Franz Heil ist ein Weltbürger: Er wurde 1948 in Hammelburg geboren, legte 1969 das Abitur im humanistischen Zweig des Hammelburger Gymnasiums ab, studierte danach in München Elektrotechnik und wohnt seit 1981 in der Schweiz. Für Asea Brown Boveri arbeitete und lebte Heil unter anderem in Indien, China und Vietnam. Trotzdem hat ihn seine Heimat und deren Geschichte nie los gelassen: Zur 1300-Jahr-Feier steuerte er einen Beitrag zum bayerisch-preußischen Krieg 1866 bei. In den vergangenen Jahren hat er sich intensiv mit den Auswirkungen des deutsch-französischen Krieges 1870/71 auf Hammelburg beschäftigt.
"Ich bin in der Fuldaer Straße aufgewachsen, und auf dem Weg zu unserem Weinberg stand ein Denkmal an den Krieg 1866", erzählt Franz Heil. "Damit hat's angefangen", begründet er sein Interesse an Geschichte. Franz Heils Vater war Schneidermeister bei der Standortverwaltung und saß im Stadtrat. "Ich habe noch einen Bruder und eine Schwester in Hammelburg , und auch meine Frau hat Verwandtschaft dort", erzählt der 72-Jährige. Ein bis zwei Mal im Jahr fahre er nach Hammelburg , 2017 hielt er einen Vortrag bei den Freunden des Frobenius-Gymnasiums. Franz Heil ist verheiratet, hat zwei erwachsene Kinder und vier Enkel und lebt in Baden-Rütihof in der Schweiz.
Kein Ort der Erinnerung in Hammelburg
"Bei den Recherchen zum 1866er Krieg bin ich immer wieder auf Unterlagen zum deutsch-französischen Krieg gestoßen", sagt Franz Heil, und: "Beide hängen ja auch eng zusammen." Unter anderem habe sich das Königreich Bayern lange aus dem Krieg gegen Frankreich raushalten wollen. Als Nachwirkung des Krieges von Österreich und Bayern gegen Preußen habe es sogar Überlegungen gegeben, sich den Franzosen anzuschließen. Am Ende schlug sich das katholische Bayern aber dann doch auf die Seite der protestantischen Preußen.
Der Sieg von 1871 habe lange nachgewirkt, verweist Heil zum Beispiel auf die Einführung einer einheitlichen Währung in Deutschland und die Begründung der föderalen Strukturen. Nach 150 Jahren und zwei verlorenen Weltkriegen sei die Erinnerung an den Krieg 1870/71 weitgehend verblasst. In zahlreichen Orten würden höchstens noch Denkmale an die Verstorbenen erinnern.
In Hammelburg gebe es selbst das nicht mehr: "Das ist eine kuriose Geschichte", kommentiert der 85-jährige Heimatforscher Josef Kirchner das Verschwinden des Obelisken. Bis in die 1950er Jahre habe das Denkmal im Garten der alten evangelischen Kirche gestanden. Als das Bethaus angebaut wurde, sei es verschwunden. "Es gab verschiedene Vorschläge, wo es hin soll, zum Beispiel in den Friedhof. Aber am Ende ist es nie wieder aufgetaucht", erinnert sich Zeitzeuge Josef Kirchner.
Franz Heil hat nun in jahrelanger Arbeit Daten und Namen zum Krieg 1870/71 zusammengetragen: Herausgekommen ist der Aufsatz "Das Königliche Bezirksamt Hammelburg und der Deutsch-Französische Krieg 1870/71". Auf 59 Seiten nennt er unter anderem die Namen von rund 400 Kriegsteilnehmern aus dem Altlandkreis. Insgesamt schätzt Heil die Zahl der Soldaten aus der Region sogar auf 700, allerdings seien viele Unterlagen verloren gegangen. Mit Hilfe der Angaben aus Gemeinden oder den Inschriften von Denkmälern zu Ehren der Gefallenen rekonstruierte Heil genau 397 Namen.
Feier der Stadt am 30. Juli 1871
Eine wichtige Quelle war dabei die Einladungsliste für eine große Feier, die vor fast genau 150 Jahren in Hammelburg stattfand: 80 Männer lud die Stadt für den 30. Juli 1871 zu einem Gottesdienst und einem Essen ins Rathaus ein. "Zur Feier der glücklichen Rückkehr aus dem ruhmvollen Feldzuge nach Frankreich werden nach benannte Beteiligte hiermit freundlichst eingeladen", schrieb Bürgermeister Johann Andreas Pfaff im Namen des Stadtmagistrats. Selbst König Ludwig II. schickte Grüße nach Hammelburg . Er sei "angenehm berührt", hieß es in einem Telegramm.
