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Bad Kissingen
Falsche Rechnungen im Senegal: Offizier verurteilt
Um korrekte Buchhaltung sollte sich am besten jemand kümmern, der etwas davon versteht. Bei der Bundeswehr sieht man das offenbar nicht so. Deshalb musste sich das Amtsgericht damit befassen.
Bei der Ausbildung an der Infanterieschule ging vorübergehend ein Soldat verloren.       -  Ausbildung von Bundeswehrsoldaten an der Infanterieschule Hammelburg.
Foto: Benjamin Bendig/Bundeswehr (Symbolfoto) | Ausbildung von Bundeswehrsoldaten an der Infanterieschule Hammelburg.
Rüdiger Schwenkert
 |  aktualisiert: 26.11.2024 19:55 Uhr

Anders ist nicht zu erklären, wie fast 50.000 Euro spurlos verschwinden, Excel-Listen für ausgezahltes Handgeld gelöscht werden und keiner weiß, wer eigentlich verantwortlich ist.

Rückblick: Von Dezember 2014 bis Anfang April 2019 war ein Offizier aus Hammelburg als Leiter der Beratungsgruppe der Bundeswehr im Senegal eingesetzt. Ziel dieser kleinen Einheit war es, im Rahmen der Entwicklungshilfe Aufbauarbeit zu leisten und die Strukturen der Sicherheitsbehörden und Streitkräfte zu stabilisieren.

Darum ging es am ersten Prozesstag

Am ersten Prozesstag vor dem Bad Kissinger Amtsgericht am 4. November wurde dem Oberstleutnant vorgeworfen, zwei Rechnungen über 11.872 Euro und 36.160 Euro gefälscht zu haben. Damit sollte nach Ansicht der Anklage das Fehlen dieser Beträge verschleiert werden.

Warum der Offizier mit den falschen Rechnungen die Buchhaltung frisiert haben soll, kann das Gericht auch am zweiten Verhandlungstag am Montag nicht klären. Der Staatsanwalt stellt in seinem Schlussplädoyer aber fest: „Ich werfe ihm nicht mehr vor, dass er das fehlende Geld für sich verwendet hat.“

Am 4. November hatte die Anklage den Beschuldigten noch mit diesem Vorwurf konfrontiert. Offenbar hat die Staatsanwaltschaft ihre Meinung in der Zwischenzeit geändert.

Mit Abrechnung völlig überfordert

Wie chaotisch und dilettantisch die kleine Einheit im Senegal mit Millionenbeträgen aus Steuermitteln umging, schildert der ehemalige Büroleiter des Angeklagten . Der Hauptmann gibt zu, dass er mit der Abrechnung der vier verschiedenen Projekte vor Ort völlig überfordert gewesen sei.

So habe er sich darum kümmern müssen, dass von Deutschland gelieferte Güter für die Projekte im Camp Moussa Dioum Bargney von der senegalesischen Einfuhrsteuer befreit wurden. Die Produkte mussten für die Dauer dieser Bemühungen zwischengelagert werden. Die dafür angefallenen Kosten seien oft höher gewesen als die gesparte Steuer.

Dienst als Verbindungsoffizier

„Ich habe erst relativ spät verstanden, dass ich den Überblick verloren hatte“, sagt der 43-Jährige. Zudem habe er auch noch als Verbindungsoffizier zur Deutschen Botschaft und dem senegalesischen Generalstab fungieren müssen.

Gegen den Hauptmann hatte die Staatsanwaltschaft Koblenz ebenfalls zu den finanziellen Ungereimtheiten im Senegal ermittelt. Er kann deshalb aber nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden, weil die Behörde die Verjährungsfrist verstreichen ließ. Nur eine Anzeige wegen falscher Verdächtigung steht noch im Raum.

Die rettende Rechnung

Ende 2018 fehlten in der Auswertung 30.000 Euro , „die ich nicht in Excel nachweisen konnte“. Die dramatische Situation wurde aber wie von Zauberhand gelöst. Die rettende Rechnung über den Fehlbetrag hätte der Angeklagte plötzlich geliefert.

Obwohl dem Büroleiter klar war, dass etwas nicht stimmen konnte, heftete er die Urkunde fein säuberlich ab. „Ich bin auch nicht blöd. Wenn plötzlich fehlende Rechnungen auftauchen, sind sie gefälscht.“

"Eine Menge Probleme waren gelöst"

„Wie war ihr Gefühl dabei?“, will die Richterin wissen. „Erleichterung, eine Menge Probleme waren gelöst.“ Ob er sich deshalb Sorgen gemacht habe, hakt die Vorsitzende nach. „Zu diesem Zeitpunkt war es sehr unwahrscheinlich, dass sich jemand noch einmal diese Rechnungen anschaut“, ist die Antwort.

Schließlich schaut sich aber doch jemand die Rechnungen an und die Sache fliegt auf. Es folgen gegenseitige Beschuldigungen und das Abwälzen von Verantwortung. Der Büroleiter sieht seine Pflicht nur darin, die Rechnungen rein zahlenmäßig zu prüfen. Für die sachliche Richtigkeit müsse der Leiter der Beratergruppe unterzeichnen.

