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Motten
Motten: Wölfe rotten Rhöner Mufflons aus
Die Sichtung eines Wolfs bei Kothen und Spuren in Motten lösen Verunsicherung aus. Wie damit umzugehen ist, ist selbst unter Fachleuten umstritten.
Eine Wolfsspur aus dem Truppenübungsplatz Wildflecken.       -  Eine Wolfsspur aus dem Truppenübungsplatz Wildflecken.
Foto: Christian Hahn, Bundesanstalt für Immobilienaufgaben | Eine Wolfsspur aus dem Truppenübungsplatz Wildflecken.
Stephanie Elm
 |  aktualisiert: 29.05.2024 17:05 Uhr

Der Wolf in unserer Kulturlandschaft – ein Bild, mit dem sich nicht jeder anfreunden kann. Nun kommt diese Diskussion auch in Motten auf, wo Ende Januar ein Wolf das Sichtfeld einer Wildkamera bei Kothen kreuzte.

Jagdpächter Werner Paltian aus Motten hat das Auftauchen des Wolfes nicht sonderlich überrascht, bei Motten waren schon zuvor Fährten im Schnee gesehen worden. Auffällig sei, dass er näher kommt. Bei Motten schätzt Paltian den Abstand zum Dorf auf zwei Kilometer, die Wildkamera bei Kothen steht weniger als einen Kilometer von Ort entfernt.

Jäger gehen von mindestens zehn Wölfen aus

Zudem hatte Paltian etwa zwei Wochen zuvor ein verändertes Verhalten bei Rehen beobachtet: „Sie sind schreckhafter und tagsüber nicht mehr so aktiv“. Ist er nun da, der Wolf? Paltian und weitere Jäger gehen von „mindestens zehn Wölfen “ aus, die aus dem Truppenübungsplatz Wildflecken über die Grenze wandern. Dass es der Wolf aus dem Truppenübungsplatz ist, sei anzunehmen. Dort habe der Wolf den Mufflonbestand ausgelöscht und müsse nun diesseits der Truppenübungsplatzgrenzen auf Nahrungssuche gehen.

Godfried Schwartz, Betriebsleiter vom Bundesforstbetrieb Reußenberg, widerspricht: „Der Wolf hat die Angewohnheit, dass er wandert“. Der Nachwuchs des Wolfspaares im Truppenübungsplatz werde nun aktiver und mobiler. Vom Truppenübungsplatz bis nach Motten sei es für den Wolf „ein Fünf-Minuten-Spaziergang“.

Mufflonbestand dezimiert

Dass er notgedrungen rund um Motten jagen müsse, weist Schwartz zurück: „Der Wolf hat noch genug zu fressen“. Allerdings sei der Mufflonbestand tatsächlich stark reduziert. Von den geschätzten 180 bis 220 Tieren, die es vor dem Auftauchen des Wolfes 2021/2022 gab, seien schon lange keiner mehr gesehen worden.

Auch Wildkameras liefern keine Mufflonbilder mehr, selbst in tieferen Lagen, in die die Mufflons ziehen, wenn sie auf den hohen Rhönbergen kein Futter mehr finden. Man habe mit einem Rückgang der Mufflonzahlen gerechnet, so Schwartz, allerdings nicht in dieser kurzen Zeit. Dass das Wild sich derzeit anders verhält, hat auch er beobachtet, aber: „Das wird sich einpendeln“.

DNA-Probe bestätigt

Schwartz geht von sieben oder acht Wolfstieren aus. Innerhalb der Truppenübungsplatzgrenzen sind mehrere gerissene Mufflontiere gefunden worden. Je nach Fundort – ob in Hessen oder Bayern – geht eine DNA-Probe an das zuständige Institut. Der Wolf wurde bestätigt, auch anhand von Haarproben. In Wolfslosungen wurde auch Fleisch von Rehen und Rotwild gefunden.

Eine sprunghafte Vermehrung des Wolfes hält Schwartz für unwahrscheinlich: „Der Wolf vermehrt sich nicht im ersten Jahr.“ Zudem müssten Rüden erst ein neues Rudel und eine Partnerin finden.

Den Wolf abschießen?

