Gute drei Autostunden westlich von Bad Kissingen liegt, idyllisch eingebettet in ein enges Tal an der Lahn, das knapp 10 000 Einwohner große Bad Ems: Einstiges Kaiserbad, gefördert von den Herrschern aus dem Hause Oranien-Nassau, sowie eine Kurtradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Bad Ems gehört wie Bad Kissingen zur Gruppe der "Great Spa Towns of Europe", also zu den elf bedeutendsten Kurstädten in Europa, die von der Unesco als Welterbe anerkannt wurden.
Hans-Jürgen Sarholz hat als Stadtarchivar und Museumsleiter die Unesco-Bewerbung auf Bad Emser Seite verantwortet. 47 Einzelelemente gehören in Bad Ems zur Welterbestätte dazu; über 15 medizinisch anerkannte Heilquellen verfügt der Ort - darunter befinden sich Quellen für Trinkkuren und vor allem Thermalquellen zum Baden. Durch die geografische Lage im Tal ist alles auf engstem Raum zu finden. "Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten sind natürlich die Kurbauten, die am Lahnufer liegen", sagt er.
Herzstück ist das Kurhaus über den wichtigen Thermalquellen. Die Quellen wurden bereits im Mittelalter von der kirchlichen und weltlichen Elite genutzt, weiß Sarholz. Eine heute nicht mehr existierende Quelle stand zu dieser Zeit sogar in dem Ruf, Frauen fruchtbar zu machen. "Frauen wurden deshalb zur Kur nach Bad Ems geschickt", berichtet er. 1715 ließen die Nassauer das heutige Kurhaus mit Brunnenhalle erbauen, das bis 1999 als herrschaftliches beziehungsweise staatliches Badehaus geführt wurde. Seitdem wird es privat als Häckers Grand Hotel betrieben.
Westlich des Kurhauses befindet sich der Kursaal inklusive Theater und Spielbank. Das Kursaal-Ensemble und der Kurhauskomplex sind über eine Kolonnade miteinander verbunden. Der Architekt Johann Gottfried Gutensohn, der den Kursaal samt Kolonnade erbaut hat, hat übrigens auch in Bad Kissingens seine Spuren hinterlassen: Er errichtete das Ballinghaus an der evangelischen Kirche, das Boxbergerhaus in der Unteren Marktstraße, sowie das Hauptgebäude des Grand Hotels Kaiserhof Victoria.
Charakteristisch für Bad Ems ist die Kurlandschaft mit den steilen, felsigen Hügeln um die Stadt, die einen guten Ausblick bieten und früher mit einer Seilbahn erreicht werden konnten. "Schon Dostojewski schwärmte von den Felsen und dem Blick ins Tal", sagt Sarholz. Die Seilbahn ist zwar noch erhalten, aber nicht mehr in Betrieb.
Viele Monarchen hatten sich den Ort während der Blütezeit im 19. Jahrhundert zur Sommerresidenz auserkoren. Die Hohenzollern kamen regelmäßig hierher, die Romanows und ihrem Gefolge viele andere Einflussreiche wie Diplomaten, Künstler, Schriftsteller.
Eine besondere Beziehung verbindet die Stadt mit Wilhelm I. , dem ersten Kaiser des deutschen Reiches. Bei einem Besuch Wilhelms noch als preußischer König im Jahr 1870 wurde Bad Ems zum Schauplatz der Weltpolitik: Es geht um ein schicksalhaftes Treffen Wilhelms mit dem französischen Botschafter de Benedetti. Sarholz sagt: "De Benedetti wusste, dass Wilhelm immer auf der Kurpromenade flanierte. Dort sprach er ihn an", sagt der Historiker. Nach dieser Unterredung ließ Wilhelm ein Telegramm an seinen Kanzler Otto von Bismarck schicken. Dieses Telegram wurde als Emser Depesche bekannt und war mit ein Auslöser für den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, nach dessen Ende Wilhelm Kaiser wurde. "Die Krönung hatte zur Folge, dass sich Bad Ems erst recht Kaiserbad nennen durfte", sagt der Historiker.
Bäder wollen zusammen arbeiten
Bad Kissingens Welterbe-Managerin Anna Maria Boll schätzt den schönen Badeort an der Lahn. "Bad Ems gilt in der Gruppe als sehr kompakte und malerische Kurstadt", sagt sie. Mit dem Limes befinde sich eine zweite Unesco-Stätte ganz in der Nähe, ähnlich wie es in Bad Kissingen mit dem Unesco Biosphärenreservat Rhön der Fall ist. Auch sonst gebe es Parallelen: Was den Bad Emsern die Seilbahn ist, sind den Bad Kissingern ihre Dampferle, und die Emser Depesche hat ihr Gegenstück im Kissinger Diktat von Fürst Otto von Bismarck .
Zudem sind beide Städte nach wie vor Gesundheitsstandorte und haben ihre Kurtradition mit Kliniken, Hotels , Therme und Unternehmen im Bereich Medizintechnik ins 21. Jahrhundert geführt - und in nicht mehr gebrauchte, ehemalige Kurbauten sind in Bad Ems wie in Bad Kissingen inzwischen Behörden eingezogen. Abgesehen vom Unesco-Bewerbungsprozess haben die beiden Great Spas noch nicht miteinander kooperiert. "Ich denke aber, dass die drei deutschen Städte in Zukunft enger zusammenarbeiten werden", sagt Boll. Sarholz sieht das ähnlich. Der Unesco Titel könne genutzt werden, um beispielsweise den medizinischen Nutzen der örtlichen Heilquellen zu erforschen und besser herauszustellen.
Kommentar: Schmerzhafter Vergleich für die Kissinger
Bei vielen Gemeinsamkeiten zwischen Bad Kissingen und dem "Great-Spa-Towns-of-Europe"-Partner Bad Ems sind es doch vor allem die Unterschiede, die den Kissingern weh tun. Da ist zum einen das Kurhaus: In Bad Ems 1715 erbaut, im 19. und 20. Jahrhundert renoviert und erweitert, ist es kontinuierlich bis heute in Betrieb; aktuell als privat geführtes Grand Hotel . In Bad Kissingen hatte das "erste Haus am Platz" leider keine so glückliche Geschichte. Dabei ging es gut los: Das Kissinger Kurhaus wurde 1739 von Balthasar Neumann errichtet und in den ersten 140 Jahren seiner Geschichte mehrfach umgebaut und erweitert. 1880 jedoch wurde es abgerissen und durch das Königliche Kurhaushotel ersetzt. Auch dieses Gebäude gibt es inzwischen nicht mehr, im Winter 2014/15 ließ der Freistaat es abbrechen. Der Hotelbetrieb an der Stelle wurde schon 2010 eingestellt. Immerhin: Bei den Planungen für das Kurparkresort, also für das neue Hotel auf dem Areal, ist es sehr konkret geworden - zuletzt war von einem Baubeginn in diesem Jahr die Rede.
Der zweite schmerzliche Punkt: Bad Ems hat sowohl eine Therme , als auch ein Thermenhotel. Bad Kissingen hingegen hat die Therme , das Hotel ist aber noch ein Wunsch. In Bad Ems werden beide Einrichtungen von Kannewischer betrieben - dem Unternehmen, das auch mit großem Erfolg die Kisssalis bewirtschaftet. Während in Bad Kissingen die Investoren für das Thermenhotel vergangenes Jahr jedoch pandemiebedingt absprangen, wurde in Bad Ems das Hotel Ende November eröffnet. Für das Städtchen an der Lahn mit Sicherheit ein Glücksgriff, für das an der Saale hoffentlich Ansporn, nachzuziehen.