Eine Stunde statt 15 Minuten braucht Mette Ziegler heute zum Schwimmtraining, weil sie nicht mehr in Bad Kissingen trainieren kann. Und das schon seit einigen Jahren. Das Hallenbad in Bad Kissingen wurde 2021 wegen Einsturzgefahr geschlossen – ein Neubau ist immer noch nicht in Sicht.
„Jetzt können wir nur in Hammelburg und Bad Brückenau trainieren, das heißt, wir müssen viel früher los und kommen viel später nach Hause“, erklärt Mette. Da ist der Tag der Achtklässlerin neben Hausaufgaben und Schule schnell voll.
Rückschlag für Talente
Dabei musste die Schwimmerin des TSV Bad Kissingen bereits während der Coronazeit viel zurückstecken: „Kurz vor Corona hatte ich eine gute Kondition und war nah dran, auf größere Wettbewerbe zu gehen. Durch die Pandemie wurde ich dann ziemlich zurückgeworfen.“ Und jetzt die Fahrerei: „Da überlege ich schon, wie lange ich diesen Sport noch machen werde“, sagt die 14-Jährige.
Diese Befürchtung hat auch Gundhild Seitz, die zusammen mit ihrem Mann Werner Seitz die Schwimmabteilung des TSV Bad Kissingen leitet. Zurzeit trainiert der Verein einmal in der Woche im Saaletalbad in Hammelburg und zweimal wöchentlich in der Therme Sinnflut in Bad Brückenau.
Doch auch die Sinnflut wird im September geschlossen. „Das bedrückt mich wirklich“, sagt Gundhild Seitz. 2014 haben die Beiden die Schwimmabteilung übernommen: „Wir haben viel Herzblut reingesteckt, die Abteilung ist deutlich gewachsen. Inzwischen haben wir auch viel mehr Schwimmer, die an der unterfränkischen Meisterschaft teilnehmen können.“ Dafür zu trainieren, wird immer schwieriger.
Kein Platz mehr in den Bädern des Landkreises
Hammelburg, Bischofsheim, Gochsheim – überall hat Seitz nachgefragt: „Aber 40 Minuten einfache Fahrt plus Trainingszeit dreimal die Woche – welcher berufstätige Mensch kann das?“
Dazu kommt, dass es allen Vereinen im Landkreis ähnlich geht und dass alle zu den gleichen Zeiten trainieren wollen. „Die Stadt zeigt zwar guten Willen und unterstützt uns“, ist Werner Seitz dankbar, „aber wir brauchen eine Perspektive, also einen verbindlichen Termin.“
Viel wichtiger als den Leistungssport finden beide Abteilungsleiter, die beruflich als Lehrer tätig sind, dass so viele Schulkinder kein Schwimmunterricht haben: „Das ist die eigentliche Katastrophe“, findet Werner Seitz. Und auch älteren Menschen, die seit Jahrzehnten schwimmen gehen, werde der Lebensinhalt genommen.
Ohne Kommunikation leidet Vertrauen
Joanna Ruppel, Trainerin beim TSV, sorgt sich ebenso um die Kinder: „Sie brauchen eine Möglichkeit sich auszutoben. Gerade übergewichtige Kinder schwimmen gerne. Aber erst war Corona und jetzt ist nur unregelmäßig Training möglich.“
Sie stellt auch infrage, wie lange die Trainer noch Geduld mit der Situation haben: „Wir versuchen, die Freude am Schwimmen weiterzugeben und erwarten dafür auch kein Dankeschön. Aber eine kontinuierliche Kommunikation, was den Bau des neuen Hallenbades betrifft, würde weiterhelfen. Ohne geht irgendwann sämtliches Vertrauen den Bach runter.“
Drei Kinder von Esther Coronado schwimmen beim TSV. Ihr ist es wichtig, dass es ein Angebot zum Schwimmen in Bad Kissingen gibt: „Es ist großartig, was der Verein da leistet. Wir wollen ihn unterstützen und fahren deshalb auch jede Woche. Aber es ist schon aufwändig und ich überlege, ob ich bis nach Bischofsheim fahren würden.“
Maria Müller (Name von der Redaktion geändert), dessen achtjährigen Sohn gerade Schwimmen gelernt hat, fragt sich, wer noch nach Bad Kissingen ziehen will, wenn es kaum Sportmöglichkeiten für Kinder gibt: „ Bad Kissingen braucht ein Hallenbad, und zwar so schnell wie möglich. Für alle, nicht nur für den TSV.“
Kein Training für Lebensretter
Denn nicht nur ihm mangelt es an Trainingsmöglichkeiten. Die Erwachsenengruppe der Wasserwacht hat momentan gar keine Möglichkeit zu üben, sagt Vorsitzender Alexander Knaab: „Wir trainieren im Winter manchmal in der Saale, aber eine hundertprozentige Einsatzbereitschaft kann nicht erreicht werden.“
Das schürt Sorgen um die Zukunft der Ortsgruppe, denn: „Die Jugend fehlt. Die Kids bis zehn Jahre sind da, aber wir können der Jugend nicht viel anbieten, weil sie nicht üben kann. Und auch die Erwachsenen merken, wie das Herzkreislauftraining fehlt, wenn man länger nicht mehr geschwommen ist.“ Da geht die Motivation flöten.
Ebenso die Stimmung bei den Mitgliedern der DLRG, wie Vorsitzender Markus Brandl berichtet: „Die derzeitige Situation ist katastrophal. Ein Rettungsschwimmverein braucht ein Bad.“ Bei den Schwimmkursen betrage die Wartezeit zwei Jahre und auch die Nachfrage nach Rettungsschwimmkursen sei riesig. „Wir sind froh, dass wir von Kliniken und dem Parkwohnstift unterstützt werden, aber auf Dauer ist das nicht durchzuhalten. Wenn das Schwimmbad tot ist, ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch der Verein tot ist.“
Die Stadt Bad Kissingen erklärt auf Nachfrage, dass die Stadtwerke Bauherrin für das neue Hallenbad sind. Der Neubau soll an der KissSalis Therme errichtet werden: „Unter anderem werden jetzt die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Förderantrag bei der Regierung von Unterfranken geschaffen.“
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Wie oft sieht man Eltern, die verzweifelt ihren Kindern versuchen das Schwimmen beizubringen. Wie soll das funktionieren, wenn die Eltern selber mehr schlecht als recht schwimmen können?
Manche Kinder brauchen auch die Gruppe um sich zu trauen zu Springen oder Tauchen.
dass die Städte es versäumt haben, über Jahre ihre Bäder
nicht zu renovieren, bzw. neu zu bauen. Schon viele Jahre waren/sind beide Bäder marode.
Ich frage mich für was die Steuergelder ausgegeben werden?
....und die noch wenigen Kinder zum Schwimmtraining durch die Gegend gefahren werden müssen!!
Verantwortliche in der Stadt nehmen Sie sich ein Beispiel
am Hlbg Hallenbad und dem erweiterten neuen Saunabau!