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Bad Brückenau
Aufstellung des Bürgerbaums verschoben
Über die Statik des Bad Brückenauer Bürgerbaums gibt es unterschiedliche Auffassungen. Eine Lösung ist noch nicht in Sicht.
Bürgerbaum Bad Brückenau: Aufstellung verschoben       -  Begutachtung des Bürgerbaums in einer Werkhalle der Firma Heidelmeier.
Foto: Kerstin Junker | Begutachtung des Bürgerbaums in einer Werkhalle der Firma Heidelmeier.
Steffen Standke
 |  aktualisiert: 12.12.2024 02:36 Uhr

Hans-Jörg Heidelmeier vom Bürgerverein "Wir für Bad Brückenau" hatte es sich so schön ausgemalt: An diesem Mittwoch, 27. November, sollte der neue Bürgerbaum am Alten Rathaus aufgestellt, an den Folgetagen die Querträger für die Wappen der Vereine montiert werden. So wäre zur Einweihung am 5. Dezember der Zunftspruch feierlich enthüllt worden. Alles das hat Heidelmeier abgesagt. Der Grund: Bedenken bei der Standfestigkeit.  

Stabilere Variante aus Stahl

Es war am 21. Oktober 2021, gegen 5.45 Uhr, als Sturm Ignatz den hölzernen Zunftbaum vor dem neuen Rathaus umknickte. Nichts und niemand kam zu Schaden.

Mit dem neuen Bürgerbaum will man das Schicksal nicht herausfordern; darin waren und sind sich die Verantwortlichen von Stadt und Bürgerverein einig. Also wurde auf einen "Stamm" aus Stahl gesetzt, 18 Meter hoch, mehr als 2,5 Tonnen schwer. Er liegt fix und fertig lackiert in einer Werkhalle der Firma Heidelmeier, deren Chef auch Vorstandsmitglied im Bürgerverein ist.

Aufgestellt werden kann er nicht, zumindest nicht zeitnah. "Es bestehen Fragen statischer Natur, die mit dem, was gewollt wird, erst abgeglichen werden müssen", liefert Hans-Jörg Heidelmeier eine Erklärung dafür.

Es mache keinen Sinn, etwas übers Knie zu brechen. Am Ende leide die Sicherheit und das könne er nicht verantworten.

Mehrere statische Berechnungen

Aber um welche "statischen Fragen" geht es genau? Die Stabilitätsberechnung in Auftrag gegeben hat nach Absprachen mit dem Bürgerverein die Stadtverwaltung. Sie betraute das Ingenieurbüro Ditzel aus Bad Brückenau mit der Berechnung.

Inhaber Alfred Ditzel berichtet, dass er insgesamt drei Statiken erstellt hat, die erste vor sechs Monaten. Damals sei er von einer Ausführung mit Stahlrohr ausgegangen, mit acht historischen Zunftfiguren und einer unbestimmten kleineren Zahl an Wappen der Bad Brückenauer Vereine.

In der zweiten Berechnung waren schon wesentlich mehr Wappen enthalten, dazu Fundament und Verankerung. Zwischenzeitlich hat der Bürgerverein die Vereine der Stadt angeschrieben - mit dem Ergebnis, dass 49 Vereinswappen auf dem Bürgerbaum Platz finden (dazu Zunftfiguren, Kranz, Stadtwappen und zwei Schilder für den Zunftspruch, der Verfasser).

Heidelmeier beauftragt eigenen Statiker

Halten Fundament, Grundplatte, Verschraubung und Baum das aus? Stimmt Ditzels Statik noch? Schließlich muss man ja den Windwiderstand der flachen Wappenschilder mit einberechnen. Und für ihre große Zahl müssten die Ausleger verlängert werden.

Diese Zweifel hegte Hans-Jörg Heidelmeier; sie bereiteten ihm nach eigenen Angaben "Bauchschmerzen". Also beauftragte er einen weiteren Statiker, den Bürgerbaum erneut durchzurechnen. 