Werner Paltian sieht das anders. Im nächsten Jahr, warnt der Mottener, könnte der Wolfbestand auf 30 Tiere angewachsen sein. Die zu ergreifenden Konsequenzen sind für ihn klar: Der Wolf müsse unter das Jagdgesetz gestellt werden. „Eine Regelung muss kommen, dann können wir damit leben“. Wie jedes andere Wildtier solle auch der Wolf erlegt werden dürfen, „wenn er auftaucht“.

„Warum sollte der Wolf abgeschossen werden?“, fragt Michael Kutscher, Forstbetriebsleiter in Bad Brückenau. „Wir machen es eher dem Wolf schwer, als er uns“. Kutscher plädiert für Besonnenheit, wenn man sich dem Phänomen Wolf annähern will. „Ich glaube fest daran, dass wir eine Ko-Existenz hinbekommen“. Kutscher bestätigt: „Der Wolf ist da“ und erobert sich ein Territorium. Doch darüber, wie viele Wölfe wo sind, ob sie standorttreu sind, oder nur mal vorbeischauen, gibt es derzeit noch keine gesicherten Daten.

Urinprobe: Ergebnis steht noch aus

Diese C1-Nachweise anhand von Speichel- oder Losungsproben oder eindeutigem Bildmaterial liegen aktuell in nicht ausreichender Anzahl vor, um Genaues über die Herkunft des „Canis lupus“, wie die wissenschaftliche Bezeichnung des Wolfes lautet, aussagen zu können. Auch gibt es derzeit keine DNA-Proben, die von gerissenen Wild- oder Nutztieren außerhalb des Truppenübungsplatzes genommen wurden. Nur eine Urinprobe neben einer Fährte östlich von Speicherz wurde eingereicht, das Ergebnis steht noch aus.

Vorstellbar, aber noch nicht belegt, ist, dass die Fährte und der bei Kothen gesichtete Wolf aus dem Truppenübungsplatz stammen. Dort wurden im September vergangenen Jahres zwei Elterntiere mit sechs Welpen nachgewiesen, sie galten im Truppenübungsplatz als standorttreu. Ohne „Rückmeldung von Genetik“ könne man keine verlässlichen Aussagen über die Verbreitung des Wolfes machen, sagt Michael Kutscher: „Daran halte ich mich, da bin ich ganz stur. Alles andere ist Spekulation“.

Rehe nicht mehr in den Kirrungen

Dass Kirrungen – Stellen, an denen Jäger Lockfutter auslegen – nicht mehr von Rehwild besucht wird, führt er auf eine gute Eichelmast auf breiter Fläche zurück. Rehe müssten Kirrungen nicht mehr aufsuchen, da die Nahrung überall im Staatswald reichlich vorhanden sei. Entgegen Behauptungen, der Rehbestand sei hier reduziert, könne über Wärmebildkameras „eine ausreichende Anzahl von Rehen“ belegt werden.

Der Wildschweinbestand hingegen sei in der Tat verringert, dies habe mit dem Wolf jedoch nichts zu tun. Um die Afrikanische Schweinepest (ASP) abzuwehren, seien Wildschweine im vergangenen Jahr „hart gejagt“ worden. Zudem hätten Sauen im trockenen Sommer nicht genug Milch bilden können, um den Nachwuchs zu versorgen.

Neugierige Jungtiere

Entwarnung kann Michael Kutscher geben: „Der Wolf meidet den Menschen“. Erfahrungsgemäß suche er Orte nicht regelmäßig auf. Jungtiere könnten neugierig das Territorium abwandern, Sichtungen von Wölfen bei Ortschaften seien Ausnahmen und zufällig.

Mitte des 19. Jahrhunderts galt der Wolf in Deutschland als ausgerottet. „Viele viele Jahrzehnte“ dauerte es, bis er sich nun seinen Lebensraum hier wieder zurückerobert. „Das ist ein spannender Prozess“, so Kutscher. Nun gelte es, „emotionsfrei zu denken und richtig zu handeln“. Nur Problemwölfe solle man „letal entnehmen“, aber „ein Abschuss auf breiter Front wäre zu kurz gedacht“. Der Wolf sei „eine faszinierende Wildart, mit der wir uns anfreunden müssen“ – mit einer „nüchtern-sachlichen Haltung“.

