zurück
Burkardroth
"Es ist extrem gefährlich gewirtschaftet worden" - Die schwere Geburt des Markt Burkardroths
Galgen, derbe Sprüche und Wahlboykott - als der Markt Burkardroth entstand, kochten die Gemüter in den 12 Orten über. Die Kommune möchte heuer das 50-Jährige Bestehen feiern. Zeit, die Lage vor Ort zu beurteilen. Ist aus dem zusammengewürfelten Haufen eine Einheit geworden?
Viele Hauswände in Stangenroth waren mit Plakaten gegen die Gebietsreform beklebt.       -  Viele Hauswände in Stangenroth waren mit Plakaten gegen die Gebietsreform beklebt.
Foto: Archiv Hans-Dieter Wolf | Viele Hauswände in Stangenroth waren mit Plakaten gegen die Gebietsreform beklebt.
Johannes Schlereth
 |  aktualisiert: 11.09.2022 17:27 Uhr

Im September soll die Feier starten - 50 Jahre Marktgemeinde Burkardroth heißt es dann. Aber: Auf den ersten Blick scheint es, als sei die Zeit dafür noch nicht gekommen. Denn die Kommune am Fuß der Schwarzen Berge ist in ihrer jetzigen Form erst seit 1978 auf dem Papier eins. Damals waren der Gebietsreform jahrelange Streitereien und interne Heimtücke, Gerichtsverfahren und finanzielle Not voraus gegangen. Ist es Zeit, für einen Blick zurück?

"Wir feiern definitiv die 50 Jahre Markt Burkardroth . Der wurde ja schließlich - wenn auch nicht in der heutigen Form - 1972 aus der Taufe gehoben", sagt Daniel Wehner ( CSU ), Bürgermeister der zwölf Ortsteile. Dass Premich und Stangenroth erst später im Frühjahr 1978 hinzugekommen sind, ändere daran nichts.

Perspektiven sahen schlecht aus

Die Sterne standen damals nicht gut für das junge Konstrukt der Großgemeinde. "Der ,zusammengewürfelte Haufen' hat sich restlos auseinandergerauft. Intrigenspiele tun das Übrige. Ein zerstrittener Gemeinderat tat das Seinige", titelte die Saale-Zeitung damals nach der Gebietsreform . Premich wehrte sich so vehement gegen die Eingemeindung, dass der Ort sogar eine Klage gegen die Gebietsreform beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof anstrebte. Allerdings besannen sich die Premicher und nahmen nach mehrjährigem Kampf im Jahr 1978 die Ankopplung an Burkardroth letztlich hin.

Anders verlief die Gebietsreform in Stangenroth. Bis auf zwei Personen boykottierte das gesamte Dorf sogar die Kommunalwahl 1978. "Als Folge hat dann ein Musiker-Zug die Wahlurne nach Burkardroth gebracht, sie durfte wegen des Wahlrechts so nicht in Stangenroth ausgezählt werden", sagt Otmar Zehnter, der damals als Rektor in Burkardroth war. Und das, obwohl bereits absehbar war, dass der Kampf um Unabhängigkeit aussichtslos war. Otmar Zehnter erinnert sich daran, dass der 2. Bürgermeister aus Stangenroth - Erich Metz - sogar vor der Wahl mit der Frage auf ihn zugekommen war, wie sich eine Wahl sabotieren lässt.

Glücklich mit der Zwangsehe scheinen nur wenige Kommunalpolitiker gewesen zu sein. "Wollbach war zunächst stark dagegen, aber sie haben sich im letzten Moment anders besonnen." Auch in Zahlbach gab es Kritik. "Das war damals mit der reichste Ortsteil. Das Sägewerk hat dort einen großen Teil zur Gewerbesteuer von Zahlbach beigetragen", ergänzt Zehnter.

1979 stellte der Marktgemeinderat sogar einstimmig den Antrag ans Innenministerium, die Gebietsreform im Markt Burkardroth als Härtefall zu prüfen. Ziel war die Aufhebung der Gebietsreform . Im Juli 1979 machte der damalige bayerische Staatsminister Gerold Tandler persönlich den Rebellen klar, dass es keine Korrektur der Gebietsreform geben werde.

Große Anlaufschwierigkeiten

Für die Kommunalpolitiker hieß es dann "Augen zu und durch". Und das trotz aller Widrigkeiten: 1981 erschütterte ein hollywoodreifer Skandal das Rathaus - der damalige Geschäftsleitende Beamte veruntreute einen sechsstelliger Betrag, in den Gemeinderatssitzungen ging es hoch her: Ränkeschmiede, Frust, Zank und eigene Interessen kollidierten im Sitzungssaal.

