
Das genussvolle "Hmmm" ist kaum zu überhören. "Probier mal das Himbeer-Eis", hatte die Mutter kurz zuvor zu ihrer Tochter gesagt. "Das schmeckt, wie wenn du Himbeeren isst." Die beiden probieren von den Eiskugeln der jeweils anderen. Klares Fazit von Mutter und Tochter: "Das wäre auch etwas für Papa."
An diesem Mittwoch, dem ersten richtig sonnigen Tag seit Langem, sitzen die beiden auf der Terrasse vor der Eisdiele der Eisheiligen in Hettenhausen bei Gersfeld. Nach und nach trudeln weitere Besucherinnen und Besucher ein: ein Biker und eine Bikerin, eine Familie mit Kind, ein junges Pärchen.
Natürliches Eis aus der Region und ohne Zusatzstoffe
Das Eis, das sie sich vor Ort schmecken lassen, ist ein Besonderes. Es wird - so der Slogan - "ohne Quatsch" produziert, ohne Zusatz von Konservierungsstoffen oder Ähnlichem. Wie Inhaber Michel Günther erklärt, stammen dabei rund 60 Prozent der Zutaten aus der Region. Die Milch für das Eis kommt beispielsweise von einem Bauernhof in Poppenhausen.
Alle anderen Zutaten , die nicht lokal verfügbar sind, beziehen die Eisheiligen nach eigenen Angaben direkt vom Erzeuger. "Die Haselnüsse für unser Haselnuss-Eis sind zum Beispiel aus dem Piemont. Dort war ich erst im vergangenen Herbst zu Besuch", erzählt Günther. Auch einen Orangenbaum besitzen die Eisheiligen, in der Nähe von Valencia. Die Orangen werden nach der Ernte von dort ins hessische Gersfeld geschickt.
"Es dauert keine drei Tage von der Ernte bis zum fertigen Eis", berichtet Günther. Große Mengen gebe das natürlich nicht. Aber darauf liege auch nicht der Fokus. Natürlich soll es sein. "Die Vitamine bleiben bei der Verarbeitung fast vollständig erhalten", sagt der Eisheiligen-Inhaber. Der Fruchtanteil im Eis liege insgesamt bei rund 50 Prozent.
Eismachen ist wie Backen
Er sei kulinarisch schon immer sehr interessiert gewesen, berichtet Günther. "Auf einem Eismacher-Seminar 2016 habe ich entdeckt, wie gut selbst gemachtes Eis schmecken kann", erzählt er und fügt an: "Eismachen ist im Grunde wie Backen, nur mit Eis-Maschine statt Backofen." Nach dem Seminar habe es in ihm gearbeitet, erzählt Günther weiter. Er entschied sich schließlich, "etwas mit Eis zu machen". Entstanden sind daraus Anfang 2017 "Die Eisheiligen".
An 250 Stellen in Deutschland gibt es das Eis aus der Rhön inzwischen. Sogar in die hessische Landesvertretung in Berlin hat es die Marke geschafft, wie Günther berichtet. Er holt sein Smartphone hervor und zeigt ein Bild, auf dem unter anderem der hessische Ministerpräsident , Volker Bouffier , mit einem Eis der Eisheiligen zu erkennen ist.
Weitere Abnehmer sind Supermärkte , allen voran Tegut, aber auch Edeka und Rewe . Nicht zuletzt ist das Eis in vielen Hofläden , wie etwa dem des Obsthof Müller in Modlos, zu finden. " Hofläden sind im Prinzip unsere besten Verkaufsstellen", sagt Günther. "Die Kunden dort fragen nach hochwertigen natürlichen Lebensmitteln und sind bereit einen etwas höheren Preis zu zahlen. Da passt einfach die Philosophie."
Nachfrage nach nachhaltigen Lebensmitteln nimmt zu
Sein Plan sei es von Anfang an gewesen, nicht nur eine Dorf-Eisdiele zu betreiben, sondern eine nachhaltige Eis-Marke zu etablieren. "Der Zeitgeist hat für uns gesprochen", sagt der Eisheiligen-Inhaber. "Vor ein paar Jahren waren nachhaltige Lebensmittel noch nicht so gefragt wie jetzt." Die Nachfrage wurde schnell so groß, dass sie die Produktionskapazitäten der Örtlichkeiten in Hettenhausen sprengte.
