Nein, ein typischer Pianist ist der junge Mann mit seinen zwei Metern nicht, aber Giorgi Gigashvili hat eine unglaubliche Bühnenpräsenz und ist ein grandioser, ganz jung schon vielfach ausgezeichneter Pianist. Da spielt er sich am Sonntagvormittag mit vollem Körpereinsatz durch eine höchst anspruchsvolle Klavierliteratur , lädt sich ein gewaltiges Pensum an Noten auf und strahlt dazu: Na klar, kann ich das!
Gigashvili beginnt mit eingehenden Klängen von drei Scarlatti Sonaten, die er wunderbar heiter interpretiert, lässt sie ganz leicht erscheinen obwohl in der A-Dur K113 eine knifflige Aufgabe zu lösen ist, da führt die linke Hand die Melodie , die Rechte greift über und tupft rhythmische Akkorde dazu. Das macht schon Spaß beim Zusehen.
Beethovens späte E-Dur Sonate op.109 verlangt andere Talente. Ausdrucksmächtig und klangschön soll sie im ersten Satz den Boden bereiten für das Prestissimo des 2. Satzes und die homogenen Klanggebirge des Andante im Dritten.
Ein richtig schöner Beethovenvortrag. Die Chopin Ballade Nr.4 f-moll mag zu Träumereien verführen, das sieht Gigashvili anders. Er betont die Hauptthemen intensiv, sie bleiben auch in den Variationen zu erkennen, verzärtelt wird nichts. Sein "Mazeppa" Todesritt, angebunden auf dem Pferd, das Liszt in den Ètudes transcendante beschreibt, lässt die Ängste des Verurteilten erleben, auch das gelingt mit Schaudern auf dem Rücken.
Kontrastreiche Wendungen
Dass Schostakowitsch auf dem Programm von Gigashvili steht, ist erwartbar. Die h-moll Sonate mit ihren kontrastreichen Wendungen, der orchestralen Konzeption und den neun verschiedenfarbigen Variationen verlangen ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit. Die linke Hand spielt eine dominierende Rolle, aber das ist für den Giorgier am Flügel ebenso wenig ein Problem wie der langsame Walzer und die neu unterschiedlich ausgestalteten Variationen.
Selten gehörte Werke
Was er aber im zweiten Teil seines Konzerts dazu gesellt, sind selten gehörte, spannende neuzeitliche Werke und die Gestaltung sollte spektakulär werden. Erste zeitgenössische Herausforderung: Die 1945 erstmals aufgeführte Jesus Betrachtung "Le Baiser De L'enfant-Jésus" von Olivier Messiaen . Zwanzig Blicke auf das Jesuskind. Das Gottesthema wird wieder mit der linken Hand gespielt.
Dann steht die Klaviersonate der, von den Stalinisten verfolgten rätselhaften, 2006 verstorbenen Galina Ustvolskaja aus St. Petersburg aus dem Jahr 1988 auf dem Programm, von deren Musik es heißt "das ist, wie brutale Dissonanzen edel und stark expressiv werden können, wie grob behauene Steine. Die sich in leuchtende Marmorsäulen verwandeln".
Und so wird sie von Gigashvili auch gespielt. Das berührte Publikum dankt dem Pianisten mit stürmischem langen Beifall.