
Ihre Entscheidung hat nichts mit Corona zu tun. Schon länger trägt sich Helene Klubertanz mit dem Gedanken, in Ruhestand zu gehen. Seit 1973 führt sie das Geschäft, das schon ihr Vater Ludwig Klubertanz gemeinsam mit Josef Veth betrieben hatte. Damals war sie 25 Jahre alt. Heute blickt sie auf 58 Jahre im Berufsleben zurück. Die Zeit – und auch die Mode – hat sich stark gewandelt. Wer bei Helene Klubertanz einkaufte, dem brachte sie auch schon mal Stoffproben zur Auswahl vorbei. Eine Bestellung bei Markenfirmen konnte ein paar Tage auf sich warten lassen. Aber: „Wer zu mir kommt, der weiß, dass er kein Handtuch für drei Euro bekommt“, sagt Klubertanz. Dieser Anspruch an die Qualität der Ware habe das Geschäft immer ausgemacht.
Haus mit jüdischer Vergangenheit
Im Jahr 1937 übernahmen Ludwig Klubertanz und Josef Veth den Laden von den Gebrüdern Zeller. Es war schon vorher ein Textilgeschäft und eine Bank. „An die Bankschalter kann ich mich noch entsinnen“, erzählt die Tochter. Es war eine jüdische Familie, von der ihr Vater das Haus übernahm. Drei Stolpersteine vor dem Geschäft erinnern an die Ermordung von drei Familienmitgliedern durch die Nationalsozialisten.
Einen der Steine hat Klubertanz' Bruder gestiftet. „Ich finde das gut“, sagt Helene Klubertanz. Sie steht zur jüdischen Geschichte des Hauses. Ihr Vater habe nach dem Kriege nochmals einen Teilbetrag an Verwandte der Familie Zeller gezahlt. Viele Überlebende des Holocausts stellten damals finanzielle Forderungen, weil der Verkauf von Grundstücken, Gebäuden und Unternehmen während der NS-Zeit aufgrund des politischen Drucks unter Wert erfolgt war.
Wie das damals war, kennt Klubertanz aus Erzählungen ihrer Mutter Sophie. Diese war eine geborene Heidelmeier. Deren Eltern, Franz und Josefine Heidelmeier, betrieben eine Spenglerei in der Ludwigstraße. Auch ein Haushaltsgeschäft gehörte dazu. Als die jüdische Familie Zeller zwei Emailleschüsseln zum Ausbessern brachte, habe ihre Großmutter heimlich eine Bestellung zwischen die beiden Schüsseln gesteckt, erzählt Klubertanz. Offiziell hätten die Bad Brückenauer damals nämlich nicht mehr bei jüdischen Geschäftsleuten einkaufen dürfen.
Dass ihre Mutter später den Mann heiraten würde, der das Geschäft der Zellers übernimmt, ahnte damals wohl noch niemand. Ludwig Klubertanz und Josef Vaeth führten den Laden zunächst als Textilgeschäft weiter. Damals kauften die Menschen noch überwiegend Stoffe und keine fertigen Produkte ein. Kleider, Gardinen und Bettwäsche wurden genäht. Erst mit der Zeit erfolgte die Spezialisierung auf Damen- und Herrenwäsche sowie Bettwaren.
Beste Sicht auf den Faschingszug
1956 zog sich Veth in den Ruhestand zurück. Die Familie baute 1961 das Geschäft um und erweiterte die Verkaufsfläche. Helene Klubertanz sorgte dafür, dass das Sortiment auf Bettdecken und Kissen erweitert wurde. Manche Kunden hätten den Verkaufsraum im Obergeschoss allerdings nicht nur für ihren Einkauf, sondern auch gerne als Aussichtspunkt auf den Faschingszug genutzt, erzählt sie.
Ludwig Klubertanz starb 1987. Sophie Klubertanz stand noch bis Ende der 1990er Jahre hinter der Ladentheke. Fünf bis sechs Mitarbeiter habe sie in guten Zeiten beschäftigt, erinnert sich Klubertanz. „Jedes Jahr haben wir einen Stift eingestellt.“ Weil die Ausbildung drei Jahre dauerte, gehörten so immer drei Lehrlinge zum Team. Selbst ein eigener Dekorateur bestückte die Schaufenster.
Zuletzt waren es nur noch zwei Mitarbeiterinnen, die die Einzelhändlerin in Teilzeit unterstützten. „Ich habe die Hoffnung noch nicht ganz aufgeben, dass sich vielleicht doch noch ein Nachfolger findet“, sagt Helene Klubertanz. Der Ausverkauf der Ware läuft noch bis Mitte September zu den gewohnten Öffnungszeiten.