Es war eine einfache Idee, die Edmund Seller und Dekan Georg Hirschbrich dem damaligen Kurdirektor Walter Rundler vortrugen: Mit den Kurgästen Volkslieder singen. Und es war Rundlers gute Idee, Harald Hümmer von der damaligen Kurverwaltung zu beauftragen, das zu organisieren. Es wurde eine Erfolgsgeschichte, die bis heute anhält.
Moderator Edmund Seller erinnerte an ca. 800 Veranstaltungen, bei denen geschätzte 250 000 Besucher mitgesungen haben, was er zusammen mit dem volksnahen Hausener Pfarrer Hirschbrich - an den früh verstorbenen Geistlichen erinnert ein Portrait auf der Bühne - gesungen und mit der Gitarre begleitet hat. Dort steht an der Seite des unverwüstlichen Sänger-Urgesteins aus Hausen, seit 2012 Robert Bauch aus Haard. Chorleiter , Pianist, Komponist und Arrangeur. Ein Vollblutmusiker. Er singt mit, begleitet am Flügel, greift zum Akkordeon und ergänzt Sellers Moderation mit kleinen Geschichtchen. Zwei, die sich gefunden haben, sich mit routinierter Bühnenpräsenz ergänzen und das Publikum alle 14 Tage neu mitreißen.
Zum Jubiläumssingen haben sie sich vier Tenorhörner eingeladen. Holger Hammel, Matthias Meder, Peter Kleinhenz und Toni Seller zeigten gleich mal, was sie können, begannen festlich mit "Intrade" einem vierstimmigen Bläsersatz, komponiert, gesetzt und dirigiert von Robert Bauch.
Viel Beifall gab es für diesen stimmungsvollen Einstieg in ein Programm voller Juwelen aus volksnahem Liedgut von "Nun will der Lenz uns grüßen" bis zu "Die Gedanken sind frei". Es begann eine Reise durch europäische Landschaften, vom Schneegebirge aus Schlesien, über den Rennsteig bis in die Rhön. Mit Texten aus dem Mittelalter und von Emanuel Geibel, mit Melodien von Mozart über Friedrich Silcher bis zu überlieferten Volksweisen. Alle freuen sich, wenn "der Lenz uns grüßen" will, lassen das Horn "Hoch auf dem gelben Wagen" schmettern, fahren "mit der Bimmel-Bummelbahn" zum Kreuzberg hinauf, lassen sich als "Wilde Gesellen" vom Sturmwind durchwehen und künden fröhlich "Jetzt kommen die lustigen Tage".
Ständchen für die Vorsänger
Kurdirektorin Sylvie Thormann gab gerne zu, dass ihr das Herz aufgehe, wenn sie die großartige Wandelhalle restlos gefüllt erlebt, sie freutr sich über Gesang als Publikumsmagnet und gratulierte Edmund Seller und Robert Bauch stilvoll mit als Notenschlüsseln gestalteten Schokoladenkreationen. Die beiden dankten verschmitzt fränkisch: "Des hätt's fei net gebraucht".
Franz Josef Schramm, Leiter der Beratungsstelle für Volksmusik in Franken, hatte nicht nur hohes Lob mitgebracht: "Heimat lebt von den Menschen, die sie gestalten, von solchen Machern wie Seller und Bauch", sondern auch ein Ständchen für sie. Zu "Wir wünschen Euch viel Segen", teilte er das Publikum in vier Gruppen zu einem stimmungsvollen Kanon, der tatsächlich auf Anhieb klappte. "Singen ist der intensivste Ausdruck, den sich die Menschen geschaffen haben" gratulierte der oberste fränkische Volksmusiker .
Gemeinsames Singen ist heute als Therapie anerkannt, meint Schramm: Damals wollte man einfach Menschen zusammenführen und was gesungen wurde kannte jeder. "Am Brunnen vor dem Tore", "Im Krug zum grünen Kranze" oder "Komm lieber Mai und mache" sind keineswegs angestaubt. Nur im Volkslied wird die Nelke noch lieblich "Nägelein" genannt und die Rhön kann im Lied mit "grünen Matten und basaltenen Bergeshöhn" trefflicher kaum beschrieben werden.
Vom Geburtstagsglückwunschchor aus 600 Kehlen nach der Melodie "Mein Vater war ein Wandersmann" wird der Gast zu Hause erzählen. Auch viele Kissinger waren da. Erna Beck aus Reiterswiesen ist, wie so oft, mit dem Bus gekommen. Ihr verstorbener Mann war leidenschaftlicher Sänger . "Ich komme so gern hierher" sagt sie, und Edmund Seller meint beim Hinausgehen: "In all den Jahren, hab' ich nur glückliche Gesichter gesehen".