Vorschriften wurden geändert

Der Vorgesetzte behauptet, dass er diese Aufgabe an den Büroleiter delegiert hat. In der Verhandlung kommt deshalb die Frage auf, ob für die Stelle des Büroleiters eine Dienstpostenbeschreibung vorlag, die solche Zuständigkeiten regelt. Die Antworten sind widersprüchlich. Erschwerend kommt hinzu, dass das Verteidigungsministerium zur betreffenden Zeit die Vorschriften geändert hatte.

Immer wieder spielen in der Verhandlung Excel-Listen eine Rolle, die Rechenschaft über das sogenannte Handgeld geben sollen, das den Soldaten für Anschaffungen vor Ort in bar ausgezahlt wurde. Sie sind verschwunden. Eine Tabelle taucht aber dann plötzlich wieder auf. Nachdem alle Beteiligten die Liste am Richtertisch gesehen haben, moniert der Angeklagte : „Auf der Handliste sieht man, dass alle Einträge an einem Tag unterschrieben wurden.“

Guthaben war plötzlich weg

Ein weiterer Zeuge wird gehört. Der Feldwebel war im Camp Moussa Dioum Bargney für Kraftfahrzeuge zuständig. Er berichtet, dass der Büroleiter ihm Ende Oktober 2018 unter vier Augen gebeichtet habe, dass in der Jahresrechnung Geld fehlt. Zu diesem Zeitpunkt habe der Feldwebel für sein Teilprojekt noch ein Guthaben von 30.000 bis 40.000 Euro gehabt.

Ende November sei ihm vom Büroleiter die Nachricht überbracht worden, dass dieses Guthaben nicht mehr vorhanden sei. Eine Bitte zu einem Gespräch wurde abgeschmettert: „Nehmen Sie es einfach so hin, wie es ist.“ Auch gegen diesen Zeugen laufen laut eigener Aussage noch Ermittlungen wegen gefälschter Rechnungen.

E-Mail vom Angeklagten an das Gericht

Irritiert war die Richterin von einer E-Mail, die der Angeklagte an das Gericht geschrieben hatte. „Das ist nicht die übliche Art. Was sollen wir damit machen, ist das eine Erklärung?“ Schließlich wird die Mail ohne weitere Erläuterung in die Akte aufgenommen.

Das Gericht will jetzt mehr über die persönlichen Verhältnisse des ehemaligen Leiters der Beratergruppe wissen. Er trat 1984 als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr ein, wurde Zeitsoldat und nach mehreren Prüfungen und Qualifizierungen zum Berufsoffizier ernannt.

Für Evakuierung von Bundesbürgern zuständig

Er war mehrere Jahre beim Kommando Spezialkräfte eingesetzt und schließlich vom Standort Regensburg aus für die Evakuierung deutscher Bürger aus Krisengebieten zuständig.

Nach einem Unfall bei einem Fallschirmsprung war er ein Jahr krankgeschrieben. Anschließend wurde er in Hammelburg als Ausbilder für Zivilisten und Behördenmitarbeiter eingesetzt, die in Krisengebieten stationiert werden sollten.

Seit Mai 2021 ist er wegen der Vorwürfe vom Dienst suspendiert, musste seinen Dienstausweis abgeben und darf keine Uniform tragen. Seine Bezüge wurden teilweise um 30 und 50 Prozent gekürzt.

"Kein großes Komplott"

In seinem Plädoyer erklärt der Staatsanwalt, dass der Angeklagte die Anschuldigungen als „riesengroßes Komplott gegen ihn“ darstellt. „Aber so wichtig ist er nicht“, meint der Ankläger. Er habe vielmehr nach dem Motto gehandelt: Es fehlt Geld, wir machen eine Rechnung, damit es passt.

Der Offizier habe sich der Untreue und Urkundenfälschung in zwei Fällen strafbar gemacht. Ein Jahr und acht Monate Freiheitsstrafe auf zwei Jahre Bewährung hält der Vertreter der Anklage für angemessen.

Verteidigung fordert Freispruch

Der Verteidiger fordert für seinen Mandanten Freispruch in allen Punkten. Er habe dem Büroleiter blind vertraut. Dass die sachliche Prüfung nicht vom Leiter auf den Hauptmann übertragen werden durfte – „wo steht das denn?“

Der Angeklagte hat das letzte Wort und er nutzt dieses Privileg ausführlich. Er weist darauf hin, dass er und seine kleine Truppe von fünf Soldaten im Senegal vor großen Herausforderungen standen. Ihnen wurden zusätzliche Projekte übertragen, die in einem Zeitraum von vier Jahren verwirklicht werden mussten.

Dazu seien die Mittel von drei auf 12 Millionen Euro erhöht worden. Außerdem habe es kein funktionierendes Buchhaltungsprogramm gegeben. Schließlich: „Mein militärisches und privates Ansehen wurden durch diese Vorwürfe beschmutzt.“

Das Urteil

Die Richterin spricht das Urteil: ein Jahr und fünf Monate Haftstrafe auf zwei Jahre Bewährung. Zudem eine Geldstrafe von 2000 Euro an ein SOS-Kinderdorf . 

Außerdem wird von dem Offizier als sogenannter Wertersatz für den Schaden, der dem Bund entstanden ist, ein Betrag von 48.983 Euro gefordert.

Gegen das Urteil können beide Prozessparteien noch Rechtsmittel einlegen.

 
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