Desolat war auch der Blick in die Kasse. Rund 13 Millionen Mark Schulden hatte die Kommune damals . Wie hoch diese genau waren, wusste man im Rathaus nicht. Bürgermeister Rudolf Rost konnte einem Regierungsbeamten aus München nur eine ungefähre Summe nennen. Und: Ein Teil der Orte machte vor der Eingemeindung noch Schulden - aus Angst, dass die eigenen Projekte sonst nicht mehr umgesetzt werden. "Im Gemeinderat herrschte Krieg", sagt Otmar Zehnter.

"Es ist extrem gefährlich gewirtschaftet worden", sagt er. Ein Beispiel dafür ist die Straße von Premich nach Wollbach. "Damals hat es geheißen, dass sie mit Zuschuss erst im nächsten Jahr gebaut wird. Dann hat der Gemeinderat sich dazu entschieden, sie doch noch schnell auszubauen. Das hat natürlich die Schulden hochgetrieben."

Hinzu kam noch eine weitere Hürde. "Es hat überall Personal gefehlt, von einer Verwaltung konnte man damals nicht sprechen", sagt er.

Zeit heilt alle Wunden?

Vom Schuldenberg und einer fehlenden Verwaltung hat sich die Kommune am Fuß der Schwarzen Berge mittlerweile weit entfernt. Seit fast zehn Jahren liegt der Schuldenstand bei Null. Und: So verkracht die Verhältnisse auch damals waren - mittlerweile sind die Gräben verschüttet. "Wir sind ein Markt ", betont Daniel Wehner.

Eines der besten Beispiele dafür ist die Rhönfesthalle in Stangenroth. Hier war Erich Metz, damals 2. Bürgermeister von Stangenroth, federführend beteiligt. Der Ort war damals noch nicht Teil des Marktes, sondern eigenständig. Trotz knapper Kasse schlug er einen fünfstelligen Zuschuss der Gemeinde aus.

Er wollte nicht, dass die Kommune Miteigner des Gebäudes wird - es sollte lediglich den Stangenrother Vereinen gehören. Seine Vision ging auf. Allerdings spielte die Zeit ihr eigenes Spiel.

Was einst als Stangenrother Halle gedacht war, hat sich längst überlebt. Mittlerweile feiern dort wochenends nicht nur die Stangenrother, sondern der gesamte Markt Burkardroth und die Dörfer der Umgebung, wenn Livebands oder DJs dort auftreten. Eine Mentalität a la"Wir und die anderen" lässt sich nicht mehr feststellen.

Eine Entwicklung, die Daniel Wehner selbst bei seinen jugendlichen Kindern feststellt. "Da gibt es die Denkweise ,Wir sind einzeln' nicht mehr. Bei der Generation meiner Eltern ploppt das manchmal noch auf - aber das ist nur noch selten der Fall."

Haushalt hilft auf ungewöhnliche Weise

Einigkeit zeigt sich auch im Marktgemeinderat. "Wir sitzen nicht aufgeteilt nach den verschiedenen Ortsteilen." Und: Die finanzielle Lage trägt ebenfalls ihren Teil dazu bei. "Es gibt schon lange keine angespannte Haushaltssituation mehr. Da tun wir uns erheblich leichter. Und: Dadurch gibt es kein Ortsdenken. Wir haben damit ja die Möglichkeit, überall etwas zu machen." Das zeig3 sich auch am Ortsbild: " Burkardroth und Zahlbach sind mittlerweile zusammengebaut genau wie Katzenbach und Lauter." Dort verbindet ab Sommer sogar ein Baugebiet die beiden Orte. Erste Interessenten gibt es bereits. Selbst die den Markt trennende Bundesstraße sei keine Grenze mehr.

50-Jahre Markgemeinde

Die Feier

anlässlich des Jubiläums soll im Herbst stattfinden. Derzeit hat das Rathaus den 9. bis 11. September dafür ins Auge gefasst. Geplant ist ein Kommersabend am 10. September in der Rhönfesthalle. Am Sonntag soll es dann ein Programm für die Einwohner des Marktes Burkardroth geben. Laut Daniel Wehner laufen derzeit noch die Planungen.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Burkardroth
CSU
Gebietsreformen
Geschichte
Regierungsbeamte
Schuldenberg
Wirtschaftlicher Markt
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top