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RAMSTHAL
„Es war Liebe auf den ersten Blick“
65 Jahre verheiratet: Bis vor einigen Jahren ging Rudolf Günder noch zur Jagd, wie die vielen Trophäen im Wohnzimmer zeigen. Bei den Sonntagsausflügen zur Jägerhütte im Altreichtal ging auch Ehefrau Traudl mit.
Foto: Charlotte Wahler | 65 Jahre verheiratet: Bis vor einigen Jahren ging Rudolf Günder noch zur Jagd, wie die vielen Trophäen im Wohnzimmer zeigen. Bei den Sonntagsausflügen zur Jägerhütte im Altreichtal ging auch Ehefrau Traudl mit.
Von unserer Mitarbeiterin Charlotte Wahler
 |  aktualisiert: 23.12.2015 11:54 Uhr

Wie die Zeit vergeht. Da war man vor kurzem noch jung und doch schon ein ganzes Leben gelebt. Traudl und Rudolf Günder haben am 30. März 1948 geheiratet und feiern heute ihre Eiserne Hochzeit. 65 Jahre verheiratet zu sein – das geht nur, wenn man eisern zusammenhält und gesund bleibt.

Erinnern kann sich Traudl noch gut an die vergangenen Jahre und an all das, was war. Rudolfs Gedächtnis hat zwar nachgelassen, aber er ist zum Glück wieder gesund genug für das heutige Fest.

1946 haben sich die beiden kennengelernt, da war Traudl mit ihrem Strickzeug unterwegs zum Geierschnabel, einer Wiese am Kapellenberg. Der Krieg hatte das Flüchtlingsmädchen mit ihrer Familie aus der Tschechei nach Ramsthal getrieben. Den Bruder Franz hatte man in Süddeutschland wiedergefunden. Pepi, der andere Bruder, hatte die mörderische Zeit nicht überlebt. Und Rudolf, mit 17 Jahren zur SS gegangen, war geläutert aus der Dachauer Gefangenschaft zurück ins kleine Dorf gekommen.

„Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt Traudl. Damals ging sie jeden Tag zum Wittelsbacher Turm, zu Fuß, dort waren die Amis stationiert, und dort kochte und putzte sie. Da wurde auch schon mal schlecht geredet im Dorf, wenn sie zum Beispiel Seife oder Schuhcreme geschenkt bekommen hatte. „Ich bin aber immer anständig behandelt worden“, betont sie.

Nach der Hochzeit wohnte das junge Paar in der Hauptstraße, im Haus von Rudolfs Eltern. Sie hatten eine Stube und ein Schlafzimmer. Rudolf holte vom Schuttplatz – früher gab es noch keine Mülldeponie – einen Ofen und richtete ihn her, man hatte ja nichts. Dann bekam er als Schmied in Greßthal eine Stelle. „Acht Mark verdiente er in der Woche“, erinnert sich die Jubilarin. Wenn im Winter Brot gebacken wurde, hat man es zum Wärmen ins Bett gelegt. „Damals war man arm, aber man hat zusammengehalten.“

Bei den Bauern hatten die Frauen gar nichts vom Leben, erinnert sich Traudl und dass es in ihrer Generation dann schon besser war. Als Tochter Brunhilde 1948 geboren wurde, bekam diese zwei Tage später wie alle anderen Deutschen 30 Mark bei der Währungsreform, das alte Geld wurde ungültig.

Die Günders bauten das erste Häuschen in der Siedlung, die sich unterhalb des Kapellenbergs an der Winterleite entlangzieht. Dort liefen Gänse herum, im Sommer bolzten die Kinder, im Winter fuhren sie Schlitten. Bis in die 70er Jahre war die Straße ein beliebter Spielplatz, denn es fuhren kaum Autos. Da waren Magda, Wolfgang und Heidrun schon auf der Welt, Brunhilde, die Älteste, fast schon verheiratet.

„Rudolf arbeitete in Schweinfurt beim Sachs“, erzählt die Ehefrau. Er hatte auch die Jagd im Altreichtal. Dorthin, in die Jägershütte, führten die Sonntagsausflüge mit Freunden und Verwandtschaft. Traudl hielt Kinder, Haus und Garten zusammen, ging mit den Bauern aufs Feld und pflegte viele Jahre ihre Mutter. Bis zu ihrem 70. Lebensjahr bewirtschaftete sie den Weinberg, und Rudolf ging bis vor einigen Jahren noch auf die Jagd im Altreichtal. Hinter dem Haus betrieb er ein kleines Wildgehege.

Ins Zillertal sei man oft in Urlaub gefahren, erinnert sich Traudl an die schönen Jahre in der Blüte des Lebens. Rudolf war im Gemeinderat aktiv, eine zeitlang auch als stellvertretender Bürgermeister. Das Dorfleben war mit Gesangverein, Fideliaverein, den Anglern, dem Sport- und Weinbauverein, den Eigenheimern und der Waldkörperschaft ein geräumiger kultureller Kosmos. Bis vor kurzem sind die beiden täglich hinaus zum Spaziergang und auch gerne in die Heckenwirtschaften oder Gasthäuser eingekehrt.

Ein schwerer Schicksalsschlag musste im vergangenen Jahr verkraftet werden, als Sohn Wolfgang mit 57 Jahren an seiner schweren Krankheit starb. Inzwischen sind die Knochen etwas müder geworden, aber wenn es wärmer wird, soll es schon noch ein bisschen weitergehen. Traudl führt mit fast 90 Jahren immer noch ihren Haushalt, das Kochen und Putzen besorgen jedoch die Töchter. Traudl hilft ihrem Mann durch die alten Tage und freut sich schon auf die Frühlingsblumen.

Und jetzt wird das seltene Ehejubiläum gefeiert. Es treffen sich die 25 Familienmitglieder, darunter acht Enkel und sechs Urenkel.

 
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