zurück
Bad Kissingen
Facebook-Post hat Folgen
Sie wollte den Holocaust nicht leugnen, verteidigte sich eine Rentnerin vor Gericht, sondern nur gegen die Corona-Maßnahmen protestieren. Gegen eine Strafe erhob sie Einspruch.
Eine Rentnerin stand vor dem Bad Kissinger Amtsgericht       -  Eine Rentnerin stand vor dem Bad Kissinger Amtsgericht
Foto: Annett Lüdeke/Archiv | Eine Rentnerin stand vor dem Bad Kissinger Amtsgericht
Sigismund von Dobschütz
 |  aktualisiert: 13.05.2024 02:46 Uhr

Vor fast drei Jahren hatte eine Rentnerin über ihren offenen, damit für alle Facebook-Nutzer einsehbaren Account einen fremden Eintrag geteilt, in dem in einer Fotomontage ein Davidstern mit der Inschrift „Nicht geimpft“ zu erkennen und der Satz „Die Jagd auf Menschen kann nun wieder beginnen“ zu lesen war. Da mit diesem Eintrag die Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-Pandemie mit den nationalsozialistischen Verbrechen gegen Juden gleichgesetzt wurden, hatte die Rentnerin – so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft – den Holocaust bagatellisiert oder die Bagatellisierung zumindest in Kauf genommen. Damit hatte sie sich einer Straftat gegen das Völkerstrafgesetz schuldig gemacht. Die Rentnerin hatte ihre Tat zwar längst gestanden, allerdings gegen den ihr zugestellten Strafbefehl über 60 Tagessätze zu je 50 Euro (= 3 000 Euro) Einspruch erhoben. Deshalb kam es jetzt vor dem Bad Kissinger Amtsgericht zur Verhandlung.

Passwort verloren

„Mir war das nicht bewusst. Ich wollte doch den Holocaust nicht leugnen“, verteidigte sich die inzwischen 70-Jährige. „Ich wollte doch nur als Ungeimpfte gegen die Corona-Maßnahmen protestieren. Es tut mir ja auch leid.“ Nun hielt ihr der Staatsanwalt allerdings vor, dass der beanstandete Eintrag noch bis heute auf diesem Account zu finden ist. Inzwischen habe sie ein neues Handy. „Ich habe es versucht zu löschen, aber ich komme nicht mehr in meinen Account.“ Durch den Wechsel vom damaligen auf ihr neues Handy hatte sie das gespeicherte Passwort verloren.

Ihr Verteidiger wollte den Sachverhalt keineswegs schönreden. „Der Eintrag meiner Mandantin ist ungeheuerlich.“ Aber sie habe dies nicht im Sinne des nun gegen sie erhobenen Vorwurfs verstanden. „Das muss ich ihr glauben.“ Während der Pandemie sei in den sozialen Medien wie Facebook doch sehr viel Müll gepostet worden. Deshalb waren vergleichbare Vorgänge in anderen Bundesländern eingestellt worden. Darin sah der Verteidiger auch im Fall seiner Mandantin eine Möglichkeit des Vorgehens, zumal sie nur von einer geringen Grundsicherung lebt. In jedem Fall seien die von der Staatsanwaltschaft festgesetzten 60 Tagessätze viel zu hoch.

Eintrag noch immer nicht gelöscht

Ob in anderen Bundesländern ähnliche Verfahren eingestellt wurden, sei für ihn irrelevant, entgegnete der Staatsanwalt. „Der Judenstern war im Eintrag zentral angebracht. Der Vergleich der Judenverfolgung mit den Covid-Maßnahmen ist hanebüchen.“ Zugleich hielt er der Angeklagten vor, sich ihrer Tat bewusst gewesen zu sein: „Wenn ich einen solchen Beitrag teile, dann doch in der Absicht, dass andere ihn aufnehmen.“ Dies sei „eine riesengroße Schweinerei“, so der Staatsanwalt weiter. Es bestünde kein Zweifel an einer Straftat. Die 60 Tagessätze seien sogar noch ein Mindestmaß, da sich die Angeklagte vor zwei Jahren einer Aggressionstat schuldig gemacht hatte.

„Ich bin menschlich und politisch völlig Ihrer Meinung“, bemühte sich der Verteidiger um positive Stimmung und änderte nun seine Argumentation: „Meine Mandantin ist recht einfach gestrickt. Wer schaut sich denn ihren Account an?“

Staatsanwalt will 60 Tagessätze

Doch auch dies wollte der Staatsanwalt nicht gelten lassen: „Wir hatten leider eine allzu häufige Verbreitung solcher Einträge. Da braucht unter den Lesern doch nur einer dabeizusein, der sich durch die Vielzahl dieser Einträge zum politischen Agitator radikalisieren lässt.“ In seinem Plädoyer rechnete der Staatsanwalt der Angeklagten zumindest positiv an, dass sie diesen Eintrag nur unkommentiert weitergeleitet hatte, ihre Schuld eingestanden und inzwischen wohl auch eingesehen hatte. Da der Eintrag allerdings immer noch nicht gelöscht ist, blieb er bei seinem Strafantrag von 60 Tagessätzen. Der Verteidiger entschuldigte das unterlassene Löschen des Eintrags mit der technischen Unkenntnis seiner Mandantin im Umgang mit Facebook . Sie habe die Tat gestanden und ihren Fehler eingesehen. „Der Vorwurf des Antisemitismus ist bei ihr allerdings viel zu hoch gegriffen.“ Deshalb nannte er auch die vom Staatsanwalt geforderten 60 Tagessätze „völlig überzogen“ und hielt 30 Tagessätze für ausreichend.

Mahnende Worte von der Richterin

Die Richterin verurteilte die Angeklagte schließlich zu 45 Tagessätzen zu je zehn Euro (450 Euro). Der Tatbestand der Verharmlosung des Holocaust sei gegeben. Dass die Fotomontage inhaltlich mit der Judenverfolgung der Nazis zu tun habe, sei am Davidstern erkennbar gewesen. Ein Vergleich der Covid-Impfmaßnahmen mit der Judenverfolgung sei in Bayern in jedem Fall strafbar. Zugunsten der Angeklagten sei festzustellen, dass diese sich weder vorher noch nachher auf ihrem Facebook-Account antisemitisch geäußert habe. Eine gewisse Naivität im Umgang mit derartigen Einträgen und generell mit Facebook sei wohl auch ihrem Alter geschuldet. „Aber wenn man sich in diesen Medien bewegt, muss man auch auf die möglichen Konsequenzen achten“, ermahnte sie die Angeklagte zu mehr Vorsicht. Diese nahm ihr Urteil an.

Auch interessant:

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bad Kissingen
Amtsgericht Bad Kissingen
Facebook
Holocaust
Judenverfolgung
Nationalsozialisten
Staatsanwaltschaft Schweinfurt
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top