Vor eineinhalb Jahren verlagerten die Eisheiligen ihre Produktion daher in den Nachbarort Schmalnau. Bis zu 700 Liter Eis werden dort in Spitzenzeiten pro Tag gefertigt. "Ich bin der Überzeugung, dass das der richtige Weg ist", sagt Günther über das Konzept der Eisheiligen und den Trend zu mehr Nachhaltigkeit. "Wir müssen aufhören mit den Fertigprodukten oder zum Beispiel dem Palmöl."
Neben den natürlichen Zutaten und der vorwiegend lokalen Produktion ist für das kleine Unternehmen nach eigenen Angaben auch der soziale Bereich wichtiger geworden. "Wir haben unser Selbstverständnis geändert", berichtet der Eisheiligen-Inhaber. So habe man beispielsweise Gratis-Eis an die Tafel, die Bahnhofsmission oder auch an Fridays for Future-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer verteilt. "Es ist verblüffend, welche Freude man Leuten mit einer Kleinigkeit wie Eis machen kann", freut sich Günther.
Vanille, Schoko, Erdbeere, aber auch Heu-Eis
Die Eisheiligen bieten ein breites Sortiment an. Die Auswahl reicht unter anderem von Vanille und Schoko über Erdbeere und Himbeere bis hin zu Mango und Milchkaffee. Die angebotenen Sorten unterscheiden sich dabei je nach Saison. Für den Winter sind in diesem Jahr zum Beispiel bereits die Geschmacksrichtungen Zimt und Gebrannte Mandeln eingeplant, wie Anja Lang verrät. Sie ist bei den Eisheiligen für die Filiale in Gersfeld und das Qualitätsmanagement zuständig.
Eine Sorte, die stets besondere Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist indes das Heu-Eis. Ja, richtig, Heu-Eis. Lang erinnert sich, wie es zu der Idee für die ungewöhnliche Eis-Sorte kam: "Wir waren mit unserem Stand auf einem Markt und nebenan wurden kleine Heu-Beutelchen verkauft, mit denen man Heu-Braten machen konnte. Wir sind mit den Verkäufern ins Gespräch gekommen und haben uns schließlich die Frage gestellt: Kann man damit auch Eis machen?"
Gesagt, probiert. Inzwischen ist das Heu-Eis eine Art Selbstläufer, wie Lang berichtet. "Es ist anscheinend wirklich etwas Einzigartiges." Der Ablauf bei der Heu-Eis-Produktion sei grundsätzlich der Gleiche wie bei den anderen Sorten auch. "Das Heu wird in Säcken in die Milch gegeben und darin gesiedet, ähnlich wie Teebeutel beim Teekochen", erklärt sie. "Dann wird das Heu wieder entnommen."
Übrig bleibt im fertigen Eis nur der Geschmack. Und der ist immer ein bisschen anders. "Das bringen die natürlichen Zutaten einfach mit sich. Die Ernte ist in jedem Jahr anders, abhängig zum Beispiel davon, ob es viel geregnet hat oder eher sonnig und warm war."
Die Eisheiligen sind die beliebteste Eisdiele Hessens
Das Heu-Eis, mit Rhöner Bio-Bergwiesen-Heu aus Gersfeld produziert, ist aus dem Sortiment der Eisheiligen inzwischen "nicht mehr wegzudenken", wie Lang sagt. Was ihr zufolge auch immer geht, sind die Klassiker wie Vanille oder Schoko. Aber die anderen Sorten finden ebenfalls Anklang. "Es gibt Leute, die probieren gerne unterschiedliche Sorten. Und dann gibt es Leute, die einfach bei den klassischen Sorten bleiben."
So oder so, 2020 wurden die Eisheiligen in einer Umfrage des Genuss-Magazins Falstaff zur beliebtesten Eisdiele Hessens gewählt. 2021 glückte die Titelverteidigung. Das Konzept kommt also auch geschmacklich an und sorgt sicher in Zukunft weiterhin für viele begeisterte "Hmmms".