Es ist ein vielbeklagtes Thema in Deutschland: Der Fachkräftemangel in einigen Branchen, wie in der Altenpflege oder im Hotel- und Gaststättengewerbe. Gerade die Region bleibt davon nicht verschont: "Laut dem IHK-Fachkräftemonitor fehlen der mainfränkischen Wirtschaft 2019 über alle Branchen hinweg 23 000 Fachkräfte ", sagt Isabel Schauz von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg.
Auch viele Hotel- und Gaststätten in Bad Kissingen haben mit Fachkräftemangel zu kämpfen. Dies hat auch Konsequenzen für die Pächter.
Hohes Arbeitspensum
"Vor allem große Betriebe mit Außenbestuhlung sind ein hohes Risiko", sagt Bernd Stempfle vom Westpark Hotel in Bad Kissingen . Um eine flächendeckende Bedienung der Gäste zu gewährleisten, sind eben auch entsprechend viele Mitarbeiter notwendig. Ausreichend Personal zu finden ist aber schwierig. Das sorgt wiederum für ein hohes Arbeitspensum pro vorhandenem Mitarbeiter. "Ein Problem sind die Teil- und Wochenenddienste", erklärt Stempfle. Diese wolle niemand mehr übernehmen. Manche Gaststätten hätten etwa montags und dienstags Ruhetag, dafür müssten die Mitarbeiter dann an den Wochenenden arbeiten. "Gerade Familie und Freunde sieht man ja aber an den Wochenenden", sagt der Hotelier. Kein Wunder also, dass immer weniger Leute in der Branche arbeiten wollen.
Das Westpark Hotel sei zum Glück nicht vom Fachkräftemangel betroffen. "Wir haben unsere Mitarbeiter seit etwa 20 Jahren. Wenn die alten Mitarbeiter nach und nach aufhören, wird es allerdings schwierig neue zu finden." Für das Hotel sei es allerdings einfacher, als für andere Vertreter der Branche. Alle Mitarbeiter haben eine Fünf-Tage-, 40-Stunden-Woche, erklärt Stempfle. Bei den Wochenendschichten wird durchgewechselt. Dadurch, dass das Hotel durch die Hausgäste ausgeschöpft und gar kein Platz für große Veranstaltungen sei, bräuchten sie hierfür schon einmal keine Mitarbeiter, was natürlich eine große Entlastung wäre. "Auch die Mitarbeiter vom Service sind bei uns um halb acht, acht zu Hause."
Das Arbeitszeitgesetz erlaubt in Deutschland eine zulässige Höchstarbeitsdauer von zehn Stunden pro Tag. Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger ( Freie Wähler ) plant, sie auf über zehn Stunden zu erhöhen. Die höhere Flexibilität würde den Arbeitnehmern helfen - und zwar auf freiwilliger Basis.
Laut Frank Firsching , Geschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Schweinfurt, haben nur wenige Betriebe der Branche einen Betriebsrat. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter durchaus von ihrem Arbeitgeber zur Mehrarbeit gezwungen werden können. Das übergeordnete Problem sei aber, dass immer weniger Menschen Berufe im Hotel- und Gaststättengewerbe ergreifen. Da wären verlängerte Arbeitszeiten schon einmal kontraproduktiv, meint Firsching. Dem könnte schon durch die Einführung von Schichtarbeit und einem Mitspracherecht der Arbeitnehmer bei den Arbeitszeiten - vor allem auch am Wochenende - entgegengewirkt werden. Das Stichwort lautet mehr Zeitsouveränität. "Junge Leute wählen den Beruf nach dem Arbeitsklima. Und letzten Endes eben auch nach dem Gehalt", so Firsching.
Maßnahmen der IHK
Gerade im Bereich Ausbildung überwacht die IHK allerdings sehr streng die Einhaltung der Ausbildungsverträge und auch die Ausbildungsvergütung ist strikt geregelt. "Was die Ausbildungsvergütung angeht, so ist für den Hotel- und Gaststättenbereich aktuell eine tarifliche Ausbildungsvergütung von 795 Euro im 1. Lehrjahr, 900 Euro im 2. Lehrjahr und 1010 Euro im dritten Lehrjahr festgesetzt. Unternehmen in dieser Branche, die nicht tarifgebunden sind, dürfen beim Ausbildungsgehalt maximal 20 Prozent nach unten abweichen", sagt Isabel Schauz von der IHK.
Trotzdem ist die Anzahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Hotel- und Gaststättenbereich in Mainfranken allein in den letzten fünf Jahren um 17,7 Prozent zurückgegangen. Warum die Ausbildungszahlen in dieser Branche, aber auch allgemein, sinken, hätte viele Gründe. Insgesamt würden sich zum Beispiel mehr Schulabgänger dafür entscheiden, an eine Hochschule zu gehen. "Manche Ausbildungsberufe erscheinen durch die Arbeitszeiten, körperliche Arbeit und so weiter unattraktiver als andere", nennt Schauz weitere Gründe.
Deswegen setzt sich die IHK für die Attraktivitätssteigerung von Ausbildungsberufen im Allgemeinen ein. "Wir wollen die Jugendlichen frühzeitig zum Nachdenken bringen", erklärt Schauz. Beispielsweise auf Berufsinformationsmessen können sich die Jugendlichen über das Ausbildungsangebot informieren. "Natürlich sollen alle Ausbildungsberufe abgedeckt werden, die IHK wirbt aber vor allem auch für solche, die Schwierigkeiten haben Auszubildende zu finden oder nicht so bekannt sind", sagt Schauz. Seit 2016 gibt es auch das Projekt der "Ausbildungsscouts". Das sind Auszubildende aus den verschiedensten Branchen, die in Schulen aus eigener Erfahrung über ihre Ausbildung berichten.
Niedrige Löhne
Die Entlohnung in der Gastronomie im Allgemeinen sei aber unterdurchschnittlich gering, sagt der DGB-Regionsgeschäftsführer. Die wenigsten Arbeitnehmer arbeiten in Betrieben mit Tarifverträgen. Ibo Ocak, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Unterfranken, versucht eine Tarifbindung von mehr Betrieben zu erreichen. "Das Problem ist, dass es kaum Betriebsräte gibt", sagt auch er. Diese könnten für die Interessen der Arbeitnehmer eintreten. Ohne Betriebsräte kein Zusammenschluss und allein zur NGG oder gleich zum Arbeitgeber zu gehen, würden sich die wenigsten trauen, so Ocak. Er hätte mehrere Beispiele erlebt, wo Mitarbeiter einen Tarifvertrag gefordert hätten. Diese wären dann unter Vorschützung irgendwelcher Anschuldigungen, wie zum Beispiel Brot geklaut zu haben, gefeuert worden. Ein positives Beispiel habe er vor zwei Jahren erlebt: Mitglieder einer Bäckerei beschwerten sich bei ihm über vorgelagerte Arbeitszeiten, die weder erfasst noch bezahlt wurden. Daraufhin verständigte er Gewerbeaufsichtsbehörde und Zoll und erreichte damit, dass die Überstunden jetzt dokumentiert und bezahlt werden.