Erst macht der Einbrecher ein Nickerchen, bis das Autohaus in Haßfurt frühmorgens öffnet. Dann isst er seelenruhig ein Eis, während man ihn auf frischer Tat ertappt. Und zuletzt greift er einen Angestellten mit einer riesigen Glasscherbe an. Alles für nur 135 Euro Beute, mit denen ein 37-jähriger Mann aus Bad Kissingen Drogen kaufen und seinen Neuwagen abbezahlen wollte.
Am Landgericht Bamberg befasste sich die vierte Strafkammer mit dem kuriosen Einbruch. „Was machen Sie denn hier?“ „Nichts.“ „Sie gehören doch gar nicht hierher.“ „Regen Sie sich doch nicht so auf. Ich mache doch gar nichts.“ Mit diesem absurden Gespräch beginnt für die Chefin eines Autohauses ein denkwürdiger Donnerstagmorgen.
Er macht es sich bequem
Gerade hat sie den Showroom aufgesperrt. Da erkennt sie, dass ein Einbrecher im Haus war. „Die Schreibtische waren zerwühlt. Die Schränke und Schubladen standen offen. Alles lag am Boden“, erzählte die Firmeninhaberin. Während eine Mitarbeiterin die Polizei alarmiert, läuft die Chefin mit einem Angestellten die Werkstatt ab. Dort kommt es zu jenem ungewöhnlichen Dialog. Denn der Einbrecher ist noch im Gebäude.
Kühlschrank geplündert
Möglicherweise ist er nach tagelangen Wachphasen einfach eingeschlafen. Danach hat er den Kühlschrank im Brotzeitraum geplündert und macht nicht einmal vor dem Gefrierfach halt.
Seelenruhig lutscht er ein Wassereis und erzählt eine wirre Geschichte: Er sei gar nicht eingebrochen, sondern habe auf dem Hof draußen fünf oder sechs Männer getroffen. Die hätten ihm gesagt, sie seien im Autohaus fertig. Nun solle er weitermachen.
Wie sich herausstellt, hat der Einbrecher es erst an der Brandschutztür versucht. Doch obwohl er mit roher Gewalt die Klinke abgeschlagen hat, kommt er so nicht in das Gebäude nicht hinein. Schließlich schlägt er mit einem Zimmermannshammer, einer Astschere und einer Metallstange so lange auf das daneben befindliche Fenster ein, bis das Sicherheitsglas nachgibt.
Räume durchstöbert
Die Werkzeuge hat der Hausmeister im Hof liegen lassen, weshalb Staatsanwältin Annette Mahr von einer Spontantat ausging. Dafür sprechen auch die ungleichen Handschuhe aus Gummi und Kunstleder – alles Zufallsfunde vor dem Fenster.
Dann durchstöbert er alle Räume, in die er gelangt, um Geld zu finden. Das braucht er, um die Raten für seinen Neuwagen begleichen zu können und sich Drogen zu kaufen. Denn Crystal Meth ist mit etwa 80 Euro pro Gramm nicht gerade günstig. Die Beute ist mit 135 Euro Wechselgeld äußerst übersichtlich. Alles andere hat die Chefin längst in Sicherheit gebracht. Dafür entsteht ein Sachschaden von mehr als 3600 Euro. Vom „teuersten Eis der letzten 20 Jahre in den Haßbergen“ sprach denn auch Strafverteidiger Alexander Wessel aus Bamberg. Doch bei kaputten Scheiben bleibt es nicht.
Dem Einbrecher in den Weg gestellt
Der Angestellte will verhindern, dass der Einbrecher das Weite sucht – und findet. Er stellt sich ihm in den Weg. Schließlich will der Eindringling wieder dort hinaus, wo er hineingekommen ist. Der Angestellte packt ihn an der Jacke und zerrt ihn zurück in die Werkstatt. Dort entspinnt sich eine Rangelei auf wenigen Quadratmetern.
Links ein gelbes Fass mit gebrauchter Bremsflüssigkeit, rechts die schmale Kellertreppe, die der Angestellte beinahe hinabgestürzt wäre. Mit dem Ellenbogen trifft der Einbrecher sein Gegenüber ausgerechnet an dessen verwundbarster Stelle: „Ich hatte bereits eine Rippenprellung, da war das sehr schmerzhaft.“
Mit Glasscherbe in der Hand
Zuletzt weiß sich der Einbrecher nicht mehr anders zu helfen. Er nimmt eine riesige Glasscherbe zur Hand. Ein „Mordsstück“ sei das gewesen, berichtete die Chefin, die das Geschehen aus sicherer Entfernung beobachtete. Mit dem gefährlichen Scheibenrest führt der Einbrecher einige Stichbewegungen aus. Aber nicht um zu treffen, sondern um seinen Verfolger auf Abstand zu halten und flüchten zu können. „Die Chefin hatte Angst, dass er mich erwischt.“ So lässt man den Einbrecher fliehen. Aber er kommt nicht weit.
Festnahme und Verurteilung
Die Polizeistreife nimmt ihn wenige Straßen weiter in Empfang. Eine Blutprobe bringt es an den Tag. Der Einbrecher ist high. Aber nicht so zugedröhnt, dass er nicht wüsste, was er tut. Wie bei all den Straftaten, die ihn seit zwölf Jahren an die Amtsgerichte Haßfurt, Bad Kissingen, Schweinfurt und Bamberg gebracht haben. Entweder handelte es sich um Diebstähle und Einbrüche, etwa in ein Hotel in Oberaurach, oder um Betrugsdelikte und Computerbetrug in großem Stil, um das Rauschgift und seine Spielsucht zu finanzieren. Oder es kam zu Drogendelikten, die ihm schon einmal die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einbrachten.
Therapie angeordnet
Nun verhängte die vierte Strafkammer unter ihrer Vorsitzenden Manuela Teubel wegen eines besonders schweren Falls des räuberischen Diebstahls, einer Körperverletzung und einer Sachbeschädigung nicht nur eine Freiheitsstrafe von vier Jahren, sondern ordnete auch eine erneute zweijährige Therapie in einem Bezirkskrankenhaus an. „Wenn der Sucht nicht Einhalt geboten wird, sind weitere schwere Straftaten zu erwarten“, warnte der psychiatrische Sachverständige Bernd Münzenmayer aus Schloss Werneck.
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