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Ein nicht ganz erst zu nehmendes Gespräch mit Theodor Fontane
Ein nicht ganz ernst zu nehmendes Gespräch über Bad Kissingen mit Theodor Fontane, Schriftsteller und Historische Persönlichkeit des Rakoczyfests.
Trug den Ruf Kissingens hinaus in die literarische Welt: Theodor Fontane, beim Fest dargestellt von Otmar Lutz.
Foto: Siegfried Farkas | Trug den Ruf Kissingens hinaus in die literarische Welt: Theodor Fontane, beim Fest dargestellt von Otmar Lutz.
Von unserem Redaktionsmitglied Siegfried Farkas
 |  aktualisiert: 23.07.2013 11:28 Uhr

Erstunken und erlogen, liebe Leserinnen und Leser, ist nicht das ganze Interview mit Theodor Fontane, das wir Ihnen hier als Teil unserer Serie zum Rakoczy-Fest vorsetzen. Aber die Fragen. Sie müssen das verstehen. Fontane starb 60 Jahre, bevor unsereins auf die Welt kam. Wenn wir uns da an die reine Wahrheit und an nichts als sie gehalten hätten, wären wir jeder Möglichkeit beraubt, uns mit dieser Historischen Persönlichkeit des Rakoczy-Festes auszutauschen. Da haben wir eben Aussagen aus dem reichen Zitatenschatz des Literaten über Kissingen genommen und Fragen dazu erfunden. Wir finden, es ist trotzdem ein nettes Gespräch geworden. Ob Fontane das genauso sehen würde, können wir aber nicht garantieren. Man kann ihn ja nicht fragen.

Frage: Herr Fontane, Sie waren mehrfach in Kissingen, 1889, 1890 und 1891 als Kurgast. Ihren ersten Aufenthalt von 1867 absolvierten sie als Berichterstatter auf den Spuren des Bruderkriegs von 1866 und des Gefechts um Kissingen am 10. Juli jenen Jahres.

Theodor Fontane: Seit zwei Tagen bin ich in Kissingen. Der 10. Juli 1866 hat die hübsche Stadt nur wie ein Streifschuss getroffen.

Ja, die Stadt hat im Prinzip Glück gehabt, damals.

Fontane: Kissingen, für kurze Tage ein historischer Ort, ist wieder Kurort und nichts weiter. Heute Nachmittag ist Promenadenkonzert.

Das klingt ja schon sehr nach Kurortnormalität.

Fontane: Keine dieser Hotelfronten, von denen einige allerdings aussehen wie durchlöcherte Kompaniescheiben, ist bis jetzt abgeputzt worden; man hat ihnen aus geschäftlichen Rücksichten ihre Ehrenmale gelassen. Wer 1867 nach Kissingen ging, verlangte nicht bloß eine bestimmte Anzahl Brunnenbecher, sondern auch eine verwandte Anzahl Kugelspuren.

Seltsam, das passt gar nicht zum Bild der Normalität.

Fontane: Es ist möglich, dass ein Wink der Badedirektion im Hintergrunde stand. Das nächste Frühjahr wird aber wohl mit Mörtel und Farbe über die historischen Erinnerungen hingehen.

Wir sollten den Kampf um Kissingen aber nicht als Lockmittel für Touristen verharmlosen.

Fontane: Wirklich ernsthaft gekämpft wurde am Friedhofe, an der Ostseite der Stadt, dem Dorfe Winkels zu. Diesen hochgelegenen Punkt hielt Hauptmann Thomas (er fiel später) mit dreihundert Mann drei Stunden lang. Lebten wir in anderen Zeiten, so wäre das ein volksmäßiger Balladenstoff.

Das Gefecht hat viele Leben gekostet.

Fontane: Der alte Friedhof, so groß er ist, hat die vielen fremden Gäste, die ein Tag ihm brachte, nicht alle aufnehmen können. (...) Von denen, die ihren Wunden erlagen, wurden viele auf einem anstoßenden Ackerstück gebettet; 63 andere, Freund und Feind, liegen dem Kirchhof gegenüber, nach Süden zu.

Das Gefecht liegt bald 150 Jahre zurück, einige Gräber, die an den 10. Juli 1866 erinnern, sind aber noch zu sehen.

Fontane: Das schönste Monument ist das, das dem Major Rohdewald errichtet wurde. Helm, Schwert und Eichenkranz ruhen auf einem prächtigen Sarkophage aus schwarzem Marmor.

Sie sind ja nicht nur als Nachkriegsberichterstatter in die Stadt gekommen, sondern auch zur Kur. Erzählen Sie doch mal davon.

Fontane: Meine Frau fängt an, sich zu erholen, und so krepeln wir viele Stunden lang rum und sitzen halbe Nachmittage lang im Schweizerhaus wie auf der Brühlschen Terrasse und sehen auf den Dampfschiffverkehr nieder, froh, nicht auch mit nach der Saline hinaus zu müssen.

Das hört sich aber sehr nach Müßiggang, ja fast nach Faulenzerei an. Was ist für Sie denn das Geheimnis einer guten Kissinger Kur?

