
Der Zweite Weltkrieg und die menschenverachtende Ideologie der Nationalsozialisten spielen im Lehrplan der neunten Klasse eine enorm wichtige Rolle. Eine Exkursion in die Gedenkstätte Trutzhain, das ehemalige Kriegsgefangenenlager „STALAG IX A Ziegenhain“, vermittelte den Schülerinnen und Schülern des Franz-Miltenberger-Gymnasiums Bad Brückenau einen direkten Blick in die Geschichte des Zweiten Weltkriegs und die Zeit danach.
Nach der Ankunft erhielt die Gruppe durch historische Aufnahmen erste Infos über das ehemalige Kriegsgefangenenlager . Dann folgte ein Rundgang durch die heutige Ortschaft Trutzhain – und dieser bot für Gäste aus Brückenau eine Überraschung: die Ortschaft ist aus dem ehemaligen Kriegsgefangenenlager entstanden. Viele der Baracken, in denen die Inhaftierten unter oft unmenschlichen Bedingungen leben mussten, stehen noch heute – teilweise als umgebaute Wohnhäuser.
Jede dieser Baracken ist 12 Meter breit und 60 Meter lang, und war für bis zu 250 Kriegsgefangene vorgesehen. Teilweise lebten jedoch bis zu 800 Gefangene in jeder dieser Baracken. 1943 hielten sich zeitweise über 50.000 größtenteils sowjetische, französische, polnische, italienische und englische Kriegsgefangene in dem Lager auf. Zum Vergleich: in dem seither größer gewordenen Ort leben heutzutage lediglich knapp 800 Menschen. Die unwürdige, unhygienische, oft todbringende Unterbringung der meisten Gefangenen wurde so immer wieder eindrucksvoll verdeutlicht.
Nach der Besichtigung der breiten Hauptstraße des ehemaligen Lagers besuchten die Brückenauer Schülerinnen und Schüler auch die beiden Friedhöfe. Immer wieder zeigte sich die brutale, völkerrechtswidrige Behandlung der Kriegsgefangenen aus ganz Europa und auch ihr Missbrauch zur Zwangsarbeit. Die sowjetischen Kriegsgefangenen wurden von den Deutschen dabei noch deutlich schlechter behandelt als Kriegsgefangene etwa aus Frankreich oder England. Hier zeigte sich die NS-Rassenideologie in all ihrer Brutalität: Viele Gefangene starben in Trutzhain durch miserable Lebensmittelversorgung, quasi keine medizinische Versorgung und Schwerstarbeit insbesondere für die sowjetischen Gefangenen. Auch Einzelschicksale konnten vor Ort genauer erforscht werden. Die Schülerinnen und Schüler erhielten Informationen zu einzelnen Opfern, und die Rundgangsleiterin berichtete von Schicksalen, die die Gäste aus Brückenau sehr berührten. Ein Besuch der Dauerausstellung vermittelte weitere Informationen, so auch die Nachkriegsnutzung zum Beispiel als Lager für „displaced persons“ (Unterbringung von osteuropäischen Juden 1946-47) und später als „Flüchtlingssiedlung“ Trutzhain (1948-51), aus der das heutige Dorf entstand.
Der Besuch wurde im Nachgang auch im Unterricht besprochen und es zeigte sich, dass die jungen Leute sehr beeindruckt von der Geschichte des Ortes und seiner ehemaligen, unfreiwilligen Bewohner waren. Engagierte Diskussionen über das Gesehene und sehr reflektierte Überlegungen über die heutige Nutzung des Kriegsgefangenenlagers zeigten, dass der Besuch tiefen Eindruck hinterlassen hat. Große Einigkeit bestand auch in diesem Punkt: Die Auseinandersetzung mit unserer Geschichte ist wichtig, damit sich Geschichte nicht wiederholt. Adrian Gass/Fiona Daniel