Auch in anderen Gemeinden des Bezirksamtes Hammelburg gab es nach Heils Angaben Feierlichkeiten, die zum Teil unliebsame Folgen hatten. Das "Hammelburger Journal", Vorgänger der Saale-Zeitung, berichtete unter anderem aus Hundsfeld, Westheim, Diebach und Schwärzelbach . In Sulzthal und Fuchsstadt sei es zum Beispiel beim Abfeuern von Freudenschüssen zu Unfällen gekommen.
Die Feierlichkeiten waren für die meisten Soldaten und ihre Angehörigen das glückliche Ende einer fast einjährigen Prüfung, die am 15. Juli 1870 mit der Kriegserklärung Frankreichs an Preußen begonnen hatte. Die zwei bayerischen Armeekorps wurden schon am 16. Juli mobilisiert. Jedes Korps bestand aus 30 000 Soldaten . Franz Heil schätzt, dass 90 Prozent der Soldaten aus dem Raum Hammelburg im II. Armeekorps dienten, die meisten von ihnen als einfache Soldaten in der Infanterie. Nur eine Handvoll seien Offiziere von niedrigem Dienstgrad gewesen.
Lange Fußmärsche und viele Tote
Aus Sorge vor einem schnellen Vorstoß Frankreichs auf die bayerische Pfalz wurde bereits am 23. Juli eine Division von Würzburg an die französische Grenze verlegt. Am 4. August 1870 um 8.30 Uhr eröffnete das 10. bayerische Jägerbataillon den Kampf und überraschte die Franzosen in Weißenburg. Joseph Täuber aus Thulba wurde dabei verwundet und starb später an seinen Verletzungen. Bei dieser Schlacht und der größeren zwei Tage später bei Wörth wurden laut der Recherchen Heils 18 Männer aus dem Altlandkreis Hammelburg verwundet, zwei von ihnen starben.
Der Krieg habe vor allem aus langen Fußmärschen bestanden. Das II. Armeekorps marschierte insgesamt 1360 Kilometer, das I. Korps sogar 2080 Kilometer. Bei Sedan sei das II. Korps in Reserve geblieben, deshalb seien dort aus dem Raum Hammelburg nur drei Soldaten verwundet worden. Beim Kampf um Paris gab es sieben Verwundete aus dem Bereich des Bezirksamtes Hammelburg , vier davon starben, darunter der einzige aus der Region, der in den offiziellen bayerischen Verlustmeldungen als "im Kampf gefallen" bezeichnet wurde: Johann Vierheilig aus Wasserlosen.
Nach weiteren Schlachten erhielt die bayerische Armee erst am 2. Juni 1871 den Befehl zum Rückzug. "Zu Fuß ging es 570 Kilometer bis nach Deutschland und dann per Bahn in die Heimat", schildert Franz Heil den Heimweg. Insgesamt seien 65 Männer aus dem Bezirksamt Hammelburg ums Leben gekommen. 33 wurden verwundet oder litten an Krankheiten, vor allem Typhus. Wegen einer strengen Zensur berichtete das Hammelburger Journal als Amtsblatt nur selten über Verluste. Für arme Familien gab es Hilfsaktionen und Spenden. Die Lehrer in Euerdorf und Hammelburg veranstalteten zum Beispiel Konzerte.
Druck in kleiner Auflage geplant
"Dieser Krieg ist in Deutschland fast vergessen. Das Gedächtnis wurde von den beiden Weltkriegen verdrängt", berichtet Heil. Dabei sei es der erste Krieg im Namen ganz Deutschlands und der erste und einzige gewonnene Krieg gewesen. Deshalb seien die Soldaten bei der Rückkehr auch gefeiert worden.
Als "Versuch einer Standortbestimmung nach 150 Jahren" bezeichnet Franz Heil selbst seine 59-seitige Schrift, die er in kleiner Auflage drucken lassen will. Den Gemeinden in der Region, die sich auf seine Anfrage hin gemeldet hätten, will er ein Exemplar zukommen lassen.