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Bad Kissingen
Energiewende im Landkreis Bad Kissingen: Wird die Rhön "verspargelt"?
Ausgerechnet der grüne Wirtschaftsminister will Arten- und Landschaftsschutz zugunsten der Windkraft lockern. Die einen Umweltschützer begrüßen das, die anderen sind strikt dagegen.
42 Windräder stehen bereits im Landkreis Bad Kissingen, drei weitere bei Fuchsstadt sind im Bau.       -  42 Windräder stehen bereits im Landkreis Bad Kissingen, drei weitere bei Fuchsstadt sind im Bau.
Foto: Bernd Kleinschmidt | 42 Windräder stehen bereits im Landkreis Bad Kissingen, drei weitere bei Fuchsstadt sind im Bau.
Ralf Ruppert
 |  aktualisiert: 23.08.2022 17:18 Uhr

Die Zahlen sind eindeutig: 255 neue Windkraft-Projekte hat die Bundesnetzagentur in diesem Jahr bisher in ganz Deutschland genehmigt. Gerade einmal zwei davon sind in Bayern, Baden-Württemberg steuert vier bei. Ausgerechnet in Süddeutschland mit dem höchsten Energiebedarf spielt der Ausbau der Windkraft kaum eine Rolle bei der Energiewende . Auch deshalb hat Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) angekündigt, die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und Hürden abzubauen. Vor allem bei Artenschützern im Landkreis Bad Kissingen schrillen deshalb die Alarmglocken. "Wenn der Arten- und Landschaftsschutz aufgeweicht wird, können wir unsere schöne Rhön vergessen", sagt etwa Dieter Fünfstück, jahrzehntelang Kreisvorsitzender im Landesbund für Vogelschutz (LBV).

Kommen alte Pläne zurück

Fünfstück befürchtet, dass nun alle möglichen Pläne aus den Schubladen geholt werden, gegen die er als LBV-Kreisvorsitzender in den vergangenen Jahren gekämpft hat: Im Roßbacher Forst, bei Schönderling oder in der Gemeinde Wartmannsroth wurden Windräder erfolgreich verhindert. In Fuchsstadt und Sulzthal wurde jeweils zumindest die Zahl der Windräder von vier auf drei reduziert. "Vor Jahren haben alle von Artenschutz gesprochen, jetzt will man alles lockern", sagt Fünfstück.

Tatsächlich gibt es Begehrlichkeiten: "Falls sich die Bedingungen ändern, würden wir sofort die vierte Anlage beantragen", sagt etwa Patrick Ecker, der bei Qair Deutschland für den Windpark Fuchsstadt zuständig ist. In Sulzthal dagegen gibt es keine entsprechenden Absichten: Laut Betreiber Alterric ist die rund neun Kilometer lange Zuleitung vom Windpark Sulzthal zum Umspannwerk in Fuchsstadt mit den jetzt laufenden drei Anlagen ausgelastet. Der technische Aufwand für ein viertes Windrad wäre vermutlich zu hoch, die Wirtschaftlichkeit damit nicht gegeben.

"Wir brauchen mehr Windräder"

Während Fünfstück und der LBV warnen, schlägt Franz Zang, Kreisvorsitzender im Bund Naturschutz, ganz andere Töne an: "Wir brauchen mehr Windräder aus Klimaschutz- und wirtschaftlichen Gründen." Dass ausgerechnet in Süddeutschland mit seinem hohen Energiebedarf so wenige Windräder stehen, nennt Zang einen "Irrsinn". Die Kilowattstunde Windstrom aus dem Norden koste in der Produktion 6 Cent, der Transport schlage aber mit 10 Cent zu Buche. Falls irgendwann Strompreise samt Leitungskosten abgerechnet würden, wäre das für die süddeutsche Wirtschaft fatal. Deshalb sagt Zang: "Die bayerische 10-H-Regel ist auch wirtschaftlich eine absolute Katastrophe."

Und in einem weiteren Punkt widerspricht Zang der bayerischen Staatsregierung: "Photovoltaik ist nicht die Lösung", verweist der BN-Kreisvorsitzende darauf, dass für einen Megawattpeak Solarstrom rund 1,5 Hektar Fläche gebraucht werden, zudem hätten die Module deutlich weniger Volllaststunden und würden gerade im Winter, wenn Strom zum Beispiel für Wärmepumpen benötigt werden, wenig Leistung bringen. "Wir brauchen mehr Windkraft und mehr unterirdische 110- und 20-Kilovolt-Leitungen zum Stromtransport", betont Zang, auch wenn das andere Umweltschützer nicht gerne hören. Vor allem müssten nun die im Regionalplan ausgewiesenen Vorranggebiete genutzt werden, zum Beispiel bei Völkersleier oder Waizenbach.

Auf die noch vorhandenen Potentiale und die Planung des Regionalverbends Main-Rhön weist auch das Landratsamt hin.

"Im Landkreis Bad Kissingen spielt das Thema erneuerbare Energien und Klimaschutz insgesamt eine wichtige Rolle", betont das Landratsamt Bad Kissingen . Mehrere Arbeitsbereiche seien unter anderem mit dem Thema Windkraftausbau befasst, allerdings gebe es eben noch keine Informationen zu den geplanten Änderungen auf Bundes- und Landesebene: "Solange die genauen gesetzlichen Vorgaben für das Genehmigungsverfahren noch nicht abschließend feststehen, ist es derzeit noch nicht möglich, hierzu nähere Aussagen bezüglich künftiger Genehmigungsverfahren zu treffen sowie weitere potentielle Windkraftstandorte im Landkreis Bad Kissingen zu benennen", heißt es aus Bad Kissingen .

Mittlerweile 42 Windräder im Landkreis

Durch die Inbetriebnahme des Windparks Sulzthal ist die Zahl der Windräder im Landkreis Bad Kissingen auf 42 gestiegen. Drei weitere befinden sich in Fuchsstadt im Bau, dort hatte es unter anderem wegen der Insolvenz des Windrad-Herstellers und des Betreibers Verzögerungen gegeben. Die bereits zum Teil gebauten Türme wurden in den vergangenen Wochen gesprengt, die Fundamente werden zurückgebaut. Bis Jahresende sollen nun Anlagen eines anderen Herstellers ans Netz gehen.

Anpassung bereits beschlossen

Das Landratsamt verweist darauf, dass sich der Regionale Planungsverband Main-Rhön sehr frühzeitig mit dem Windenergieausbau und dem regionalen Beitrag im Rahmen der Energiewende auseinandergesetzt habe: "Es wurde ein flächendeckendes, schlüssiges Planungskonzept erarbeitet, um den Ausbau der Windenergie über Vorrang- und Vorbehaltsgebiete verbindlich und raumverträglich zu steuern." Im Plangebiet seien derzeit 1,7 Prozent der Regionsfläche für Windkraftnutzung (Vorrang- und Vorbehaltsgebiete) ausgewiesen. "Die Region Main-Rhön liegt bereits zum jetzigen Zeitpunkt nur knapp unter dem vom Bund für Bayern ausgegebenem Ziel von 1,8 Prozent", teilt das Landratsamt mit. Der Regionale Planungsverband sei deshalb auch vom bayerischen Wirtschaftsminister als vorbildlich bezeichnet worden. Erst am 3. Juni 2022 habe der Planungsverband beschlossen, das Windkraftkonzept zu überprüfen und anzupassen, sobald neue rechtliche Vorgaben bekannt sind.

 
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