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BAD KISSINGEN
Ex-OB Christian Zoll wird 70
Politische Heimat: Christian Zoll, von 1990 bis 2002 Oberbürgermeister von Bad Kissingen und am Sonntag 70 Jahre alt, vor dem Rathaus der Kurstadt.
Foto: Siegfried Farkas | Politische Heimat: Christian Zoll, von 1990 bis 2002 Oberbürgermeister von Bad Kissingen und am Sonntag 70 Jahre alt, vor dem Rathaus der Kurstadt.
Das Gespräch führte unser Redaktionsmitglied Siegfried Farkas
 |  aktualisiert: 25.03.2011 18:10 Uhr

Christian Zoll hat so gut wie alles erlebt, was die Geschichte üblicherweise für einen Kommunalpolitiker bereithält: Zahllose Sitzungen und hitzige Diskussionen, sensationelle Siege und schwere Niederlagen. Am Sonntag wird Kissingens ehemaliger Oberbürgermeister 70 Jahre alt. Im Gespräch zieht er eine kleine Bilanz seines politischen Lebens.

Frage: Sie haben fünfmal für das Amt des Oberbürgermeisters von Bad Kissingen kandidiert und dreimal verloren. Ist das eine gute oder eine schlechte Bilanz?

Christian Zoll: Ich spreche da schon von einer guten Bilanz. Auch deshalb, weil ich meine, in einer für Bad Kissingen wichtigen Zeit der Umgestaltung und der Erneuerung die nötigen Weichen gestellt zu haben. Und meine ersten beiden Kandidaturen 1978 und 1984 waren ja praktisch nur Probeläufe gewesen.

Die SPD stellt zwar mit Kay Blankenburg bereits zum zweiten Mal den OB, trotzdem ist Bad Kissingen eigentlich eine konservative Stadt. Die Stärke der SPD ist in der Regel eher die Schwäche der CSU. Was sagen Sie dazu?

Zoll: Kissingen war früher weitaus konservativer, vom Blick her eingeschränkter, als heute. Als ich das erste Mal kandidiert habe gegen die CSU, bin ich ja belächelt worden. Eine wohlgesonnene alte Dame hat da gesagt: 'Ach Christian, Du hast das falsche Parteibuch und das falsche Gesangbuch.' Als es dann 1990 doch so weit war, war es eine Sensation. Ich habe damals ja selbst nicht in dem Umfang damit gerechnet.

Warum haben Sie damals gewonnen?

Zoll: Die Situation war wohl einfach reif. Für mich hatte die CSU ihr Konto überzogen. Und in meiner Person haben die Kissinger eben zum ersten Mal eine Alternative gesehen. Die letzten Jahre von Hans Weiß als OB, seine Bindung durch das Amt des Senatspräsidenten in München, das war ungünstig für die Stadt und die CSU. Dr. Weiß war bestimmt ein großer Oberbürgermeister für Bad Kissingen. Er hat sehr viel für die Stadt getan. Aber seine letzten Amtsjahre als OB brachten nicht den großen Schub für Bad Kissingen als Kurort. Den konnte auch Georg Straus nicht wieder geben. Vielleicht war das ein Ursprung für meine Wahl.

2002 waren Sie sicher, im Amt bestätigt zu werden, und verloren klar. Warum?

Zoll: Sie werden lachen. Darauf kann ich keine echte Antwort geben. Ich weiß auch nicht, welche Erwartungen ich da nicht erfüllt habe. Im Wahlkampf damals gab es eine Dampfwalze von fadenscheiniger Kritik gegen mich. Die CSU wollte mit aller Gewalt das OB-Amt wieder haben. Ihr war jedes Mittel recht.

Ihre zweite Amtszeit war ja auch deutlich schwieriger gewesen als die erste.

Zoll: In meiner zweiten Amtszeit bin ich eigentlich immer einer Mehrheit hinterhergelaufen. Die erste Amtszeit war da leichter. In der zweiten gab es ständig Streitereien. Das war vielleicht ein schleichender Grund für die Bürger, die damaligen Mehrheitsverhältnisse aufzuheben und zur alten Mehrheit der CSU zurückzukehren. Aber das Ergebnis, die Zeit danach, das war ein Trauerspiel. Die CSU hat dafür 2008 die Quittung bekommen.

Hier ist eine Liste mit Attributen für Politiker: visionär, ausgleichend, streitbar, ehrgeizig, integrativ, tatkräftig, polarisierend, vorausdenkend, moderat, ideologisch, zupackend, sparsam, mit Augenmaß agierend. Welche drei davon passen aus Ihrer Sicht am besten zu Ihren beiden Amtszeiten als OB?

Zoll: Ich war vorausdenkend und ich bin streitbar. Und ich würde mich als tatkräftig und zupackend bezeichnen.

Dass Sie für Ihre erste Aufgabe gehalten hätten, ausgleichend zu wirken, kann Ihnen niemand nachsagen, oder? Und politische Gegner sprachen Ihnen vor allem zum Ende hin die Sparsamkeit ab.

Zoll: Ich war nicht polarisierend. Aber ob mir die Integration gelungen ist im Stadtrat, das sei dahingestellt.

