Bad Kissingen
Elektronische Hilfe für Ersthelfer
Mindestens 34 automatische Defibrillatoren hängen mittlerweile an öffentlichen Orten im Landkreis. Viele sind direkt mit der Leitstelle verbunden.

Der plötzliche Herztod trifft nicht nur Senioren: Ein Stromunfall, eine Entzündung des Herzmuskels, Überbelastung durch Sport und vieles mehr können dazu führen, dass der wichtigste Muskel im Körper plötzlich aussetzt oder nur noch zuckt, ohne Blut zu pumpen. Mindestens 100 000 Menschen erliegen laut dem bayerischen Innenministerium jedes Jahr in Deutschland einem plötzlichen Herztod. Zum Vergleich: Verkehrstote gab es im vergangenen Jahr 3177, durch Feuer und Rauch sterben jährlich rund 500 Menschen. Trotzdem wird gegen den plötzlichen Herztod vergleichsweise wenig getan. Das will das Bad Kissinger Zentrum für Telemedizin (ZTM) gerade ändern.
"Durch unsere AED-Offensive Main-Rhön wollen wir der Region etwas zurückgeben", sagt ZTM-Geschäftsführer Sebastian Dresbach. AED steht für automatisierter externer Defibrillator (siehe Infokasten). 31 Geräte hat das ZTM in den vergangen drei Jahren in der Region aufgehängt, 21 davon sind direkt mit der Rettungsleitstelle verbunden. Wie das System funktioniert, erläutert Projekt-Manager Thomas Schreiner am Beispiel Arkadenbau im Bad Kissinger Kurgarten: Ein grünes Schild mit Herz und Blitz weist auf den Standort neben dem Eingang zur Tourist-Info hin.
Automatischer Notruf
Annett Lüdeke, stellvertretende Redaktionsleiterin der Saale-Zeitung, hat sich die Handhabung gemeinsam mit Kollegen zeigen lassen: "Es ist eine Situation die sich niemand wünscht: Ein Mensch liegt bewusstlos am Boden und atmet nicht mehr", malt sich die 38-Jährige die Ausgangslage aus. Was dann? "Wenn jemand bewusstlos ist und nicht mehr atmet, ist es wichtig, dass Ersthelfer möglichst schnell mit der Reanimation beginnen", sagt Schreiner, und: "Mit jeder Minute sinken die Überlebenschancen um zehn Prozent."Zusätzliche Hilfe können sich die Ersthelfer durch ein AED-Gerät holen: "Ideal ist, wenn es innerhalb von zwei, drei Minuten greifbar ist", sagt Schreiner. Die Handhabung ist ganz einfach: Bei Entnahme des Gerätes am Arkadenbau wird direkt ein Mitarbeiter der Integrierten Leitstelle (ILS) Schweinfurt zugeschaltet: Annett Lüdeke darf es testen, mit einem Ruck die Plombe lösen und den Kasten öffnen. Bereits nach wenigen Sekunden meldet sich ein Mitarbeiter. Diesen direkten Kontakt findet die 38-Jährige besonders wichtig: "Ein echter Mensch, der bei der Reanimation unterstützt."
Bei den 21 Stationen mit Leitstellen-Anbindung ist der eigentliche Defibrillator auf einer Fernsprecheinheit montiert. Das Gerät kann also auch einfach für einen Notruf genutzt werden, wenn Ersthelfer kein Handy dabei haben. Wenn der Defi etwa in einer Pflegeeinrichtung oder einer Arzt-Praxis hängt, sei das Modul nicht nötig, das mache die Station deutlich günstiger. "Allerdings sind die Geräte dann halt auch nicht rund um die Uhr zugänglich", weist Schreiner auf einen Nachteil hin.
Den 31 vom ZTM betreuten Geräten sind bereits viele weitere gefolgt. "Wir waren da der Motor für die Region, aber mittlerweile ist es ein Selbstläufer", betont Schreiner. Durch Berichte und Vorträge würden immer mehr Gemeinden, Vereinsringe oder Firmen Defis installieren lassen. Jüngstes Beispiel ist Sulzthal: "Das ist ein guter Beitrag zur Sicherheit unserer Bürger", freut sich der dortige Bürgermeister August Weingart (CSU) über den Defi auf dem Dorfplatz. Finanziert wurde er durch eine Crowdfunding-Aktion der Raiffeisenbank Hammelburg: Beim Projekt "Heimat fördern" legt die Bank pro Spende zehn Euro drauf. Zwischen 3000 und 4000 Euro kostet das Gesamt-Paket. Den eigentlichen Defi gibt es ab 1200 Euro, hinzu kommen Gehäuse, Leitstellen-Anbindung und Wartung. "Wir werden bei jedem Öffnen des Gehäuses informiert, dann fahren wir raus und machen alles wieder einsatzbereit", berichtet Schreiner, der die Geräte mit seinem Kollegen Jürgen Müller betreut.
Per App zum nächsten Standort
Sämtliche AED des ZTM sind auch in die Defi-App des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) eingetragen. Insgesamt 34 Standorte im Landkreis sind darin bereits enthalten. Annett Lüdeke hat sich die App jedenfalls gleich nach der Infoveranstaltung auf das Smartphone geladen. Eine Karte zeigt die Entfernung und den kürzesten Weg zum nächsten Defi:. "Gut zu wissen, wenn es schnell gehen muss", sagt die 38-Jährige.
Gerät Ein Defibrillator, kurz: Defi, kann durch gezielte Stromstöße Herzrhythmusstörungen wie Kammerflimmern beenden. Mittlerweile gibt es öffentlich zugängliche "automatisierte externe Defibrillatoren" (AED).
Standorte Die "Rot-Kreuz-Defi- und Notruf-App" enthält mittlerweile 34 AED-Standorte im Landkreis (siehe Grafik). In Bad Kissingen hängen zwölf Defis: Raiffeisenbank Garitz, Berufsschule, Kisssalis-Therme, Heiligenfeld-, Hermera- und Luitpold-Klinik, BRK-Haus (Landwehrstraße), Polizeidienststelle, Rhön-Saale-Gründerzentrum, Siwo (Von-Henneberg-Straße), Helios-St-Elisabeth-Krankenhaus und Arkadenbau. In Hammelburg gibt es je einen Defi am Gymnasium, an der Realschule, bei den Stadtwerken und bei der Firma Temco. rr
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