
Mit zwei Tagen „Verspätung“ kam diesmal die „Poesie der Nacht“ doch noch auf die Burgruine. Wegen eines unabänderlichen Termins verlegt, ließen sich Freunde der Poesie und Prosa nicht verdrießen und hielten dem Literaturabend in den alten Mauern die Treue. Ein angenehmer Sommerabend mit einem wunderschönen Sonnenuntergang wartete auf das Publikum.
Einst mit dem verstorbenen Rudolf Herget als Erzähler und Rezitator begründet, führten vor acht Jahren die Schweinfurter Laien-Schauspieler der Disharmonie Christine Hadulla und Peter Hub das Erbe des Verstorbenen mit Erfolg fort. Die damals genannte „Nacht der Poesie“ bekam einen Stammplatz im Jahresablauf der Trimburg.
Matthias Schiebl, Vizevorsitzender der Freunde der Trimburg, organisiert die Veranstaltung und hieß die literarischen Freunde willkommen. Doch diesmal musste er passen. Im Urlaub in Portugal weilend, wurde sein Rückflug offensichtlich wegen einer Aktion von Klimaaktivisten gestrichen. Er kam nicht mehr rechtzeitig zurück. Deshalb hieß Bärbel Sauskojus, die „Seele der Trimburg“, die Besucher willkommen. Auch Christine Hadulla war auf sich allein gestellt, Peter Hub , ihr Partner in Lyrik, war verhindert. Doch ihre Erfahrung im Vortragen poetischer Texte spielte ihr in die Karten, sodass sie die gut eineinhalb Stunden mit Bravour meisterte. Geschätzte 200 Musenfreunde bildeten das Publikum, das sich im inneren Burggraben ein bequemes „Zuhör-Plätzchen“ – mit Decken, Klappstühlen und Proviant ausgestattet – aussuchte.
Breites Themenfeld
Hadulla begann mit einem chinesischen Märchen, der Suche nach der Sonne, die ein Volk, das in der Dunkelheit lebt, nie gesehen hatte. Die Suche war ein weiter Weg, der 70 Jahre dauerte und wurde von einer jungen Frau ausgeführt, die unterwegs sogar ein Kind gebar, das die Suche weiterverfolgte, als die Mutter zu alt geworden war. Das Unternehmen war von Erfolg gekrönt und die Menschen, die sich nach der Sonne sehnten, erblickten sie erstmalig. Es war die Sonne, die hinter den gegenüber liegenden Hügeln von Elfershausen rotgolden unterging.
Die Rezitatorin bot ein breites Feld an Werken namhafter Literaten. Neben Goethe-Worten und Lyrik von Friedrich Hebbel und Hermann Hesse , fand sich auch Matthias Claudius mit dem Gedicht „Der Philosoph und die Sonne“ sowie Ingeborg Bachmanns „Selbstportrait“ „Ich“. Rainer Maria Rilkes Prosa „Über die Geduld“, die dazu rät, Dinge reifen zu lassen, aber auch Michael Endes „Lied der Anderwelt“ fanden Eingang in das breitgefächerte, literarische Konzept.

Zum Lachen und Nachdenken
Ab und an darf es auch etwas Humoriges sein, das den einen oder anderen aus dem Auditorium zum Lächeln bewegte. Wilhelm Busch ist zu solchem von der Muse geküsst. Bei seinen Zeilen aus „Es sitzt ein Vogel auf dem Leim“, fiel vielleicht so manchem der ein, der wegen eines gecancelten Flugs den Abend versäumte. „Die Anleitung zum Unglücklichsein“, ein Werk von Paul Watzlawick , muss sich nicht jeder geben, nur der, der das unbedingt braucht.
Zum Nachdenken regte die Geschichte des Baumes an, der nicht wachsen durfte wie er wollte und immer wieder beschnitten wurde. Nur ein kleines Mädchen verstand den Baum und sagte ihm: „Ich mag dich“. Erfreut wuchs der Baum weiter in alle Richtungen, und der Gärtner, der ihn gepflanzt hatte, kam auf den Gedanken, dass er hier etwas falsch gemacht habe. Schließlich ließ er den Baum so wachsen und wuchern, wie es ihm gefiel und hatte seine Freude daran.
Die Sonne war untergegangen und die Nacht dämmerte langsam in den Burggraben. So manch eine oder einer war wohlig eingenickt in der verträumten Atmosphäre, die sich am Fuße der Burg eingeschlichen hatte. Nur langsam lösten sich die Zuhörer von ihr, um dann, in Gedanken versunken, den Heimweg anzutreten.