Ein unzureichender Öffentlicher Personennahverkehr im ländlichen Raum macht es minderjährigen Auszubildenden schwer den Ausbildungsbetrieb und die Schule zu erreichen. Dieses Thema wurde beim diesjährigen Handwerkertreffen auf dem Kreuzberg im März ausführlich diskutiert. Damals wurde festgestellt, dass der Öffentliche Personennahverkehr häufig entweder überhaupt nicht oder zu gänzlich unpassenden Zeiten zur Verfügung stehe, so dass die jungen Leute eine schier endlose Odyssee auf mit zig mal umsteigen auf sich nehmen müssten, um beispielsweise aus der Rhön in die Berufsschule nach Bad Kissingen zu kommen. Das seien auch keine Strecken, die zu Fuß zurückgelegt werden können, wie gerne einmal die "gute alte Zeit" heraufbeschworen werde, als junge Leute noch zu Fuß zur Arbeit gingen. Eine Lösung wäre der vorgezogene Führerschein, mit Sondergenehmigung um zur Schule und zum Ausbildungsbetrieb zu fahren. Viele Jahre sei dies eine gute Lösung gewesen, die vielen jungen Leuten entgegenkam, doch durch übereifriges Reglementieren so stark eingeschränkt wurde, dass sie heute keine Alternative mehr darstelle.
Beim Handwerkertreffen wurde die Idee geboren, dass Auszubildende mit einem vierrädrigen Leichtkraftrad, für das nur ein Moped-Führerschein nötig sei, zur Schule und Arbeit fahren könnten. Die Handwerksbetriebe beziehungsweise die Handwerkskammer könne solche Fahrzeuge über Sponsoring zur Verfügung stellen. Diese Idee wurde von der Handwerkskammer Rhön-Grabfeld aufgegriffen. Kreishandwerksmeister Bruno Werner und sein Stellvertreter Klaus Engelmann haben gemeinsam mit dem Geschäftsführer Heinz Tüchert einen Renault Twizy angeschafft, der genau den Anforderungen entspricht, die sie sich vorgestellt haben.
Dreimal umsteigen
Das vierrädige Leichtkraftrad ist ein Zweisitzer und mit einem Elektroantrieb versehen. Übergeben wurde das Fahrzeug an den 17-jährigen Henning Küchler und seinen zwei Jahre jüngeren Bruder Mauritz, die beide eine Ausbildung zum Schreiner beginnen und nun gemeinsam in die Berufsschule nach Bad Kissingen sowie in ihren Ausbildungsbetrieb fahren können. Denn von ihrem Heimatort Braidbach aus wäre es nur mit großem Aufwand möglich, täglich mit dem Bus nach Bad Kissingen zu fahren. Um 5.20 Uhr müssten sie los und dreimal umsteigen, um um 8 Uhr in der Schule zu sein. Zwei Stunden und 40 Minuten wären sie morgens und abends unterwegs.
Mit dem Twizy deutlich schneller
Mit dem Renault Twizy werden sie deutlich schneller unterwegs sein, auch wenn sie nur 45 Stundenkilometer fahren dürfen. Die Kreishandwerkerschaft hat das Fahrzeug angeschafft und stellt es den Auszubildenden zur Verfügung bis Henning Küchler im nächsten Jahr seinen Pkw-Führerschein haben wird. Dann könne ein anderer Auszubildender dieses Fahrzeug bekommen, sagt Bruno Werner . Die Kreishandwerkerschaft Rhön-Grabfeld möchte zeigen, dass es möglich sei, junge Auszubildende zu unterstützen, was aber auch im eigenen Interesse sei, um Fachkräfte auszubilden und damit die Zukunftsfähigkeit des Betriebes zu sichern. Daher war auch der Präsident der Handwerkskammer für Unterfranken Walter Heußlein nach Unterweißenbrunn gekommen, um der Kreishandwerkerschaft Rhön-Grabfeld zu ihrem Engagement zu gratulieren.