Bad Kissingen
Erholung für den Saal
Das WDR-Sinfonieorchester Köln und Lawrence Foster begleiteten die Geigerin Arabella Steinbacher und den Tenor Sung Min Song.
Am Abend nach dem Rosenball muss sich der Regentenbau erst einmal erholen. Deshalb ist es zur Tradition geworden, bei der "Rosengala" ein leichteres, kleinteiligeres, durchaus unterhaltsames Programm zu servieren. Dieses Jahr war es wieder einmal das WDR Sinfonieorchester Köln, das im Groeßen Saal gastierte - allerdings nicht mit seinem Chefdirigenten Jukka-Pekka Saraste, sondern mit Lawrence Foster, einem alten Fahrensmann des Kissinger Sommers.
Und der ist ja bekannt dafür, dass er gerne die ausgetretenen Pfade des Repertoires verlässt.
Auch wenn der Einstieg, die Ouvertüre zu Gioacchino Rossinis "Guglielmo Tell" noch nicht so eine Rarität war. Aber die Umsetzung war außergewöhnlich gut: Foster und seine Leute loteten das ganze emotionale Spektrum aus: von der Stimme des einsamen Helden in seiner Idylle (wunderbar unverstellt und unaufgeregt gespielt vom Solocellisten Oren Shevlin) bis zum schmetternden triumphalen Freiheitsmarsch, an dem der olle Radetzky seine Freude gehabt hätte.
Angesichts der übrigen Dekorationen des Rosenballs vom Vorabend bot es sich an, auch Musik aus dem Strauss'schen "Rosenkavalier" zu spielen. Zunächst gab's also Gesang. Sung Min Song, der überraschende Luitpold-Preisträger vom vergangenen Jahr, trat mit "Di rigori armato il seno", der Arie des nicht näher benannten italienischen Sängers, vor das Publikum - also erst einmal ein Kurzauftritt. Sung Min Song hat im zurückliegenden Jahr deutlich an stimmlicher Substanz gewonnen, kann Druck machen, dass man ihm den Zug zum Heldentenor durchaus schon glaubt. Aber abgesehen davon, dass er, vielleicht der Nervosität geschuldet, ein paar Intonationsprobleme hatte, schaffte er es nicht, die Figur des Sängers deutlich werden zu lassen. Denn dieser Protégé schildert, wie sich ein verliebter Mensch vergebens gegen seine Leidenschaft wehrt. Dazu ist er einfach noch zu förmlich, zu zurückhaltend in der Darstellung von Leidenschaft über die Lautstärke hinaus. Zudem ging bei ihm unter, dass der Auftritt des Sängers durchaus auch parodistische Züge hat.
Der zweite Beitrag der Abteilung Strauss war die Walzerfolge aus dem 3. Akt des "Rosenkavaliers, eine hochgradige kulinarische Angelegenheit. Dieses Mal rollten die Holzbläser die Musik auf die Bühne und zogen die anderen Instrumente in den Strudel hinein. Der behielt eine ganz erstaunliche Durchhörbarkeit, weil das Orchester zu einer guten Mischung aus tänzerischem Loslassen und artikulierender Kontrolle fand und weil Foster an den schwierigen Übergängen seine Musiker nicht allein ließ. Die Walzerfolge ist allerdings auch raffiniert konstruiert, weil es spannende Modulationen sind, die die Musik immer weitertreiben. Wenn man die wie Foster ausstellt, gerät sie wie von selbst in einen Taumel.
Es war eine gute Idee von Lawrence Foster, bei Mozarts Violinkonzert A-dur KV 219 die Geigerin Arabella Steinbacher mit dem - deutlich verkleinerten - Orchester alleine zu lassen.
Dieses Aufeinander-Verwiesen-Sein ohne Vermittlung des Dirigenten förderte das Zusammenspiel, das Reagieren, das gemeinsam Atmen ungemein, und die Kölner ließen sich auch gerne darauf ein. Sie spielten der Solistin entgegen und gingen auf ihre Interpretationsansätze ein. Die waren allerdings auch sehr deutlich: möglichst unverstellt, mit glasklarem Ton den emotionalen Gehalt der Musik darzustellen.
Arabella gelang das mit blitzsauberem Ton und engagiertem Strich, mit einer absolut mühelosen, selbstverständlichen Virtuosität und einem guten Gespür für das Tempo giusto, das richtige Tempo, und für die sanglichen Möglichkeiten lieferte Arabella Steinbacher ein Konzert voll musikalischen Charmes und Leichtigkeit, ohne die Inhalte zu banalisieren.
Als Zugabe spielte sie ebenso klar Fritz Kreislers Recitativo und Scherzo-Caprice.
Bei den beiden anderen Arien, Gounods "Salut, demeure chaste et pure" des Faust und Puccinis "Che gelida manina" des Rodolfo war Sung Min Song schon näher bei sich. Da sang er lange, gestaltete Bögen, da spiegelte er die Emotionalität nicht nur über den Tondruck, auch wenn er nicht bis in die letzten Tiefen kam, die die Musik ihm eröffnete. Aber da wurde es deutlich, dass es sich lohnen dürfte, den weiteren Weg des jungen Mannes zu verfolgen. Er kommt ja dieses Jahr auch noch zweinmal.
Ein echtes Überraschungspaket von Lawrence Foster war Ottorino Respighis "La Boutique fantasque", eine Ballettmusik aus einem nächtlichen Laden, in dem die Marionetten plötzlich lebendig werden. Das ist natürlich bestes Futter für ein leistungsstarkes Orchester, und Foster ließ seine Leute an der langen Leine. Die nutzten das für eine pralle Musik voller Farben, vor allem gespenstischer, für mitreißende Tanzrhythmen, für einen mitreißenden Albtraum.
