
Wie leicht sich gesellschaftliche Werte und Prinzipien verabschieden können, wenn genügend Anreize geboten werden, wurde eindrucksvoll durch die Theater-AG im Frobenius-Gymnasium Hammelburg dargestellt. Mit „1.000.000.000 Euro für deinen Kopf“ – inspiriert von Dürrenmatts Tragikomödie „Der Besuch der alten Dame“ gewährten 30 Akteure einen tiefgreifenden Einblick in die dunklen Seiten der menschlichen Natur.
Die Handlung dreht sich um die reich gewordene Claire Zachanassian, die in ihre verarmte Heimatstadt Güllen zurückkehrt. Dort verspricht sie den Stadtbewohnern eine Milliarde, jedoch unter der Bedingung, dass sie ihre Jugendliebe Alfred Ill, der sie einst verriet und schwanger sitzen ließ, töten. Die Bürger Güllens sind zunächst entsetzt und lehnen das Angebot kategorisch ab. Nach und nach ändert sich jedoch deren Verhalten. So wird auf Kredit gekauft und man schwebt in luxuriösen Träumen. Schleichend verschiebt sich damit der Gerechtigkeitssinn in eine gefährliche Richtung und die Moral verschwindet immer mehr.
So wurde der soziale Aufstieg möglich
Alfred Ill beginnt die Handlung als angesehener Bürger von Güllen, der mit seiner Frau ein kleines Geschäft besitzt. In seiner Jugend war er Claire Zachanassians – damals noch Klara – Liebhaber, bevor er sie für seinen sozialen Aufstieg im Städtchen verriet, indem er die Vaterschaft ihres Kindes leugnete und dies von zwei Freunden, die ihm noch einen Gefallen schuldeten, falsch bezeugen ließ. Mit der Ankunft von Claire Zachanassian nach vielen Jahren wird Ills Welt gründlich auf den Kopf gestellt.
Claires Forderung nach Gerechtigkeit für den Verrat aus ihrer Jugend – seinen Tod im Austausch für eine Milliarde – 500 Millionen Euro für die Stadt und 500 Millionen für die Bürger –, zwingt Ill, sich mit seiner Vergangenheit und den Konsequenzen seiner damaligen Handlungen auseinanderzusetzen. Sein sozialer Status wandelt sich dramatisch in der kleinen Stadt Güllen: Vom beliebten Bürger wird er zum Ausgestoßenen, dessen Leben plötzlich als entbehrlich angesehen wird. Sein plötzlicher Herztod befreit nicht nur die Bürger aus einer moralischen Schieflage, sondern auch Ill selbst.
Zeitgeist spiegelt sich wider
Es wäre nicht die Hammelburger Theater AG, hätte man sich an das Original-Manuskript von Dürrenmatt gehalten. Intelligent wurden Szenen und Akteure eingewoben, die den Zeitgeist authentisch widerspiegelten. So gab es beispielweise eine Talkshow, die allen Klatsch und Tratsch aufarbeitete oder eine Influencerin, die sich für kein Selfie zu schade war. Staatliche und kirchliche Institutionen wurden plötzlich korrumpierbar und gaben keine Sicherheit mehr. Bei all den ernsten Themen und Entwicklungen kam der Humor jedoch nie zu kurz. Immer wieder gab es erklärende und interessante Rückblicke, die das Stück auflockerten.
Rollen überzeugend auf die Bühne gebracht
Die Akteure spielten ihre Rolle überzeugend. Claire (Anne Granich) – kalt und unnahbar –, die wegen einer Hochzeit mit einem Milliardär und dank einer Therapeutin als eine reiche, vermeintlich selbstbewusste Frau in ihr Heimatdorf zurückkehrte, um Rache zu nehmen und dann doch am Grab von Alfred weinend zusammenbricht. Sophia Thust, seit fünf Jahren in der Theater-AG, spielte als Alfred Ill gekonnt die Klaviatur der Emotionen vom selbstbewussten beliebten Bürger bis zum Todgeweihten, der um sein Leben kämpft: „In dem Stück muss ich eine ganz schöne emotionale Reise antreten. Das alles glaubwürdig rüberzubringen, ist eine große Herausforderung.“ Diese bestand sie mit Bravour – wie alle anderen Akteure. Die Charaktere waren wie maßgeschneidert auf die Darsteller. Eine beeindruckende Aufführung, wie auch Schulleiter Erich Dietrich fand und im Team auf und hinter der Bühne dankte, allen voran Eva-Maria Conrad, Leiterin der Theater-AG.
Mitwirkende: Anne Granich, Sophia Warnke, Sophia Thust, Jule Hannawacker, Amay Kickuth, Ronja Aulbach, Ina Oswald , Emma Schaub, Roman Brauer, Ria Schipper, Charlotte Conrad, Ulrich Knüttel, Jakob Weber, Rebbeka Kreß, Simon Eich, Neele Aulbach, Lukas Schaupp, Leonie Heid, Hanna Schaupp, Raphael Schneider, Raphael Luxem, Levin Lübbecke, Max Schneider , Dominik Niebling, Kilian Warmuth, Leonard Zirwick, Laurenz Warmuth, Lara Fell, Sophia Fenn, Sophia Warnke








