Auch ein Schritt von 1000 Meilen beginnt mit einem ersten Schritt, sagt ein fernöstliches Sprichwort. So ein erster Schritt geschah in Bad Kissingen vor 20 Jahren, als zum ersten Mal fair gehandelter Honig und Kaffee aus einer ehrenamtlichen Initiative heraus verkauft wurden. Heute ist der Weltladen, der als Bauchladen begann, aus der Kurstadt nicht mehr wegzudenken und hatte maßgeblichen Anteil daran, dass Bad Kissingen vor einem Jahr die Auszeichnung Fairhandelsstadt erhielt.
Grund genug, diesen Erfolg zu feiern. Den Auftakt bildete ein ökumenischer Gottesdienst in der Erlöserkirche, der im Zeichen des Geistes eines fairen Umgangs im menschlichen Miteinander stand. Pfarrer Marcus Döbert erinnerte daran, dass die Idee des fairen Handels in der Bibel begründet sei und unter dem Motto von Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung konkret ab den 70er Jahren in kirchliche Gemeinden getragen wurde. "Denn Gott ist gerecht und vor ihm sind wir alle gleich, und das Himmelreich ist alles andere als eine Kapitalgesellschaft", sagte Döbert.
Mit einem kurzweiligen Festprogramm lud das Team des Weltladens anschließend ins Pfarrzentrum der Herz-Jesu-Kirche. Charlotte Fries, Vorsitzende des Eine-Welt-Vereins, begrüßte neben vielen ehrenamtlich Tätigen auch einige Stadträte. Besonders Thomas Leiner, stellvertretender Bürgermeister, zeigte sich vor rund 50 Gästen begeistert: "Man muss sich nur einmal die Öffnungszeiten des Ladens in der Prinzregentenstraße anschauen: Montag bis Freitag von zehn bis 18 Uhr und Samstag von zehn bis 13 Uhr, und das alles ausschließlich ehrenamtlich, das ist unglaublich."
Die Sprecherin der Steuerungsgruppe Fairtrade Town Bad Kissingen , Susanne Wahler-Göbel, sagte in ihrem Grußwort: "Es ist ganz klar, dass wir ohne das grandiose Team des Weltladens nicht die Auszeichnung Fairtrade-Stadt bekommen hätten."
Im Rahmen einer Ausstellung und einer Dokumentation wurden die Stationen des fairen Handels in Bad Kissingen "vom Bauchladen zum Weltladen" den Abend begleitend präsentiert. Für besondere Klangerlebnisse sorgte der Flötist Jairo Chavez Ipiales aus Ecuador mit stimmungsvollen südamerikanischen Rhythmen. Und kulinarisch anregend ging es weiter mit einem peruanischen Eintopf und Nachtischspezialitäten aus Produkten des fairen Handels.
Im Zentrum des Abends stand der Festvortrag von Arno Wielgoss zum Thema: "Bittere Schokolade - Fairness und Ökologie in der Kakao-Wertschöpfungskette". Der gebürtige Nüdlinger vom Verein Frederic - Hilfe für Peru sensibilisierte die Zuhörer einmal mehr mit bitteren Fakten über die Zusammenhänge von ökologischen Bedingungen in den Erzeugerländern und den vielfältigen Auswirkungen der globalen Marktgesetze am Beispiel Kakao. Gleichzeitig versprühte der Gründer von Perú Puro ungebremsten Optimismus. Mit seiner Firma produziert der Tropenbiologe, der sich auf ökologische Landwirtschaft spezialisiert hat, Bio-Edelkakao und Gourmet-Schokolade aus der Wiege der Kakaobohne, im Regenwald des Urubambatals in Peru. In den bundesweiten Weltläden sind diese Produkte längst kein Geheimtipp mehr. "Inzwischen können wir den Bauern unserer Kooperative Preise zahlen, die noch über dem Fairtrade-Niveau liegen", sagte Wielgoss stolz. Und in Nüdlingen, wo alles begann, schließt sich der Kreis wieder: "Die Verpackung für unsere Produkte wird in der Lebenshilfe-Werkstatt hergestellt."
Verantwortung übernehmen
Allen Grund zu haben, stolz auf das Fairtrade-Engagement zu sein, und gleichzeitig keinen Grund zu haben, in eben diesem Einsatz nachzulassen, diese Gedanken nahmen die Gäste mit nach Hause. Jeder habe die moralische Pflicht, im Sinne des nachhaltigen und fairen Handels Verantwortung in seinem Konsumverhalten zu übernehmen, mahnte Wielgoss.
Gerade im Blick auf die bevorstehende Advents- und Weihnachtszeit sagte er: "Wer 100 Gramm Schokolade für 79 Cent kauft, muss sich klar darüber sein, dass von diesem Geld bei den Kakaobauern in den Erzeugerländern praktisch nichts mehr ankommt." Susanne Wahler-Göbel