Sie sind eine Seltenheit im Konzertbetrieb, die festen Klavierquartette , die ständig gemeinsam musizieren. In vielen Fällen werden vier Musiker ad hoc zusammengespannt, von denen die Veranstalter glauben, dass sie zusammenpassen könnten, oder die unter sich Kontakt aufnehmen und die nach ihren Konzerten wieder auseinandergehen.
Der Grund ist einfach, dass es kein großes Repertoire für Klavierquartette gibt, und dass dementsprechend das Interesse – im Gegensatz zum Streichquartett – nicht allzu groß ist – bei den Komponisten und Hörern gleichermaßen.
Das Fauré-Quartett
Vor 29 Jahren sind Erika Geldsetzer (Violine), Sascha Frömbling (Viola), Konstantin Heidrich (Violoncello) und Dirk Mommertz (Klavier) das musikalische, aber auch finanzielle Risiko eingegangen, sich zum Fauré-Quartett zusammenzuschließen und künftig gemeinsam durch die Konzertsäle zu ziehen (damals waren sie auch das erste Mal beim Kissinger Sommer ). Die Sache ist gutgegangen. Die Konkurrenz war auch nicht allzu groß. Und an ihnen kam man nicht mehr vorbei.
Jetzt war das Fauré-Quartett mal wieder da, im Festsaal von Kloster Maria Bildhausen, also in einem idealen Kammermusiksaal. Und es überraschte nicht: Die 29 Jahre der musikalischen Ehe zu viert merkte man dem Spiel des Quartetts sofort an.
Unglaubliche Vertrautheit
Da war eine unglaubliche Vertrautheit untereinander, ein gesichertes Wissen darüber, was die anderen tun. Da war Übereinstimmung in der Klangfarbenregie, in der Gestaltung von Übergängen, in der Hervorhebung der einzelnen Stimmen, was vor allem bei der Rolle des Klaviers wichtig ist, denn das ist mitunter zu zurückhaltend oder zu dominierend.
Und es war eine enorme Präzision im virtuosen Zusammenspiel, sodass die vier auch die schnellsten Passagen genießerisch noch ein bisschen schneller spielen konnten, ohne auch nur einmal zu früh oder zu spät zu kommen.
Ein interessantes Programm
Das Programm war schon deshalb interessant, weil die Faurés für den ersten Teil zwei Quartette ausgewählt hatten, die fast zur gleichen Zeit von zwei Geschwistern geschrieben wurden: Fanny Hensels Klavierquartett As-Dur und Felix Mendelssohn-Bartholdys Klavierquartett Nr. 2 f-Moll op. 2.
Fanny war zum Zeitpunkt der Komposition 17, Felix 15 Jahre alt. Das Quartett machte die Unterschiede deutlich. Fanny war noch vorsichtig im Umgang mit neuen Ideen, schrieb im Grunde genommen noch traditionell. Aber was sie „riskierte“ – und was für sie später selbstverständlich wurde – wurde auch hörbar, etwa schön ausformulierte Überleitungen – wobei Konstantin Heidrich die Überleitung in die Coda des ersten Satzes geradezu genießerisch zelebrierte.
Oder eine frische Motorik, die die Musik nicht unter Druck setzt, aber sie doch ein bisschen vorwärts nötigt. Interessant war der dritte und letzte Satz, in dem erst einmal nur Cello und Klavier musizierten – sehr schön, aber doch auch den Verdacht nährend, dass Fanny hier für Violine und Viola nichts eingefallen ist. Umso überraschender kam der aberwitzige Presto-Ausbruch des Klaviers, das die drei Streicher durch eine fulminante Coda trieb.
Klangfarbe und Emotionalität
Felix war bei seinem Klavierquartett Nr. 2 f-Moll op. 2 insofern traditionell, als er es viersätzig anlegte, allerdings an die Stelle des Scherzos ein Intermezzo in Gestalt einer Gigue setzte. Was auffiel, war die virtuose und konzeptionelle Dominanz des Klaviers; Dirk Mommertz hatte da einiges zu tun.
Was nicht bedeutet, dass die Streicher nichts zu tun hatten. Vor allem in der differenzierten Entwicklung der Themen konnten sie zeigen, dass zwischen Klangfarben und Emotionalität ein enger Zusammenhang besteht. Und spätestens im abschließenden Allegro molto vivace mussten sie wirklich ran. Da gerieten sie alle vom Elfentanz in einen derartigen akrobatischen Geschwindigkeitsrausch, dass man als Zuhörer atemlos wurde. Sensationell!
Der zweite Teil
Im zweiten Teil dann ein Monument seiner Gattung, um das man nicht herumkommt: Robert Schumanns Klavierquartett Es-Dur op. 47. Natürlich war 1842 die Gattung auch für Schumann neu, denn er hatte vorher nichts Ähnliches geschrieben.
Aber er hatte halt jede Menge kompositorische Erfahrung, um eine große musikalische Intensität zu entwickeln. Wie gut durchdacht das Werk ist, machte die Interpretation des Fauré-Quartetts deutlich, das ganz klar die Strukturen herausarbeitete durch eine plastische Stimmführung – das Klavier war hier nicht dominant, obwohl es viel zu sagen hat – durch bewusste dynamische Kontraste und Überraschungen – etwa gleich zu Beginn, wo Violine, Viola und Violoncello, leise vom Klavier grundiert, mit sonoren, langen Akkorden geheimnisvolle Stimmung verbreiten, bis plötzlich das Klavier mit hartem Stakkato dazwischengeht.
Da wusste man, dass eine kompromisslose Gestaltung bevorstand. Und in der Tat waren die vier Sätze auf Spannung musiziert, waren die Konflikte deutlich herausgestellt – aber eben auch die lyrischen Aspekte. Da war die zupackende Art etwa im Scherzo mit seinen rasanten Staccato-Läufen, die durch zwei weiche, sangliche Trios durchbrochen werden.
Das Finale und die Zugabe
Mit großer Ruhe machte das Quartett deutlich, warum das Andante zu Schumanns schönsten Sätzen zählt. Man konnte es genießen, wie es sich in einer Reihe von Variationen ständig verändert. Im Finale schloss sich der Kreis. Denn das Thema dieses Sonatenrondos - das wurde sehr deutlich – ähnelt dem Eingangsthema. Aus seinen Sechszehntelläufen entwickelte sich eine enorme dramatische Energie, die die Coda wieder zu einem spektakulären Ende führte.
Als Zugaben spielten die Faurés eine eigene Bearbeitung von Fritz Kreisler , der ein Lied von Antonín Dvořák bearbeitet hat: „Als die alte Mutter sang“ und den „Faurétango, den der argentinische Komponist Eduardo Hubert 2005 für das Quartett geschrieben hat.
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