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Untereschenbach
In Untereschenbach: So entsteht der Käse aus dem Saaletal
Karin Rau verarbeitet einen Teil der Milch vom eigenen Bauernhof zu Joghurt, Frischkäse und Käse. Warum ihr regionale Kreisläufe so wichtig sind.
Jeden Tag „schmiert“ Sabine Rau den Käse: Die Laibe werden mit Salzwasser und Schimmelkulturen abgebürstet.       -  Jeden Tag „schmiert“ Sabine Rau den Käse: Die Laibe werden mit Salzwasser und Schimmelkulturen abgebürstet.
Foto: Ralf Ruppert | Jeden Tag „schmiert“ Sabine Rau den Käse: Die Laibe werden mit Salzwasser und Schimmelkulturen abgebürstet.
Ralf Ruppert
 |  aktualisiert: 29.05.2024 17:10 Uhr

Das Handy hat schon vor zwei Minuten Alarm geschlagen, trotzdem wartet Karin Rau noch. „Ich muss das schmecken“, sagt sie, und: „Wenn es zwischen den Zähnen knirscht, ist er fertig.“

Die 53-Jährige ist gelernte Krankenschwester und leidenschaftliche Bäuerin in Untereschenbach . Seit rund zehn Jahren verarbeitet sie Milch aus dem eigenen Betrieb zu Joghurt und Käse, vor fünf Jahren hat die Familie in eine eigene kleine Käserei investiert.

Erst im Jahr 2007 ausgesiedelt und vergrößert

„Bei uns helfen alle zusammen, sonst funktioniert das nicht“, erzählt Karin Rau. Bis 2007 war der Betrieb noch mitten im Ort angesiedelt, 20 Milchkühe passten in den Stall. Das reichte nur zum Nebenerwerb, sie arbeitete als Krankenschwester, er als Kaufmann.

Bei Bernhard Rau gibt es neben Futter auch mal eine Streicheleinheit für die Kühe.       -  Bei Bernhard Rau gibt es neben Futter auch mal eine Streicheleinheit für die Kühe.
Foto: Ralf Ruppert | Bei Bernhard Rau gibt es neben Futter auch mal eine Streicheleinheit für die Kühe.

2007/2008 siedelten sie in der Verlängerung der Sodenbergstraße aus. Rund 50 Milchkühe stehen heute im Stall, plus Kälber. „Bei uns hat jede Kuh noch einen Namen“, sagt Bernhard Rau (54), seit 2014 Vollerwerbslandwirt. Seine Frau arbeitet noch einige Stunden pro Woche im Krankenhaus.

Sophia Rau im Hofladen       -  Sophia Rau im Hofladen
Foto: Ralf Ruppert | Sophia Rau im Hofladen

Tochter Sophia (27) hat Landwirtschaft studiert und hilft auf dem Hof mit, ihre ältere Schwester Rebecca (30) ist gelernte pharmazeutisch-technische Assistentin und unterstützt neben Teilzeit-Job und Kindererziehung beim Käsen: „Es muss alles gut getaktet sein.“

Mobile Käserei kam auf den Hof

Angefangen hat alles damit, dass eine mobile Käserei aus dem Ruhrgebiet alle sechs Wochen auf den Hof kam. „Beim Aussiedeln haben wir mit 30 Cent pro Liter kalkuliert, dann sind die Milchpreise immer weiter gesunken“, erzählt Karin Rau. Also wollte die Familie mehr Milch direkt vermarkten, um trotz der kleinen Betriebsgröße und der niedrigen Milchpreise überleben zu können.

Karin Rau in der Reifekammer       -  Karin Rau in der Reifekammer
Foto: Ralf Ru ppert | Karin Rau in der Reifekammer

„Bei uns kann jeder in den Stall kommen“, betont Sophia Rau, deren Arbeitsschwerpunkt der Hof und die 50 Hektar Grünland und Felder sind. Die Familie will für ihre Arbeit und die Kreisläufe mit der Natur werben. „Der Stall ist immer offen“, das sei Teil eines „authentischen Einkaufserlebnisses“.

Wer wissen will, wo das Essen her kommt, kann auf Nachfrage frühs zwischen 6.30 und 9 Uhr oder abends zwischen 17.30 und 19 Uhr zum Melken kommen oder immer in den Stall gehen, wenn die Tore offen stehen. Sieben Tage die Woche.

Käserei in der alten Hofstelle

An der alten Hofstelle versorgt Karin Rau den Käse: Der Schnittkäse muss jeden Tag kontrolliert, gewendet und „geschmiert“, also mit Salzlauge und Rotschimmel-Kulturen eingerieben werden. „Ich lasse keinen Tag aus, das bringt nur Ärger.“ Zweieinhalb bis vier Kilogramm wiegen die Laibe, bis zu drei Monate lagern sie im speziell gebauten Reiferaum.

Mit der „Harfe“ wird die Masse zerteilt.       -  Mit der „Harfe“ wird die Masse zerteilt.
Foto: Ralf Ruppert | Mit der „Harfe“ wird die Masse zerteilt.