Gerne hat man Sie den Sonnenkönig von Bad Kissingen genannt. Gleichzeitig waren Sie aber doch irgendwie auch ein Bub aus dem ganz bestimmt nicht königlichen Leffererviertel.

Zoll: Wenn Sie sich dem Leffererviertel von der Innenstadt her annähern, dann ist das ein Quartier außerhalb der Stadtmauern. Eine Gegend der Arbeiter, der Kleinunternehmer und der Handwerker. Da war ich daheim. Der Sonnenkönig ist mir eher willkürlich angeheftet worden. Und wenn ich an Ludwig XIV. denke, möchte ich auch kein Sonnenkönig gewesen sein. Im Nachhinein, also nicht während meiner Amtszeit, sondern erst später, hat man mir gelegentlich das Prädikat Oberbürgermeister der Herzen angeheftet. Ich hatte ja auch mit den meisten Menschen in unserer Stadt ein gutes, herzliches Verhältnis und das ist so geblieben.

Welche Projekte Ihrer zwölf Jahre als OB werden am längsten nachwirken?

Zoll: Die Heilbadelandschaft wird für meine Begriffe am längsten nachwirken. Der zweite Punkt ist das Thema Kulturstadt, der Ausbau dessen, was Georg Straus begonnen hatte. Der Winterzauber, die Theatertage, das Projekt Museumsstandort Obere Saline, die Ausweitung des Rakoczyfests auf die gesamte Innenstadt, das bringt wichtige Umwegrentabilitäten, hoffe ich. Ich habe auch verschiedene Maßnahmen zur Entwicklung von wegweisenden Zukunftskonzeptionen, wie das Format Bad Kissingen und die Stadtkonzeption angestoßen.

Lassen Sie mich auf das Stichwort Sparsamkeit zurückkommen.

Zoll: Also in Bezug auf die Heilbadelandschaft wäre Sparsamkeit das falsche Verhalten gewesen. Das zeigt sich heute. Wenn wir damals nicht in die ursprüngliche Planung eingegriffen hätten, wäre der heutige Erfolg nicht denkbar gewesen. Für die Kultur gilt Ähnliches. Ich wage zwar zu bezweifeln, dass sich da alle Schritte über die Umwegrentabilität auszahlten. Trotzdem habe ich immer auf Qualität Wert gelegt, im Sinne des Fremdenverkehrs. Und das kostet leider Geld.

Wovon hätten Sie politisch besser die Finger gelassen?

Zoll: Da weiß ich eigentlich nichts. Auch wenn ich an die Verkehrsberuhigung denke. Die Maxstraße musste ja 2002 unbedingt aufgemacht werden. Das war ja wie ein Volksentscheid. Ich würde aber nicht so weit gehen zu sagen, dass das ein Fehler von mir gewesen wäre. Die Verkehrsprobleme belasten uns ja nach wie vor. Finger weg bringt noch keine Verkehrsberuhigung.

Sie gehören dem Stadtrat seit 1972 an. Wie hat sich das politische Bad Kissingen in dieser Zeit verändert? Ist es professioneller geworden?

Zoll: Ich glaube schon, dass es professioneller ist, als in den 50er und 60er Jahren. Aus dem Stadtrat nach dem Zweiten Krieg ist im Lauf der Zeit ein Forum geworden, das sich mehr mit dem Bürger beschäftigt. Stadtrat und Oberbürgermeister gingen Schritt für Schritt mit Bürgerversammlungen und Informationsveranstaltungen auf die Menschen zu. Straus hat das begonnen. Ich hab's vertieft. Die Beteiligung der Menschen hat schon sehr zugenommen. Gleichzeitig sind aber auch die Ansprüche der Bürger gewachsen. Das war vor 50 Jahren noch undenkbar.

Sie sind jetzt 70 und im Stadtrat noch kein bisschen leise. Finden Sie, dass Ihre Ratskollegen, auch die Ihrer Partei, genug Respekt vor Ihrer Erfahrung haben?

Zoll: Ich versuche schon, meine Erfahrung, so sie anerkannt wird, weiterzugeben. Ich stelle keine Anträge, aber ich melde mich zu Wort. Mit der Resonanz darauf bin ich zufrieden.

Anders als für Oberbürgermeister gibt es für Stadträte keine gesetzliche Altersgrenze. Wie lange machen Sie weiter?

Zoll: Ach, ich glaube, die Stadt kommt ganz gut ohne mich zurecht. Ich überlege ernsthaft, ob sich meine Tätigkeit in Stadtrat oder Kreistag nicht 2014 dem Ende zuneigt.

Christian Zoll

Der am 27. März 1941 in Bad Kissingen geborene Christian Zoll kann auf fast 40 Jahre Kommunalpolitik zurückblicken. Dem Kissinger Stadtrat gehört der studierte Volkswirt seit 1972 ununterbrochen an. Schon 1974 wurde er Sprecher der SPD-Fraktion. Diese Funktion übte er 16 Jahre aus. 1990 wurde er nach zwei vergeblichen Anläufen zum Oberbürgermeister gewählt und er behauptete das Amt auch bei der Wahl 1996. 2002 trat er erneut zur Wiederwahl an, unterlag aber.

 
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