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Thundorf
Eine Seltenheit aus Thundorf im Museum
Eine sogenannte Serpentinelle wurde 1955 in Thundorf gefunden.
Die Sepertinelle aus Thundorf.  Repro: Philipp Bauernschubert       -  Die Sepertinelle aus Thundorf.  Repro: Philipp Bauernschubert
| Die Sepertinelle aus Thundorf. Repro: Philipp Bauernschubert
Philipp Bauernschubert
 |  aktualisiert: 17.08.2022 11:25 Uhr

Bei der Aufarbeitung der Geschichte von Thundorf , ist ein Ereignis eng mit der abgebrochenen Scheune am ehemaligen Forsthaus, wo heute die neue Festhalle steht, verbunden. Bei der Errichtung dieser Scheune im Jahre 1955, fand man bei der Ausschachtung der Fundamente ein Bronzegeschützrohr aus dem 17. Jahrhundert, etwa aus der Zeit des 30-jährigen Krieges.

Das Rohr ist heute im Mainfränkischen Museum in Würzburg ausgestellt. Das Geschütz trägt auf der Oberseite der hinteren Hälfte das Schaumbergwappen, den damaligen Burgherren von Thundorf und ist original fränkischer Herkunft. Man vermutet, dass es in Fürth oder Nürnberg gegossen wurde. Solch gut erhaltene Stücke aus jener Zeit, so die Museumsleitung, sind selten, da sie ihres wertvollen Materials wegen immer wieder eingeschmolzen und zu neuer Verwendung umgegossen wurden. Doppelt erfreulich war damals für das Mainfränkische Museum die Tatsache, dass es sich um ein fränkisches Stück handelte, für das kaum ein anderes Beispiel bekannt war.

Das Rohr ist aus Bronze gegossen war gut erhalten. Es wiegt 46 Kilogramm bei einer Gesamtlänge von 1,50 Meter und einem Kaliber (Bohrung) von etwa 30 mm. Das Geschütz schoss Bleikugeln von etwa 140 Gramm Gewicht. Dem Rohrgewicht und dem Kaliber nach handelte es sich um eine sogenannte "Serpentinelle".

Serpentinelle mit Wappen

Das Fremdwort Serpentinelle kommt von den Büchsenmeistern des 16. und 17. Jahrhunderts.Die vordere Rohrhälfte ist rund, die hintere Rohrhälfte achtkantig in zwei Absätzen, jeweils durch Ringe getrennt. Auf dem stärksten Teil des Rohres, dem Bodenfeld, sitzt das erwähnte Schaumbergwappen. Den Abschluss des Geschützrohres bildet das Bodenstück oder der "Stoß" mit seiner Verlängerung der "Traube". Eigentümlicherweise ist bei dem Thundorfer Fund, die Traube als Schwanzschraube ausgebildet, das bedeutet: sie ist herausnehmbar, weil sie mit einem Gewinde in das Rohrende eingreift und es verschließt. Diese Art war bei den Vorderladergewehren allgemein gebräuchlich.

Haken und Schildzapfen

Eine weiteres Detail machte das Rohr besonders bemerkenswert, denn es trägt an der Unterseite des runden Vorderladers einen massiven breiten Ansatz, einen sogenannten "Haken". Der Haken kam schon im 15. Jahrhundert auf und diente bei schweren Handbüchsen dazu, den heftigen Rückstoß aufzufangen. Später gab es dann die Schildzapfen, die erstmals in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auftauchten, aber erst im 16. Jahrhundert allgemein gebräuchlich waren. Sie ermöglichten gegenüber dem Haken ein leichteres Richten nach der Höhe und übertrugen gleichzeitig den Rückstoß auf die Lafette.

Das Schaumbergrohr trägt sowohl Schildzapfen als auch Haken. Diese Tatsache widerspricht sich eigentlich. Im 17. Jahrhundert war der Haken schon nicht mehr gebräuchlich und es ist unerklärlich, dass dieses Thundorfer Rohr doch diese Vorrichtung getragen hat. Der Augenschein lässt vermuten, dass der Haken erst nachträglich an das Rohr angegossen wurde, während die Schildzapfen mit dem Rohr gleichzeitig entstanden sind. Dieses Geschütz verwendete man meist auf Wällen, in Türmen und Kassematten, also einem festen Standort. Dies erklärt auch die nachträgliche Anbringung des Hakens, der dazu diente, dass das Geschütz eingehängt und somit der Rückstoß aufgefangen werden konnte.

Sonderbare Schwanzschraube

Vielleicht hängte mit dieser Verwendung des Stückes auch seine sonderbare Schwanzschraube zusammen. Die Geschütze jener Zeit waren meist Vorderlader, mussten also bei jedem Stoss, wenn das Stück zurückgelaufen war, von der Mündung her gereinigt und neu geladen werden, wozu Wischer und Ladeschaufel mit Holzstielen - länger als das Rohr - nötig waren. Vielleicht hat man das Rohr mit diesem rückwärtigen Verschluss durch die Schwanzschraube versehen, um es a von hinten reinigen und laden zu können.

Bis zum Jahre 1676 war das Wasserschloss in Thundorf im Besitz derer von Schaumberg, danach ging es auf das Adelsgeschlecht der Rosenbach über. Das ehemalige Forsthaus grenzt unmittelbar an das Wasserschloss . Bei den damals ausgehobenen Fundamenten dürfte es sich um die Grundmauern eines Turmes gehandelt haben, integriert in die äußere Befestigungsanlage der Wasserburg.

Außer dem Wappen weist die Serpentinelle zwei kunstvoll geschwungene Tragegriffe in Form von Delphinen (Barock), einen Zündverschluss in Form eines Hundekopfes mit einer Kugel im Maul, einen abschraubbaren Rohrverschluss, sowie ein auf Kimme und Korn bestehendes Visier, auf. Ferner wurde damals an gleicher Stelle eine eiserne Kanonenkugel von 14 cm Durchmesser ausgegraben. In einem Pressebericht vom 10. März 1956 steht: "Die Neuerwerbung des Museums, die Thundorfer Serpentinelle, ist also nicht bloß ein historisch wertvolles, sondern auch technisch hochinteressantes Stück, das auch erhebliche Bedeutung für die Waffenkunde hat".

 
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