Nicht nur Bratwurst, Bier und Blasmusik gab es bei der traditionellen Maifeier des BGB-Ortsverbandes Maßbach-Poppenlauer und Umgebung auf dem Marktplatz. Die Vorsitzende Anna Schlechter konnte dazu als Rednerin die Kriminalhauptkommissarin Christiane Kern aus München begrüße, die unter anderem Mitglied im Landesvorstand der GdP (Gewerkschaft der Polizei ) und stellvertretende Vorsitzende der DGB-Frauen in Bayern ist. Sie arbeitete bisher beim polizeilichen Staatsschutz und wechselt nun in die Polizei-Abteilung des Innenministeriums.
Etwa 100 Besucher waren gekommen, um die engagierte Gewerkschafterin und Europa-Befürworterin zu hören. Wanderer und Radler nutzten die Veranstaltung unter dem bundesweiten Motto "Europa. Jetzt aber richtig" als Zwischenstation für ihren Maiausflug. Als der Klang der Kirchenglocken verhallt war, hieß Anna Schlechter die Gäste, unter denen auch der 2. Bürgermeister Wolfgang Rützel war, willkommen. Mit Hinweis auf zwei Plakate von 1890 und 1892 mit den Inschriften "Proletarier aller Länder, vereinigt euch" machte sie deutlich, dass die Gewerkschaften schon lange für ein vereintes Europa seien. Das Europa der Gewerkschaften bedeute unter anderem humane Arbeitspolitik, Weiterbildung, gesündere Umwelt, "wir als Arbeiter und Endverbraucher haben keine Lobbyisten, aber wir können wählen". Als Forderungen der Gewerkschaften an die EU nannte sie unter anderem Mindestlöhne und Tarifbindung in allen Ländern.
"Ich habe gleich zugesagt, nach Maßbach zu kommen. Aber dann habe ich auf der Landkarte geschaut, wo das liegt und dachte ‚oh leck‘", gab Christiane Kern unter dem Gelächter ihrer Zuhörer zu. Bei der Europawahl am 26. Mai würden die Weichen gestellt entweder "für ein anderes Europa, dass die Menschen schützt und ihnen ein Zuhause gibt" oder aber "für ein Europa des weiter so, das seine Bürgerinnen und Bürger schutzlos dem Toben der Marktkräfte ausliefert". Europa dürfe nicht "den Anti-Europäern mit ihrem Gebrüll nach neuen Mauern und Grenzzäunen überlassen werden".
Es sei der europäischen Einigung zu verdanken, dass Deutschland seit sieben Jahrzehnten in Frieden mit seinen Nachbarn zusammenlebe. Nicht vergessen werden dürfe, dass die deutsche Wiedervereinigung erst durch die Einbindung in die Europäische Union möglich wurde. Der freie Binnenmarkt dürfe nicht auf Kosten sozialer Rechte verwirklicht werden. Soziale Unsicherheit und Ungerechtigkeit dürften nicht durch "gnadenlose Sparpolitik" geschürt werden. Am Tag der Arbeit könnten die Gewerkschaften stolz auf ihre Erfolge zurückblicken, "wenn die Wirtschaft brummt, das Wachstum anhält und die Arbeitsmarktzahlen unverändert gut aussehen, dann liegt das auch an uns".
Individuelle Gestaltung der Arbeitszeit
Mehr Selbstbestimmung bei der individuellen Gestaltung der Arbeitszeit werde ein Top-Thema in den kommenden Tarif-Auseinandersetzungen bleiben. Sehr deutlich betonte Christiane Kern "eine Erhöhung des Renteneintrittsalters lehnen wir ab". Es dürfe nicht sein, dass die Beschäftigten nichts von mühsam erkämpften Lohnerhöhungen haben, "weil sie durch maßlose Mieterhöhungen wieder einkassiert werden".