Zwei Tage die Woche stellt Karin Rau Joghurt und Käse her. Dreimal 300 Liter verarbeitet sie im Schnitt pro Woche, das sei rund ein Zehntel der selbst erzeugten Milch. Ein Liter Milch gebe rund ein Kilogramm Joghurt , für ein Kilogramm Schnittkäse sind dagegen bis zu zehn Liter Milch notwendig. Morgens um 6 Uhr geht es los. „Das sind echte Krachertage mit zwölf bis 13 Stunden Arbeit.“

Erster Kurs an der Volkshochschule

Ihren ersten Kurs im Käsen besuchte Karin Rau an der Volkshochschule, später lernte sie beim Verband handwerklicher Milchverarbeiter in Stuttgart und im Allgäu. Den ein oder anderen Fehlversuch habe sie am Anfang durchaus gehabt, ein paar Chargen Camembert habe sie ganz wegwerfen müssen: „Das ist die Prinzessin unter den Käsen, der verzeiht wirklich gar nichts“, sagt die Untereschenbacherin heute lachend.

Der Käsebruch muss krümelig sein.       -  Der Käsebruch muss krümelig sein.
Foto: Ralf Ruppert | Der Käsebruch muss krümelig sein.

Besonders wichtig bei der Käseherstellung ist die Hygiene: Händewaschen, Haube auf dem Kopf, frische Kleider, ständiges Putzen, Temperaturkontrollen und regelmäßige Proben fürs Labor gehören zu den vielen Auflagen. Durch die Bürokratie lässt sich Karin Rau ihre Freude aber nicht nehmen.

In ihrem doppelwandigen 300-Liter-Edelstahlbehälter kann sie ein breites Sortiment an Milchprodukten ansetzen: Joghurt , Frischkäse, Weichkäse und mehrere Schnittkäse mit unterschiedlichen Zutaten stellt die Untereschenbacherin her.

Karin Rau beim Abschöpfen des Bruchs.       -  Karin Rau beim Abschöpfen des Bruchs.
Foto: Ralf Ruppert | Karin Rau beim Abschöpfen des Bruchs.

Für Joghurt und Quark werden Kulturen mit Milchsäurebakterien angesetzt. Für den Käse wird die erwärmte Milch mit Lab versetzt, damit das Milcheiweiß ausfällt. Danach kommt die „Harfe“ zum Einsatz, ein Gestell mit Edelstahldrähten, mit denen die geronnene Milch geschnitten wird. „Je kleiner man schneidet, desto fester wird der Käse“, erklärt Karin Rau. Bei der Handarbeit sei viel Erfahrung notwendig.

Handarbeit schützt den Käsebruch

Danach kommen die entscheidenden Minuten: Käsekulturen, Temperatur, Rühren und der Zeitpunkt des Abschöpfens entscheiden über das spätere Aroma. Konservierungs- und chemische Zusatzstoffe sind in der Käserei Rau tabu. Lediglich Kräuter und Gewürze kommen in den Schnittkäse.

„Chilli geht gut“, sagt Karin Rau, heute ist eine Mischung aus Oliven, Tomaten und Basilikum dran, untergerührt wird mit der Hand. Auch das Schöpfen aus dem Tank lässt sich Karin Rau nicht nehmen, denn: „In großen Molkereien wird das alles gepumpt, aber das zerstört den Käsebruch.“

Sorgen machen Karin Rau die Kosten: Die Preise fürs Lab hätten sich verdoppelt, das Wärmen und Kühlen der Milch kostet viel Energie, die Waage muss geeicht werden, und für den Milchverkauf muss wegen der Bonpflicht bald ein neuer Ausgabeautomat her. Trotzdem will Karin Rau ihre Preise familienfreundlich halten: Der Liter Milch im Hofladen kostet aktuell einen Euro, der teuerste Käse 26 Euro pro Kilogramm.

Familie Rau verkauft ihren Käse im Hofladen und auf Märkten: jeden Samstag in Hammelburg, jeden zweiten Samstag in Lohr. „Wir haben viel positive Rückmeldung“, erzählt Karin Rau. Kunden würden die liebevolle Handarbeit schätzen, die jeden Käse einzigartig mache: „Es ist wie beim Kuchenbacken: Man nimmt immer das gleiche Rezept, trotzdem schmeckt er immer etwas anders.“

Rezept der Familie Rau für Käsespätzle:

Zutaten für sechs Personen:

500 Gramm Mehl

6 Eier

200 Milliliter Milch

20 Gramm geschmolzene Butter

250 bis 350 Gramm Käse, am besten Sodenberger oder Aldenburger

Zubereitung

Mehl in eine Schüssel füllen, in eine Mulde in der Mitte Eier, Butter, Milch und Salz geben. Mit dem Knethaken zu einem zähen, klebrigen Teig rühren. Teig zehn Minuten ruhen lassen, in dieser Zeit im Topf Salzwasser zum Kochen bringen. In mehreren Etappen den Spätzleteig ins kochende Wasser schaben. Wenn die Spätzle oben schwimmen, abschöpfen und schichtweise mit geriebenem Käse in eine Auflaufform geben. Im Backofen bei Oberhitze goldbraun backen. Dazu empfiehlt Famiie Rau Röstzwiebeln und frischen Salat aus dem eigenen Garten.

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