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Bad Kissingen
Eine Hommage an die Frauen
Golda Schultz, international gefeierte Südafrikanerin, hat ein Programm zusammengestellt und teils selbst in Auftrag gegeben, das ein Manifest für Frauenrechte sein könnte.
Piano und Stimme in fulminantem Dialog: Golda Schultz und Jonathan Ware im Regentenbau von Bad Kissingen.       -  Piano und Stimme in fulminantem Dialog: Golda Schultz und Jonathan Ware im Regentenbau von Bad Kissingen.
Foto: Werner Vogel | Piano und Stimme in fulminantem Dialog: Golda Schultz und Jonathan Ware im Regentenbau von Bad Kissingen.
Werner Vogel
 |  aktualisiert: 17.08.2022 07:20 Uhr

Mit großer Stimme und leidenschaftlicher Interpretation gestaltet Golda Schultz klassische Texte und moderne Lyrik beim Kissinger Sommer . Das Programm ist eine Hommage an die Frauen, denn alle Lieder sind von Komponistinnen geschaffen worden. Auch das gibt diesem außergewöhnlichen Abend einen nachhaltigen Erinnerungswert.

Golda Schultz, international gefeierte Südafrikanerin, hat ein Programm zusammengestellt und teils selbst in Auftrag gegeben, das ein Manifest für Frauenrechte sein könnte. Texte großer deutscher Dichter , Goethe , Heine, Rückert, vertont von - ja ausschließlich - Komponistinnen . Gut, Clara Schumann , das einstige Wunderkind am Piano, kennt man als Ehefrau Robert Schumanns , vielleicht auch als Schönheit auf dem vormaligen Zehn-Mark- Schein, als geachtete Komponistin wird sie eher übersehen. Ganz zu schweigen von Emilie Mayer, deren Grab erst vor kurzem wieder entdeckt wurde und doch einst als "weiblicher Beethoven " geadelt war. Ziemlich vergessen, auch der Liederschatz der Engländerin Rebecca Clarke.

Romantik und Dramatik

Der Liederabend im Max-Littmann-Saal beginnt wunderbar innig mit dem Schweinfurter Spätromantiker Friedrich Rückert : "Liebst du um Schönheit, o nicht mich liebe!" heißt es da. Nicht um ihrer Schönheit oder Jugend, einzig ihrer Liebe willen, möchte sie geliebt werden. Clara Schumanns zweifelnde Melodie nimmt Golda Schultz, formuliert sie mit weichem Ansatz ihres runden, klaren Soprans auf. Weil sie perfekt Deutsch spricht, wirkt das absolut authentisch. Leichter, träumerisch schwebend, ihre Gestaltung bei Rückerts: "Am Strande".

Heinrich Heines "Loreley" ist vielfach vertont. Der bekanntesten "Silcher" Fassung von "Ich weiß nicht, was soll es bedeuten" hat Clara Schumanns Fassung das Träumerische genommen, stattdessen die List der Schönen auf dem Felsen über dem Rhein thematisiert. Golda Schultz gelingt es, dass der Fels über dem Rhein vor dem geistigen Auge erscheint. Was für ein Einstand bei diesem ersten Liederblock.

Auch bei Emilie Mayers Liedern bringt sie Text und Melodie in Einklang. Das anmutige Kompliment Heinrich Heines "Du bist wie eine Blume" erleben die Zuhörer fast duftend gehaucht.

Dann aber Goethes "Erlkönig". Schon die bekannte Schubert'sche Fassung vermag die Dramatik in Töne zu fassen, die 1883 in Berlin verstorbene Komponistin fügt noch ein Stück musikalischer Beklemmung mehr dazu und darüber legt Golda Schultz einen Hauch Eiseskälte. Totenstille nach dem letzten Ton. Der Regentenbau schweigt betroffen.

Welchen Spannungsbogen die sympathische Südafrikanerin bedienen kann, zeigt sich auch bei den Liedern der 1979 verstorbenen Rebecca Clarke. Vor allem "The Tiger" nach einem Text von William Blake , wo die Angst vor dem Tiger, die Beklemmung derer, die er bedroht und die wilde Jagd auf die Bestie in wilde Akkorde gepackt wird. Sie lässt das Publikum mitfiebern, während Jonathan Ware am Flügel Schwerstarbeit leistet.

Dann verneigt sich Golda Schultz vor der 1979 verstorbenen Nadia Boulanger . Hier ist sie Diva. "Cantique", das ist kein Lied , das ist eine Arie, und so singt sie es auch. Füllt den Saal mit virtuos geführter Stimme, höhensicher, ohne jedes Tremolo. Das Publikum schaut sich an: Was für eine Stimme!

Brandneuer Liederzyklus

Nicht weniger spannend ist ein 2020 entstandener Liederzyklus der 1977 geborenen südafrikanischen Komponistin , Pianistin und Produzentin Kathleen Tagg. Diese zeitgenössischen Lieder nach Texten "meiner Freundin Lila Palmer" wie sie sagt, liegen ihr am Herzen. Es sind Geschichten von Frauen und über Frauen. Besonders bemerkenswert: Diesen Liederzyklus haben Golda Schultz und Jonathan Ware, ihr kongenialer Begleiter am Klavier, selbst in Auftrag gegeben.

Romantik trifft auf Sample und elektronische Klänge, und es wurde noch Mal spannend. Denn hier bekommt das Klavier seinen besonderen Auftritt, Jonatan Ware gibt den Rhythmus am Piano vor, gibt den Synthesizer, lässt Glocken erklingen. Die linke Hand spielt Akkorde, mit der Rechten greift er in die Saiten des Flügels, nutzt sie als Harfe. Nahe am Jazz wird nochmals ein mitreißendes Kapitel neuer Songs aufgeschlagen.

Am Ende einer Beziehung, alleine im Bett und doch endlich Hochzeit, so könnte man das zusammenfassen, und jetzt machen die Glocken dann auch Sinn. Piano und Stimme in fulminantem Dialog. Golda Schultz und Jonathan Ware in Hochform. Es gab Beifall, Bravos, Jubel und Zugaben. Hätte dieser Abend nicht zu Pandemiezeiten stattgefunden und wäre gut gefüllt gewesen: Der Regentenbau hätte getobt!

 
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