Das Dörfchen Brüchs bei Fladungen (Landkreis Rhön-Grabfeld) gehört zu den entlegensten Orten der Rhön. Eine Besonderheit besitzt der 50-Einwohner-Ort aber: Eine seismologische Station misst dort Erdbeben. Und die sind in der Region gar nicht so selten.
Laut Dr. Joachim Wassermann vom Geophysikalischen Observatorium der Julius-Maximilians-Universität München schließt die Station namens „Hohe Rhön HROE“ „eine Beobachtungslücke in Nordbayern sowie im Hessisch-Thüringer Grenzgebiet“. Erdbeben würden sich nur präzise lokalisieren lassen, wenn sie in einem Überwachungsnetz lägen.
Messstation registriert weltweite Erschütterungen bis Magnitude 5
Die Erdstöße in der Türkei und Syrien registrierte HROE registrierte dank sensibler Messtechnik. „Die eingesetzten Seismometer sind so empfindlich, dass wir hier weltweit Erdbeben ab einer Magnitude von 5 beobachten können.“
Die Magnitude ist ein Maß für die Stärke von Erdbeben. Die Erschütterungen vor Ort in der Türkei und in Syrien erreichten vor Ort eine Stärke bis zu 7.8. Bei HROE kamen sie als Bruchteile-von- Millimetern-Erschütterungen an.
Rhön ist seismisch aktiv
Stellt sich die Frage, ob Erdbeben auch die Rhön und das Saaletal heimsuchen können. Und wenn ja, mit welcher Zerstörungskraft. Laut dem Experten vom in Fürstenfeldbruck ansässigen Observatorium ereignen sich in unregelmäßigen Abständen Erdbeben in einem Dreieck Neustadt an der Saale, Schweinfurt und Coburg. „Auch die Rhön selbst ist seismisch schwach aktiv.“ Deswegen sei ja im Jahr 2001 HROE installiert worden.
Joachim Wassermann kann aber beruhigen: „Die kräftigsten Erdbeben, die wir im Katalog führen, waren mit Magnituden von 2.5 bis 3 durchaus für die lokale Bevölkerung spürbar. Allerdings immer noch viel zu schwach, um Schäden etwa an Gebäuden zu verursachen.“
Letzter dokumentierter Erdstoß im Oktober 2022
Und so dokumentierte der Erdbebendienst Bayern den bisher letzten Erdstoß in der Region am 18. Oktober 2022, um 20.33 Uhr nördlich von Bad Neustadt, bei Lebenhan, in vier Kilometer Tiefe. Mit einer Magnitude von 1,1 bemerkte ihn an der Oberfläche niemand.
Genauso war es mit einer Serie von Beben, die sich zwischen August und September 2017 unterhalb der Zeitlofser Gemarkung ereignete. Die überwiegende Zahl dieses „Erdbebenschwarms“ war laut Wassermann mit Magnituden unter 1.5 und Tiefen um die 15 Kilometer eher klein.
Erdbebenschwarm bei Zeitlofs 2017
Einzig zwei Ereignisse am 23. und am 31. August 2017 seien mit Magnituden von bis zu 2.3 in wieder großer Tiefe etwas kräftiger ausgefallen. HROE registrierte sie aufgrund der großen Entfernung zu Brüchs dennoch nicht – dafür Messstationen bei den osthessischen Orten Gelnhausen und Neuhof/Flieden.
Die letzten für Menschen spürbaren Erdbeben ereigneten sich am 10. November 1997 nördlich von Bad Neustadt (Magnitude 3.1) und am 11. Dezember 1998 bei Sulzdorf/Lederhecke (2,5).
Verlässliche Vorhersage von Beben nicht möglich
Verlässlich vorhersagen lassen sich Erdbeben – auch hierzulande – nicht. Verantwortlich dafür ist laut Wassermann die Unkenntnis über den Spannungszustand in der Herdregion, also in Tiefen von drei bis 15 Kilometern. Dieser Zustand werde von den Verschiebevorgängen der Platten in der äußeren Erdhülle, aber auch von lokalen Quellen wie Vulkanismus bestimmt.
„Um Erdbebenvorhersage wie eine Wetterprognose machen zu können, müssten wir sowohl die Untergrundstruktur detailliert kennen als auch die Spannungseigenschaften und die Reibungskoeffizienten der Herdfläche kennen.“ Das sei technisch nicht machbar und finanziell untragbar.
Erdbebengefährdung der vulkanisch entstandenen Rhön
Die Rhön hat vulkanische Wurzeln. Das zeigen unter anderem die übriggebliebenen Kegel der Brückenauer Kuppenrhön, mit Dreistelz, Kleinem und Großem Auersberg. Wo Vulkanismus ist, sind auch Erdbeben nicht weit. Joachim Wassermann sieht dennoch dort kein verstärktes Beben-Risiko.
„Der Vulkanismus in Folge der Alpenbildung endete circa vor fünf Millionen Jahren und darf als erloschen angesehen werden.“
Nicht erloschen seien Spannungsaufbau und Umlagerungen in diesem tektonisch beanspruchten Gebiet – was noch heute zu Erdbeben führen könne. Um noch genauere Daten zu erhalten, suchen die Seismologen Standorte für weitere Messstationen.
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