So verhält man sich richtig

Bei Begegnungen zwischen Mensch und Wolf gilt es zu beachten: Hunde müssen angeleint werden. Falls sie draußen gehalten werden, sollen Zwinger fest verschlossen werden. Auf keinen Fall darf man vor dem Wolf wegrennen, sonst könnte der Jagdtrieb des Wildtieres geweckt werden. Ein „geordneter Rückzug“ sei anzuraten, das heißt langsames Weggehen, Hunde an kurzer Leine halten.

Auf der Seite des Bayerischen Landesamts für Umwelt (www.lfu.bayern.de) und hier sind mehrere Seiten und Links dem Wolf gewidmet, unter anderem das „Wildtiermanagement große Beutegreifer“ mit der Möglichkeit, Hinweise zu melden.

Auch interessant:

Der Wolf galt Mitte des 19. Jahrhunderts als ausgerottet. Jetzt erobert er sich seinen Lebensraum zurück, was viele   Menschen verunsichert. Diese Aufnahme eines Wolfes entstand in einem Gehege.       -  Der Wolf galt Mitte des 19. Jahrhunderts als ausgerottet. Jetzt erobert er sich seinen Lebensraum zurück, was viele   Menschen verunsichert. Diese Aufnahme eines Wolfes entstand in einem Gehege.
Foto: Bernd Thissen/dpa | Der Wolf galt Mitte des 19. Jahrhunderts als ausgerottet. Jetzt erobert er sich seinen Lebensraum zurück, was viele Menschen verunsichert. Diese Aufnahme eines Wolfes entstand in einem Gehege.
 
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  • forst05
    Das Muffelwild wurde vor einigen Jahrzehnten in Deutschland ausgewildert, obwohl es eigentlich aus dem Mittelmeerraum stammt. Wie auf "Wildtierportal.bayern.de" nachzulesen, leiden die Tiere in ihrer fremden Umgebung. Insofern hat der Wolf (im Gegensatz zu den Mufflons ein heimisches Wildtier) schlicht und einfach einen naturwidrigen Zustand korrigiert.
    Genauso wie der Biber begradigte naturferne Bach- und Flussläufe renaturiert oder der Borkenkäfer Fichtenreinbeständen durchlöchert (und damit Lücken für heimische oder geeignetere Baumarten) schafft.
    Alle drei genannten Tierarten machen natürlich gelegentlich Probleme, aber wir müssen diesen Geschöpfen mit der - wie im Artikel zurecht genannten "nüchtern-sachlichen" Haltung begegnen.
    Hier und da wird es nötig sein, auch mal einen Problemwolf zu entnehmen. Aber im Großen und Ganzen wird uns der Wolf eher helfen beim Waldumbau!!!
    Hoffentlich macht sich der Wolf als nächstes an die menschengemachten weit überhöhten Rotwildbestände!
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  • m.schmitt.stadtlauringen@gmail.com
    Zitat Jagdpächter Werner Paltian: "Im nächsten Jahr, warnt der Mottener, könnte der Wolfbestand auf 30 Tiere angewachsen sein. Die zu ergreifenden Konsequenzen sind für ihn klar: Der Wolf müsse unter das Jagdgesetz gestellt werden."

    Argumentieren Jäger seit jeher nicht, dass sie die Aufgabe übernehmen die in früheren Zeiten Raubtiere (z.B. Wolf, Luchs etc.) übernahmen?
    Ich glaube viele Jäger sehen Wölfe eher als direkte Konkurrenz!

    Die Argumentation von Jagdpächter Paltian dass die Wölfe deswegen wandern weil sie im Truppenübungsplatz keine Nahrung mehr finden ist haltlos. Jeder der sich halbwegs interessiert weiß, dass Wölfe sehr weite Strecken am Tag wandern können und Jungtiere sich irgendwann auch auf die Suche nach neuen Revieren machen.

    Ich bleibe dabei, das gefährlichste Tier in heimischen Wäldern dürfte die Zecke sein. Zudem ist jede Autofahrt gefährlicher als die Chance von einem Wolf ernsthaft verletzt zu werden.
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