Wer ist Ludwig Nüdling? Eine kleine, nicht unbedingt repräsentative Umfrage in der Friedhofstraße im Schatten des Jörgentors, dort wo der schmale Ludwig-Nüdling-Weg abzweigt, ergab folgendes Bild: Eine Frau gab zu: "keine Ahnung, wer das ist." Ein Mann sagte nur kurz: "weiß ich nicht", ein weiterer "den kenne ich nicht. Ist das ein Politiker?". Eine jüngere Frau wusste aber, "der hat doch etwas mit dem Heimatsspiel zu tun. Stimmt‘s?"
Im Internet ist der Pfarrer sehr präsent, obwohl er schon seit über 70 Jahren tot ist. Das liegt daran, dass er zu seiner Zeit nicht nur Seelsorger, sondern auch ein über Deutschland hinaus bekannter Dichter und Schriftsteller war. 4720 Einträge finden sich in der Suchmaschine Google , wenn man nach "Ludwig Nüdling" sucht. Zahlreiche seiner Bücher und Traktate sind online zu finden, meist für wenig Geld übrigens.
Im Frühjahr 1927 schrieb Pfarrer Ludwig Nüdling in kurzer Zeit als Auftragsarbeit das Heimatsspiel "Die Schutzfrau von Münnerstadt ." Es hat die Jahrzehnte überdauert und wird noch heute jedes Jahr im August und September von der Heimatsspielgemeinde dreimal aufgeführt. Offenbar erst fünf Jahre nach der Premiere veröffentlichte sie ein gedrucktes Textbuch. Bei den einschlägigen Internet-Antiquariaten (ZVAB, Booklooker, Amazon , Abebooks, Ebay) ist ein halbes Dutzend gebrauchter Exemplare zu finden. Fünf von ihnen stammen sicher aus dem Jahr 1932. Bei einem Exemplar ist allerdings vermerkt "etwa 1927", der Verkäufer weiß also gar nicht genau, wie alt dieses Heftchen ist.
Wie damals üblich, wurden sie in altdeutscher Frakturschrift gedruckt, mit der vor allem jüngere Leser heute ihre Probleme haben. Auf der vierten Seite des Textheftes wird der historische Hintergrund des Heimatsspiels geschildert, die Belagerung durch die Schweden im Jahr im Jahr 1641. Ganz hinten bekommt der Leser noch eine geraffte Übersicht über die Stadt, die damals 2300 Einwohner hatte. Der alte Mauergürtel, der die Stadt zum größten Teil umgibt, wird ebenso erwähnt wie die Pfarrkirche mit ihren wertvollen Holzskulpturen von Tilman Riemenschneider und Gemälden von Veit Stoß. Die Preise für die Textbücher sind sehr moderat, zwischen 6,45 und zehn Euro. Verlegt und vertrieben wurden sie von der Heimatspielgemeinde und gedruckt von Josef Uhlein in Münnerstadt .
Ludwig Nüdling war ein echter Vielschreiber, wie die Offerten der Internet-Antiquariate beweisen. Öfter wird der Band "Fallende Blätter" mit gesammelten Gedichten (1932) angeboten. Auch "Kiliani Frankenfahrt: ein Würzburger Legendenspiel einem Vorspiel auf der Insel Jona" hat Nüdling verfasst. Dieses 55-seitige Bändchen gibt es für 3,95 Euro. Hier eine kleine Auswahl weiterer Titel: "Für junge Herzen - Kindergedichte" (82 Seiten, 1912, ca. 10 Euro), "Lukas der Arzt - Erzählung aus biblischer Zeit" (420 Seiten, 1949, ca. 5 Euro, unvollendet), "Weihnachten bei Schlichtemanns - Volksschauspiel in einem Aufzug" (44 Seiten, 1922, ca. 14 Euro). Ganz besonders am Herzen lag Ludwig Nüdling die religiöse Unterweisung der Kinder. Deshalb war er über viele Jahre Herausgeber der Zeitschrift "Kommunionglöcklein" für Erstkommunikanten, die von 1892 bis 1965 erschien. Er verfasste auch viele Texte dafür selbst. Dutzende Heftchen sind erhalten geblieben und werden in den Antiquariaten angeboten, das älteste ist über 100 Jahre alt. Ein Jahresband kostet je nach Alter und Erhaltung zwischen zehn und etwa 30 Euro. Etwas ganz Besonderes ist das farbige Eisenbahn-Bilderbuch aus dem Jahr 1906 mit Texten von Ludwig Nüdling und Bildern und Zeichnungen Maria Altheimer. Originale werden keine angeboten, aber Druckerei Ludwig Auer aus Donauwörth, die dieses Bändchen 1906 herausgegeben hatte, veröffentlichte 70 Jahre später einen originalgetreuen Nachdruck, der für acht bis 15 Euro zu haben ist.
Originell sind Nüdlings Gedichte. Hier ein paar Zeilen: "wirst du hungrig auf der Reise, - Freund, dann lass dir eines sagen: - hast du nicht viel Geld im Beutel, - Speise nicht im Speisewagen!" Da hat sich offenbar bis zur heutigen Zeit nichts geändert. Ein anderes Gedicht zeigt, dass Nüdling 1914 den Zeitgeist festgehalten hat. Die Fuldaer Zeitung veröffentlichte im August 1914 ein Kriegsgedicht von ihm: "Und schließlich schlägt die letzte Stund - ganz England auf den großen Mund! - denn fürder kennt Europa nur - die neue Zeit nach deutscher Uhr."
Ludwig Nüdling zur Person: geboren 1874 in Poppenhausen (Rhön), Priesterweihe 1897. 1898 bis 1899 Kaplan in Großkrotzenburg. Domkaplan in Fulda und jeweils für mehrere Jahre Seelsorger im Spessart, Vogelsberg und Kinzigtal. In dieser Zeit hatte er seine ersten literarischen Erfolge. 1907 bis 1919 Pfarrer in Aufenau, wo im alten Pfarrhaus ein Nüdling-Museum eingerichtet wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg Pfarrer in Kleinsassen. 1933 von der Gestapo verhört. Von 1938 bis zu seinem Tod 1947 lebte er in der Roßbergklause am Oberrothhof (Gemeinde Schleit), wo er als glühender Marienverehrer den Wallfahrtsort Marienlinden begründete.