Die Zugabe war wohl ein Wunsch des WDR: Jean Sibelius' "Valse triste" - großartig gespielt, aber ein unvermittelter Runterzieher.
Auch wenn der Einstieg, die Ouvertüre zu Gioacchino Rossinis "Guglielmo Tell" noch nicht so eine Rarität war. Aber die Umsetzung war außergewöhnlich gut: Foster und seine Leute loteten das ganze emotionale Spektrum aus: von der Stimme des einsamen Helden in seiner Idylle (wunderbar unverstellt und unaufgeregt gespielt vom Solocellisten Oren Shevlin) bis zum schmetternden triumphalen Freiheitsmarsch, an dem der olle Radetzky seine Freude gehabt hätte.
Angesichts der übrigen Dekorationen des Rosenballs vom Vorabend bot es sich an, auch Musik aus dem Strauss'schen "Rosenkavalier" zu spielen. Zunächst gab's also Gesang. Sung Min Song, der überraschende Luitpold-Preisträger vom vergangenen Jahr, trat mit "Di rigori armato il seno", der Arie des nicht näher benannten italienischen Sängers, vor das Publikum - also erst einmal ein Kurzauftritt. Sung Min Song hat im zurückliegenden Jahr deutlich an stimmlicher Substanz gewonnen, kann Druck machen, dass man ihm den Zug zum Heldentenor durchaus schon glaubt. Aber abgesehen davon, dass er, vielleicht der Nervosität geschuldet, ein paar Intonationsprobleme hatte, schaffte er es nicht, die Figur des Sängers deutlich werden zu lassen. Denn dieser Protégé schildert, wie sich ein verliebter Mensch vergebens gegen seine Leidenschaft wehrt. Dazu ist er einfach noch zu förmlich, zu zurückhaltend in der Darstellung von Leidenschaft über die Lautstärke hinaus. Zudem ging bei ihm unter, dass der Auftritt des Sängers durchaus auch parodistische Züge hat.
Der zweite Beitrag der Abteilung Strauss war die Walzerfolge aus dem 3. Akt des "Rosenkavaliers, eine hochgradige kulinarische Angelegenheit. Dieses Mal rollten die Holzbläser die Musik auf die Bühne und zogen die anderen Instrumente in den Strudel hinein. Der behielt eine ganz erstaunliche Durchhörbarkeit, weil das Orchester zu einer guten Mischung aus tänzerischem Loslassen und artikulierender Kontrolle fand und weil Foster an den schwierigen Übergängen seine Musiker nicht allein ließ. Die Walzerfolge ist allerdings auch raffiniert konstruiert, weil es spannende Modulationen sind, die die Musik immer weitertreiben. Wenn man die wie Foster ausstellt, gerät sie wie von selbst in einen Taumel.
In der Garderobe geblieben
Es war eine gute Idee von Lawrence Foster, bei Mozarts Violinkonzert A-dur KV 219 die Geigerin Arabella Steinbacher mit dem - deutlich verkleinerten - Orchester alleine zu lassen.
Dieses Aufeinander-Verwiesen-Sein ohne Vermittlung des Dirigenten förderte das Zusammenspiel, das Reagieren, das gemeinsam Atmen ungemein, und die Kölner ließen sich auch gerne darauf ein. Sie spielten der Solistin entgegen und gingen auf ihre Interpretationsansätze ein. Die waren allerdings auch sehr deutlich: möglichst unverstellt, mit glasklarem Ton den emotionalen Gehalt der Musik darzustellen.
Arabella gelang das mit blitzsauberem Ton und engagiertem Strich, mit einer absolut mühelosen, selbstverständlichen Virtuosität und einem guten Gespür für das Tempo giusto, das richtige Tempo, und für die sanglichen Möglichkeiten lieferte Arabella Steinbacher ein Konzert voll musikalischen Charmes und Leichtigkeit, ohne die Inhalte zu banalisieren.
Als Zugabe spielte sie ebenso klar Fritz Kreislers Recitativo und Scherzo-Caprice.Bei den beiden anderen Arien, Gounods "Salut, demeure chaste et pure" des Faust und Puccinis "Che gelida manina" des Rodolfo war Sung Min Song schon näher bei sich. Da sang er lange, gestaltete Bögen, da spiegelte er die Emotionalität nicht nur über den Tondruck, auch wenn er nicht bis in die letzten Tiefen kam, die die Musik ihm eröffnete. Aber da wurde es deutlich, dass es sich lohnen dürfte, den weiteren Weg des jungen Mannes zu verfolgen. Er kommt ja dieses Jahr auch noch zweinmal.
Ein echtes Überraschungspaket von Lawrence Foster war Ottorino Respighis "La Boutique fantasque", eine Ballettmusik aus einem nächtlichen Laden, in dem die Marionetten plötzlich lebendig werden. Das ist natürlich bestes Futter für ein leistungsstarkes Orchester, und Foster ließ seine Leute an der langen Leine. Die nutzten das für eine pralle Musik voller Farben, vor allem gespenstischer, für mitreißende Tanzrhythmen, für einen mitreißenden Albtraum.
Die Zugabe war wohl ein Wunsch des WDR: Jean Sibelius' "Valse triste" - großartig gespielt, aber ein unvermittelter Runterzieher.
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