Forderung nach Tariftreue
Sie verteidigte auch das geplante Gesetz zur Einschränkung von grundlosen Befristungen und sprach sich gegen eine Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes aus. "Ein für alle Mal! Hände weg vom Arbeitszeitgesetz ", forderte sie und kritisierte auch "skandalöse Tarif-Flucht der Arbeitgeber ". Die Umgehung der Tarifbindung durch die Ausgliederung einzelner Firmenteile müsse endlich unterbunden werden. Sie forderte, die Möglichkeiten zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen weiter zu erleichtern. Eine höhere Tarifbindung sei ein wesentlicher Schlüssel für gleichwertige Lebensbedingungen in Bayern. Nur noch 53 Prozent der Beschäftigten im Land fallen nach ihren Angaben unter einen Tarifvertrag. Damit liege Bayern auf dem letzten Tabellenplatz der westdeutschen Bundesländer. Es müsse endlich sichergestellt werden, dass nur noch tarifgebundene Unternehmen öffentliche Aufträge bekommen, "deshalb brauchen wir endlich ein Tariftreue- und Vergabegesetz".
Eindeutig bekannte sich Christiane Kern zu Europa. "Für uns Gewerkschaften steht außer Frage: wenn es die Europäische Union nicht gäbe, müsste man sie erfinden!" Der Musikverein Maßbach unter der Leitung von Karl Heinz Helmerich umrahmte die Maifeier wie immer musikalisch.
Kundgebung auf der Trimburg
Gut 250 Zuhörer fanden sich bei strahlendem Wetter auf der Maikundgebung des DGB für den Landkreis Bad Kissingen ein, die zum ersten Mal auf der Trimburg stattfand. Vor drei Jahren feierte der DGB an diesem Ort ein zweitägiges Fest, das "Burgfest der Gewerkschaften ". Am 1. Mai 2019 gab es nun einer Wiedersehen mit Unterstützung und Bewirtung des SV Machtilshausen. DGB- Kreisvorsitzender Gerhard Klamet bedankte sich in seiner Begrüßungsrede bei allen Betriebs- und Personalrätinnen, die dafür sorgten, "dass die Rechte der Beschäftigten in den Unternehmen geachtet werden".
Die Rede zum Internationalen Tag der Arbeit hielt der unterfränkische DGB- Chef Frank Firsching . Er bezeichnete die menschliche Arbeit als "Quelle des Wohlstands" und stellte gleichzeitig fest, dass Geld eben nicht arbeite, wie immer wieder fälschlicherweise behauptet werde. "Erst mit dem Einsatz von Arbeit entstehen Produkte und Dienstleistungen, deren Verkauf die Gewinne abwirft, die dann als Renditen oder Zinsen für die Kapitalvermehrung verantwortlich sind." Das Problem bestehe jedoch darin, dass die Früchte der Arbeit nicht bei denen ankämen, die sie erbringen. Das gelte insbesondere bei der Hälfte der Beschäftigten, deren Bezahlung nicht über einen Tarifvertrag geregelt seien, den die Gewerkschaften mit den Arbeitgebern aushandelten. Deren Löhne seien im Schnitt mehr als zehnt Prozent geringer, die Arbeitszeiten länger und die Arbeitsbedingungen schlechter. Firsching forderte die Arbeitgeber auf die Tarifflucht zu unterlassen und ermutigte die Beschäftigten in Gewerkschaften einzutreten, um gemeinsam bessere Löhne zu erstreiten.
Mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns 2015 hat der DGB "einen Riesenerfolg" gefeiert. "Klar ist aber auch, dass der Mindestlohn ein sehr niedriger Lohn bleibt und nicht ausreicht, um davon anständig leben zu können", so der DGB- Regionschef. "Wenn die größte europäische Volkswirtschaft mit neun Millionen Geringverdienenden gleichzeitig auch den größten Niedriglohnsektor aufweist, ist etwas faul in unserer Gesellschaft. Das gilt es gemeinsam zu ändern."
Getreu dem diesjährigem DGB- Motto zum 1.Mai "Europa. Jetzt aber richtig", forderte Firsching die Zuhörer auf am 26. Mai bei der Europawahl keine Parteien zu wählen, die nationalistisch und rassistisch daher kommen. "AfD, NPD und Co wollen die Europäische Union zerstören. Das dürfen wir nicht zulassen. Weil wir weiter in Frieden mit unseren Nachbarn leben wollen und weil 30 Prozent unserer Arbeitsplätze vom Export abhängig sind, der zu 60 Prozent in die EU fließt! Am Beispiel des Brexits lässt sich gut beobachten, wohin die Politik verantwortungslose Rechtspopulisten führe, ins Nichts", sagte Firsching unter großem Applaus.