"Der Junge ist schuldig, so sicher wie Sie eine Nase im Gesicht haben", stellt eine Geschworene fest, die es eilig hat, zu einem wichtigen Baseball-Spiel zu kommen. "Schuldig, schuldig, schuldig. Sie treiben uns zum Wahnsinn", brüllt der Geschworene , der fast bis zuletzt einen 19-Jährigen auf den elektrischen Stuhl schicken will. Die Aula des Gymnasiums wurde - und wird am Freitag, 11. Oktober, noch einmal - zum Theatersaal.
Oberstufenschüler eines Projektseminars haben sich das Theaterstück "Die zwölf Geschworenen" von Reginald Rose aus dem Jahr 1954, das auch verfilmt wurde, vorgenommen. Sie verstehen es, dieses Gerichtsdrama, das auf einem authentischen Fall in den USA basiert, packend und mitreißend auf die Bühne zu bringen als ein Plädoyer gegen menschliche Voreingenommenheit und Vorverurteilung ohne genaue Prüfung des Sachverhalts. Sechs Tage lang hatte die Gerichtsverhandlung gegen einen 19-jährigen gedauert, was manchen Geschworenen sowieso zu lang war, "zwei Tage hätten auch gereicht". Die Aussagen von zwei Zeugen sprachen eindeutig gegen den jungen Mann. Eine Frau wollte durch die Fenster eines abgedunkelten Hochbahn-Abteils hindurch beobachtet haben, wie der Sohn seinen Vater mit einem Messer erstach. Ein älterer Mann, der im selben Haus wie der Ermordete wohnte, wollte die Todesschreie des Mordopfers gehört und den vermeintlichen Mörder sogar auf der Treppe des Hauses gesehen haben. "Versuchen Sie nach bestem Wissen und Gewissen eine Entscheidung zu fällen. Wenn Sie keine Einigkeit erzielen, werden neue Geschworene berufen. Sie stehen vor einer schweren Entscheidung", gibt die Obfrau ihren elf Mitgeschworenen mit. "Zwei Zeugen haben alles gesehen. Der Junge hat seinen Vater kaltblütig ermordet", betont ein Geschworener. Eine ältere Geschworene erinnert mit ihrem Strickzeug und ihrem Auftreten stark an Miss Marple in Agatha Christies "Vier Frauen und ein Mord ". Doch zuerst stimmt auch sie für schuldig. Bis auf einen stimmen in einer ersten Abstimmung alle für schuldig. Dieser hat Zweifel an der Schuld und will seine Mitgeschworenen überzeugen. Keine einfache Sache, doch er versteht es, nach und nach die Zeugenaussagen zu zerpflücken. Der alte, gehbehinderte Mann konnte in 15 Sekunden gar nicht aufstehen, durch den langen Gang seiner Wohnung gehen, die Türe aufmachen und dann den Jungen nach unten rennen sehen, behauptet der Zweifler und demonstriert das auch. "Ich kann den alten Herren besser verstehen als Sie alle. Er hätte es nicht überlebt, seinen Namen nicht in der Zeitung zu lesen. Das war seine Chance. Er hat ihn wiedererkannt, weil er ihn wiedererkennen wollte", argumentierte er. "Bleiben Sie mir mit ihrer Psychologie vom Leib", bekam er zu hören. Auch die Aussage der Frau, die den Mord durch das Zugfenster gesehen haben wollte, wurde zerpflückt. Sie lag, natürlich ohne Brille, schon im Bett. Dass sie die Brille vorher noch schnell aufsetzte, war kaum wahrscheinlich. Ganz nebenbei gab es keine Fingerabdrücke auf dem Messer, mit dem der Mord begangen wurde. Der Ladeninhaber, bei dem der Mordverdächtige ein Klappmesser gekauft hatte, war "natürlich ein Ausländer ". Der Zweifler beweist den anderen Geschworenen, dass so ein Messer einfach zu kaufen ist, denn er hat auch eines dabei. Nach und nach ändern alle Geschworenen ihre Meinung und stimmen für "unschuldig". Nur einer kämpft noch verzweifelt und appelliert an sie "er ist schuldig, bitte lassen Sie mich nicht im Stich!". Dann bricht er zusammen und gibt zu, dass sein Sohn ihn einmal erstechen wollte und auch er stimmt für "unschuldig".
Den Schülern ist es gelungen, die Zuschauer in eine Beratung von zwölf Geschworenen hinter verschlossenen Türen mitzunehmen und dabei deren unterschiedliche Charaktere äußerst glaubhaft darzustellen. Dort treffen Frauen und Männer, die sich vorher nicht kannten, aufeinander und sollen eine Entscheidung über Leben und Tod anderer fällen. Die Schülerinnen und Schüler spielen ihre nicht ganz einfachen Rollen ebenso einfühlsam wie glaubhaft.
Am Freitag, 11. Oktober, um 19 Uhr findet noch einmal eine Aufführung statt. Der Eintritt ist frei, für Verpflegung ist gesorgt.
Die Schauspieler: Obfrau Isabell Schmitt,
Geschworene zwei bis zwölf Sabrina Ossig, Rohan Patel, Leonhard Benkert, Janina Schmidt, Kaya Geßner, Fiorella Dünisch, Manuel Kleinhenz, Ramona Kleinhenz, Luisa Trautmann, Tristan Brink und Yannis Wüst.
Textbearbeitung des Stücks: Manuel Kleinhenz, Fiorella Dünisch, Sabrina Ossig und Luisa Trautmann.
Projektseminarleiter Oberstudienrat Ralf Hartmann,
Technik Niklas Winter und Johann Tögel.