beispielsweise ein Projekt beendet werden muss, bei dem es um viel Geld geht und ich gehe weg für einen Mülleimerbrand, ist das nicht verhältnismäßig.“
Bei anderen ist es ähnlich: Bestenfalls suchen die Arbeitskräfte Ersatz, damit die Arbeit ohne sie weitergehen kann oder arbeiten die Einsatzzeit nach. Theoretisch dürften Arbeitgeber sich den Verdienstausfall auch zahlen lassen. Harald Albert unterschreibt, dass es in der Kurstadt keine Probleme mit Arbeitgeber gebe, wofür er sehr dankbar ist. „Das Gegenteil ist hier der Fall. Viele Arbeitgeber unterstützen uns, wenn wir sie fragen, und verlangen auch in den allermeisten Fällen kein Verdienstausfall.“
Über die Feuerwehr Bad Kissingen
Zum Jahresende 2023 hatte die Feuerwehr Stadt Bad Kissingen 72 aktive Feuerwehrdienstleistende, davon 48 Atemschutzgeräteträger, 6 Feuerwehranwärter, 34 passive Mitglieder, 72 fördernde Mitglieder und 24 Kinder.