
Ein Klassentreffen ist doch immer eine spannende und interessante Sache. Mit lange nicht gesehenen Schulkameraden bringt man sich auf den neuesten Stand. Ein Treffen, eventuell im ehemaligen Schulhaus, weckt Erinnerungen. Das Klassentreffen der Ehemaligen aus der einklassigen Schule in Speicherz verlief etwas anders, schließlich leben fast alle im selben Dorf, sehen sich fast jeden Tag und die alte Schule gehört zu ihrem Alltag.
Dieses Klassentreffen war aber doch etwas ganz Besonderes, denn es fand genau 100 Jahre nach der Grundsteinlegung der alten Schule statt. Die Urkunde, die im Flur zur Lehrerwohnung hängt, verrät Genaueres: „Hier an dieser Stelle wurde heute am 8. November des Jahres 1924 der Grundstein zum Neubau des Schulhauses mit Lehrerwohnung gelegt“. Im Juni 1924 war im Speicherzer Gemeinderat – Speicherz war damals noch eigenständig – der Neubau beschlossen worden. Von der Regierung erhielt die Gemeinde hierzu einen Zuschuss in Höhe von 8000 Goldmark. Im September begannen die Bauarbeiten, im Januar 1925 war der Rohbau fertiggestellt. Ein gutes Jahr später wurde die Schule bezogen.
Bis dahin besuchten die Speicherzer den Unterricht im alten Schulhaus, nur wenige Meter unterhalb des neuen. Seit 1805 war in diesem Gebäude die Schule untergebracht gewesen. Im Laufe der Zeit war es mehrmals baulich erweitert worden. Auch 1922 sollte erneut angebaut werden, doch der Gemeinderat beschloss den Neubau. Hierzu heißt es in der Urkunde: „Der fortschrittliche Gemeinderat Speicherz […] erkannte die Notwendigkeit des Baues im Interesse der Jugenderziehung und förderte mit allen Gemeindebürgern durch tatkräftige Unterstützung das Fortschreiten des Neubaues“. Die Urkunde trägt die Unterschrift des damaligen 1. Bürgermeisters Johann Dehler. Sein Enkel Anton Dehler besuchte die Schule, ebenso Erwin Grünewald, Enkel des damaligen Gemeinderats Karl Grünewald .
Vorteil: alle in einer Klasse
Als ob es gestern gewesen wäre, erinnert sich Anton Dehler an seinen ersten Schultag: „Ich habe daheim in der Scheune gedrescht, dann hab ich mein Bündel gepackt und bin in Holzschuhen ganz alleine in die Schule gegangen“. Der Schulraum beherbergte nur eine Klasse. Alle Kinder von sechs bis 14 Jahren lernten dort.
Horst Fischer besuchte die Speicherzer Schule nur ein Jahr, weil seine Familie dann nach Motten zog. Er zeigt sich aber überzeugt vom einklassigen Unterricht: „Wenn der Lehrer es verstanden hat, die älteren Schüler als Hilfslehrer einzusetzen, lief der Laden“. Die Älteren erklärten es den Jüngeren, jeder Schüler hörte den Stoff so mehrere Male. „Das ist die große Stärke der einklassigen Schule“, sagt der nun im Ruhestand befindliche ehemalige Schuldirektor.
Auch sozial war die kleine Schule vorteilhaft. Im Völkerballspiel „hatte jeder eine Rolle. Keiner war der Depp, der zuletzt in die Fußballmannschaft gewählt wurde“. Die Schule in Speicherz war so sozial, dass sich dort sogar zwei fürs Leben gefunden hatten, scherzt Traudel Wirth, die das Klassentreffen organisiert hatte. Sie ist die letzte Lehrerin, die in Speicherz unterrichtet hat. 1982 wurde der Schulbetrieb eingestellt. Traudel Wirth wohnte damals schon mit ihrem Mann Horst in der über dem Klassenraum befindlichen Lehrerwohnung.

Von 1982 bis 1994 war im einstigen Klassenzimmer der Kindergarten für Speicherz und Kothen eingerichtet. Heute ist dort der Schulungsraum der Feuerwehr. Im Durchschnitt besuchten 25 Kinder pro Schuljahr den Unterricht, zum jüngsten Klassentreffen kamen 13 Ehemalige mit Partnern und Freunden. Über den Schulunterricht wurde eigentlich kaum gesprochen, sehr wohl aber über alles Drumherum. Ob man sich noch daran erinnerte, wie man für den Acker des Lehrers mit dem Handwagen bei allen Bauern Mist holen musste? Immerhin wurden die Kinder mit Himbeersaft belohnt. Oder dass man bei Hochwasser den Umweg über die Felder am Hang nehmen musste, da die Straßen im Dorf überschwemmt waren?
Die Schule hat seine Schülerinnen und Schüler vereint, noch heute sind sie eine Gemeinschaft. Sehr gerne stöbern sie immer wieder in alten Materialien, sehen sich alte Klassenfotos an und schwelgen in Erinnerungen.
