Schon vor vier Jahren wurde Bad Kissingen vom Verein Transfair (Köln), einer unabhängigen Initiative zur Förderung des fairen Handels in Deutschland, als 502. Kommune in Deutschland zur Fairtrade-Stadt ernannt. Doch erst am Donnerstag befestigte Oberbürgermeister Dirk Vogel ( SPD ) anlässlich der für die nächsten zwei Jahre erneut bestätigten Zertifizierung erstmals eine offizielle Plakette am Rathaustor.
" Arbeitslosigkeit gehört zu den größten Treibern für Flucht. Das Fairtrade-Siegel ist ein Beitrag dazu, dass Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern die Chance haben, vor Ort ihren Lebensunterhalt zu besseren Bedingungen selbst erwirtschaften zu können. Deswegen ist es gut, dass wir als Bad Kissingen diese Initiative unterstützen", meinte dazu der Oberbürgermeister. Bald nach seinem Amtsantritt im Mai 2020 hatte er der örtlichen Steuerungsgruppe eine jährliche Spende von 1000 Euro zugesichert und das Fairtrade-Engagement auf der städtischen Website bekannt gemacht.
"Wir hoffen jetzt auf eine intensivere Unterstützung durch die Stadt und deren stärkere Mitwirkung", deutet Susanne Wahler-Göbel als Vorsitzende der für alle entsprechenden Aktivitäten vor Ort eingerichteten Steuerungsgruppe diese Zeichen und das Ergebnis ihres am Donnerstag mit dem Oberbürgermeister geführten Gesprächs. Unter seinem Amtsvorgänger Kay Blankenburg ( SPD ) hätte sich die Stadtverwaltung doch eher bescheiden zurückgehalten, hatten die beiden Stadträtinnen Martha Müller und Martina Greubel (beide DBK) zuvor im Gespräch mit unserer Zeitung bemängelt und an ihre Bemühungen seit 2015 erinnert.
Der Weg zur Zertifizierung
"Ohne die Unterstützung des Eine-Welt-Ortsvereins und des Teams des bereits 1998 gegründeten Weltladens (Anm.: Prinzregentenstraße 2), allen voran Bianca und Oliver Key, gäbe es die Fairtrade-Stadt Bad Kissingen überhaupt nicht", würdigte Müller, die als Vertreterin der Stadt ehrenamtlich in der aus sieben Mitgliedern bestehenden Steuerungsgruppe aktiv ist, die Verdienste des Vereinsvorstands. Bei einem Arbeitsfrühstück sei sie 2015 von beiden über die Arbeit von "Fairtrade Deutschland" informiert und dazu motiviert worden, einen entsprechenden Antrag ihrer Fraktion zur Bewerbung Bad Kissingens um den Titel einer Fairtrade-Stadt einzubringen. Doch trotz ausführlichen Vortrags von Oliver Key im Wirtschaftsausschuss scheiterte zunächst der DBK-Antrag im März 2016. Oberbürgermeister Kay Blankenburg hatte damals auf die Personalnot im Rathaus verwiesen, weshalb ein aktives und personelles Engagement der Stadt unmöglich sei. Nach der nur knappen Abstimmungsniederlage empfahl er jedoch die ehrenamtliche Fortführung des Vorhabens bei wohlwollender Begleitung durch das Rathaus. Im Mai 2017 unterschrieb Blankenburg nach diesmal positiver Beschlussfassung des Stadtrats den Bewerbungsantrag der Stadt an Transfair e.V., dem der Verein im September 2017 mit der erstmaligen Verleihung des Zertifikats "Fairtrade-Stadt" zustimmte. Doch auch weiterhin blieb die Steuerungsgruppe ziemlich auf sich allein gestellt.
"Wir nehmen das jetzige Anbringen der Plakette als Zeichen für eine künftig verbesserte Zusammenarbeit mit dem neuen Oberbürgermeister Dirk Vogel", hoffen nun Müller und Greubel. Vom stärkeren Engagement der Stadt verspricht sich die Steuerungsgruppe eine steigende Mitwirkung von Einzelhändlern , Unternehmen, Kliniken, Restaurants und Hotels, sozialen Organisationen, Schulen und Vereinen an der Kampagne - momentan beteiligen sich etwa 25 Partner - sowie vor allem ein stärkeres Bewusstsein in der breiten Öffentlichkeit für fair gehandelte Produkte, die am offiziellen Siegel von "Fairtrade Deutschland" erkennbar sind.
"Der Kauf solcher Produkte garantiert den Kleinbauernfamilien in Entwicklungs- und Schwellenländern bessere Erzeugerpreise und den Beschäftigten auf den Plantagen menschenwürdigere Arbeitsbedingungen", erläutert Martina Greubel. Sie selbst sorgt bei Sitzungen des Kissinger Stadtrats für den Naschkorb mit fair gehandelten Süßwaren und für "fairen" Kaffeegenuss. "Fairtrade verbietet ausbeuterische Kinderarbeit und Diskriminierung von Frauen", ergänzt ihre Stadtratskollegin Müller. "Fairtrade-Produkte sichern geregelte Arbeitszeit und faire Entlohnung."
Auch Bezirk ist dabei
Bad Kissingen ist nicht die erste Kommune im Landkreis, die sich der deutschlandweiten Fairtrade-Kampagne angeschlossen hat, und wird sicher nicht die letzte sein. Auch der Bezirk Unterfranken ließ sich Ende vergangenen Jahres zertifizieren. "Jetzt wäre es schön", meint Martha Müller, wenn auch der Landkreis noch mitmachen würde.
"Am 22. März hat der Kreistag beschlossen, den Titel Fairtrade-Landkreis anzustreben", antwortete stellvertretender Landrat Emil Müller auf Nachfrage unserer Zeitung und ergänzte: "Bei allen Besprechungen fließt jetzt schon Kaffee in die Tassen, der die Fairtrade-Richtlinien erfüllt." Aufgrund der Corona-Pandemie habe allerdings die Gründung einer Steuerungsgruppe nicht nicht umgesetzt werden können.
Weitere Infos gibt es unter im Internet unter https://www.badkissingen.de/stadt/wirtschaft/fairtrade-town