Experte: Grundplatte unterdimensioniert

Das Ergebnis laut dem Unternehmer: Bei Fundament und Baum selbst liegt die statische Auslastung im Rahmen, aber: Die schon auf dem Fundament montierte Grundplatte habe der zweite Experte für unterdimensioniert gehalten. Statt der jetzigen 35 Millimeter Dicke müsste sie 50 Millimeter haben, so Heidelmeier. Anders gesprochen: Je größer und schwerer der Baum, umso stärker die Wurzeln also.

Bei einem kurzfristigen Treffen der Verantwortlichen ergab sich für Heidelmeier keine schnelle und vor allem sichere Lösung; also blies er die Aufstellung des Bürgerbaumes kurzfristig ab.

Info über 49 Wappen erreichte Ditzel sehr spät

Alfred Ditzel sieht die Dinge etwas anders. Zunächst einmal habe er sehr spät, nämlich erst am 14. November erfahren, dass 49 Wappen auf den Bürgerbaum sollen. Aufgrund anderer wichtiger Projekte habe er nicht sofort reagieren und die Statik anpassen können.

Zudem seien zu diesem Zeitpunkt schon vollendete Tatsachen geschaffen gewesen: Das Stahlrohr für den Stamm war geliefert, das Fundament am Alten Rathaus gegossen, die Gewindestangen gesetzt und die Grundplatte eingefügt.

Fehler bei Dimensionierung der Grundplatte

Bei ihr räumt Ditzel einen Fehler ein. Er habe die zu schwach dimensionierte Platte aus einer früheren Berechnung übernommen und nicht an die neuen Gegebenheiten angepasst. Andererseits: Die ganze Zeit sei niemand mit Bedenken auf ihn zugekommen; dann hätte er die Statik selbstverständlich noch einmal überprüft.

Dementsprechend sieht er Heidelmeiers Entschluss, jetzt einen neuen Statiker einzuschalten, kritisch. Eigentlich müsse man doch dem von der Stadt beauftragten Experten als bauausführende Firma vertrauen. Vielleicht wäre es besser gewesen, sich vorher klarzuwerden, was man wolle, bevor man die Statik angehe.

Die Ängste des Unternehmers bezüglich der Standfestigkeit nennt Ditzel unbegründet. Er habe angeboten, die Verbindung zwischen Grundplatte und Baum durch vier zusätzliche dreieckige Metallstücke zu stärken (vier davon gibt es schon). Somit liege die Kraft des Stahlrohres weniger auf der Grundplatte und mehr auf den Verschraubungen. Diesen Vorschlag habe Heidelmeier aber abgelehnt. 

Lieber absichern als Risiko eingehen

Michael Krug, als städtischer Bauhofleiter in das Projekt involviert, sieht die Sache pragmatisch. "Jetzt die Notbremse zu ziehen, ist zwar äußerst ärgerlich. Aber wenn der Baum erstmal steht und dann doch etwas passiert, dann ist das Klagen groß."

Krug gibt auch zu bedenken, dass es sich beim Bürgerbaum um ein Einzelstück handelt. Dies sei für alle Neuland: für den Statiker, die Stadt und für Heidelmeier. Voneinander abweichende Bewertungen von Experten seien bei Sonderanfertigungen nicht ungewöhnlich.

Der Bürgerbaum unterliegt nicht dem allgemeinen Baurecht. Dementsprechend ist ein Prüfstatiker nicht zwingend vorgeschrieben.

Noch kein neuer Aufstell- und Einweihungstermin

Auf einen neuen Aufstell- und Einweihungstermin will sich Hans-Jörg Heidelmeier derweil nicht festlegen. Sicher nicht mehr im alten, aber möglichst zeitnah im neuen Jahr, sagt er. Es gebe mehrere Möglichkeiten, die Statik insgesamt zu verbessern. Vielleicht müsse etwas angeschweißt werden, vielleicht die Grundplatte komplett erneuert werden.

"Es muss gesprochen werden", sagt der Mann vom Bürgerverein auch in Richtung Bürgermeister Jan Marberg (SPD). Der stand Anfang der Woche wegen einer Dienstreise nicht zur Verfügung. Letztlich sei es Sache der Verwaltung, was nun gemacht werde, so Heidelmeier.

 
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