
Grabsteine, eingesunken in die Wiese, verwitterte Inschriften, kaum noch zu entziffern. "Es ist allerhöchste Zeit", sagt Elfriede Böck, Leiterin der Bereiche Museum, Archiv und Kultur in Hammelburg. Das Projekt, das sie meint, ist für viele Menschen eine Herzensangelegenheit. Die Rede ist von den jüdischen Friedhöfen im Landkreis Bad Kissingen, die in einem Leader-Projekt Geld von der EU bekommen sollen.
Allerdings: Das Projekt Jüdische Friedhöfe steht noch ganz am Anfang. Trotzdem haben schon einige Gemeinden fest zugesagt, sich zu beteiligen: Hammelburg/Pfaffenhausen, Maßbach und Bad Brückenau. Die Kommunen schließen sich damit einem landesweiten Projekt zur Dokumentation jüdischer Friedhöfe an. Mögliche Bestandteile des Vorhabens sind unter anderem Vermessung, Fotodokumentation, Familienrecherche und Restaurierung der Grabsteine.
Ältere Dokumentationen gibt es laut Elfriede Böck schon, nur seien diese oftmals von geringer Qualität.
Inschriften nicht übersetzt
Ein weiteres Manko: Die damals tätigen Historiker übersetzten die hebräischen Inschriften nicht; mittlerweile sind diese verwittert und teils unleserlich. Die Projektverantwortlichen wollen die Dokumentation - wo dies möglich - nachholen. Schließlich bergen die Grabsteine historische Daten , die nicht nur der jüdischen, sondern auch der lokalen Geschichtspflege zugutekommen.
"Wir haben gemerkt, dass die Bevölkerung großes Interesse am jüdischen Leben und jüdischer Geschichte der Region hat. So sind Führungen, beispielsweise auf dem jüdischen Friedhof in Pfaffenhausen, oftmals ausgebucht." Böck fasst zusammen: "Wenn man jetzt nichts unternimmt, wäre das ein unwiederbringlicher Verlust."
Von hohem kulturellem Wert
Ähnlich sieht es auch Hans-Jürgen Beck aus Bad Kissingen, der sich seit Jahrzehnten mit der jüdischen Geschichte und jüdischem Leben in seiner Heimatstadt beschäftigt. "Die Grabsteine verraten viel über das Ansehen der jüdischen Mitglieder der Gemeinde", so Beck. "Sie sind eine erste historische Quelle und von hohem kulturellem Wert. Bei der Erhaltung ist wirklich Eile geboten."
Ob Bad Kissingen an dem Projekt teilnimmt, ist jedoch noch unklar. Peter Weidisch, Kulturreferent der Stadt , betont zwar die hohe Bedeutung dieses Projekts und den Willen, dabei mitzumachen, aber: "Es müssen noch Finanzierungsfragen geklärt werden."
In Steinach gibt es, wie auch in Bad Kissingen, einen jüdischen Friedhof . Die Gemeinde nimmt aber nicht am Projekt teil. Bürgermeister Andreas Sandwall sagt: "Der Friedhof ist in einem sehr guten Zustand, die Gemeinde kümmert sich um das Gelände." Jedes Jahr begutachte ein Experte das Areal aufs Neue. Er konstatiert: "Es liegt nicht am Projekt selbst, wir machen schon viel, beispielsweise haben wir uns beim Gedenkort Deportation in Würzburg beteiligt." Weiterhin sei die Besichtigung möglich.
Der Markt Geroda beteiligt sich ebenfalls nicht am Vorhaben. Die Gründe hierfür liegen teils in der Vergangenheit: "Uns wurden früher schon Steine in den Weg gelegt", meint Bürgermeister Alexander Schneider . Damit meint er den Ärger um die Alte Schule (wir berichteten). Die Kommune wollte das Gebäude entkernen, um es für gemeindliche und Vereinszwecke zu nutzen. Das zugeschüttete Ritualbad, die Mikwe, sollte freigelegt und öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein kostspieliges Vorhaben. Dieses scheiterte jedoch am Denkmalschutz, der keine Veränderungen im Innern zuließ. Die Verärgerung darüber war in Geroda so groß, dass Schneider damals verlauten ließ, dass auch keine anderen Gedenkprojekte unterstützt werden würden.
Bei der Übersetzung helfen
Auch wenn es keine jüdischen Gemeinden mehr im Landkreis Bad Kissingen gibt, findet sich trotzdem noch jüdischen Leben, zum Beispiel das Kurhaus Beni Bloch in Bad Kissingen. Itzchak Nadel ist dort als Maschgiach tätig und kontrolliert in dieser Funktion, dass die Regeln der jüdischen Speisegesetze eingehalten werden. Raaya Nadel, seine Ehefrau, hat eine klare Meinung zum Projekt: "Phänomenal." Sie fügt an, dass sie, solange sie hier wohnen, "gerne, gerne mitmachen würden" und beispielsweise bei der Übersetzung helfen könnten.
Programm
Leader
Fördersumme Laut dem Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, das die Gesamtfördermittel verwaltet, stehen rund 160 Millionen Euro an EU- und Landesmitteln für die Projekte zur Verfügung.
Die Leader-Mittel für das Projekt Jüdische Friedhöfe richten sich nach dem Kosten- und Finanzierungsplan, der dafür zurzeit erarbeitet wird. Grundsätzlich möglich ist bei diesem Projekt eine Förderquote von 60 Prozent der Nettokosten, bei denen die Fördermöglichkeit besteht.