Fontane: Max, Rakoczi und Pandur, thuen immer die Hälfte nur. Andre Sprossen auf der Leiter führen auf dem Heilsweg weiter.

Sprossen? Welche Sprossen?

Fontane: Lindesmühle, Bodenlaube, unentwegter Saalwein-Glaube.

Ihr Rezept lautet also Wein und Wanderungen?

Fontane: Memmel, Zoll und Messerschmitt, alles wirkt zum Siege mit.

Okay, sogar die Einkehr beim Konditor. War's das?

Fontane: Und das fränkische freundliche Wesen, fügt den Schlussstein zum Genesen.

Wissen Sie was, Herr Fontane, da haben Sie jetzt aber von sich selbst abgeschrieben. Die letzten Sätze erinnern doch sehr an Ihren Eintrag im Goldenen Buch der Stadt.

Fontane: In das hiesige Berühmtheitenbuch habe ich mich vor ein paar Tagen einschreiben müssen, erst Menzel mit einem Bild, dann ich mit einem Vers auf Kissingen. Das Menzelbild taxiere ich auf wenigstens 500 Mark, meinen Vers auf 50 Pfennige; das kennzeichnet die Stellung der Künste untereinander; die Reimerei, auch die gute, ist immer Aschenbrödel. Nun, es geht auch so.

Ach, Sie Armer, na ja, Hauptsache, man ist zufrieden. Apropos, wie sind Sie überhaupt mit Ihrer Unterbringung in Kissingen zufrieden?

Fontane: Wir haben es hier sehr gut getroffen, Hausaufenthalt vorzüglich, alles freundlich, nett und nicht zu teuer, dazu Bekannte verschiedenster Art.

Na sehen Sie, dann ist das mit den 50 Pfennigen für den Vers doch gar nicht so schlimm.

Fontane: Dennoch bleibt, namentlich beim Mittagstisch, viel zu wünschen übrig, und wer diese vier oder fünf Wochen in einem minder guten Hause oder gar in einem anspruchsvollen Hotel mit unverschämten Oberkellnern und im Übrigen fremd und einsam zubringen muss, für den ist solcher Aufenthalt eine wahre Tortur, und die beste Brunnennixe kann weder mit ihrem Glauber- oder Bittersalz all den runtergeschluckten Ärger aus Leber und Galle wieder herausfegen.

Na, das hört sich jetzt aber wieder überkritisch an. Warum fahren Sie dann nicht einfach woanders hin? Zum Beispiel nach Bayreuth.

Fontane: In Kissingen, um gerecht zu sein, war es ausgezeichnet, keine Prellerei, keine Unverschämtheit; aber drei Tage in Bayreuth, in jenen Gegenden also, wo Jean Paul die deutsche Gemütlichkeit beschrieb und verherrlichte – daran will ich denken. Die meisten Fremden kamen tatsächlich aus Nebraska, Minnesota, Dakota, Montana, Texas, und mit Rücksicht darauf, so nehm' ich an, traten die Hoteliers als Sioux auf, um die Reisenden möglichst schon auf der Bahnschiene zu überfallen.

Hoteliers als Sioux? Da ist Kissingen dann doch zivilisierter! Sie waren aus diesem Grunde nicht der einzige Preuße, der Kissingen Bayreuth vorzog.

Fontane: Im Sommer, wenn unter den Linden kein Lüftchen sich bewegt, Da ist des Kaiserreichs Schwerpunkt nach Kissingen verlegt. Denn Bismarck ist auch im Bade ein Recke mit wuchtigem Schritt, Und schreibt er nur eine Depesche, dann zittert das Nachbarland mit. Nun soll er dienstlich pausieren, wie's in Schweningers Bulletin heißt, Doch kommen die Diplomaten von überall angereist. Viel schöne Damenherzen erobert der Fürst im Sturm. Die Kurstadt ist ihm dankbar und baut ihm gewiss einen Turm.

Respekt, Sie haben ja fast seherische Fähigkeiten. Ihr Gedicht „Berühmte Männer in Kissingen“ stammt von 1889, der Bismarckturm entstand zwischen 1926 und 1928. Das soll's jetzt aber gewesen sein. Hoffentlich stört Sie nicht, dass wir mit den Fragen ein bisschen geschummelt haben.

Fontane: Über Plagiate sollte man sich nicht ärgern. Sie sind wahrscheinlich die aufrichtigsten aller Komplimente.

Quellen

Die meisten Zitate, die wir für unser fiktives Interview verwendeten, sind dem Fontane-Beitrag in Peter Zieglers für die Freunde des Weltbads Kissingen sehr ergiebigem Buch „Prominenz auf Promenadenwegen“ entnommen. Der Auszug aus dem Gedicht „Berühmte Männer in Kissingen“ findet sich unter anderem im Wikipedia-Beitrag über Kissingens berühmte Kurgäste, der allerdings die peinliche Stelle, an der Fontane den Main mit der Saale verwechselt, weglässt und der zudem Fontanes Äußerung über den Wert seiner Verse im Vergleich zu Menzels Bild falsch einordnet. Fontanes Bonmot über Plagiate ziert zahlreiche Zitatesammlungen im Internet. Wahrscheinlich haben sie es alle voneinander abgeschrieben.

 
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