
Der Moderator des Erzählcafes im Juliusspital Leo Pfennig begrüßte Studiendirektor i.R. Klaus-Dieter Guhling, der seit 57 Jahren in Münnerstadt lebt und seit 38 Jahren das Stadtarchiv betreut und pflegt. Guhling war es als Gymnasiallehrer gewohnt, ohne Mikrofon seinen Unterricht zu halten. So stellte er sich vor den bis auf den letzten Platz gefüllten Saal und erzählte mit kräftiger Stimme aus seinem Leben. Seine ausdrucksstarke Sprechweise fesselte die Zuhörer.
Guhling berichtete, dass er bis zu seinem 27. Lebensjahr keine Ahnung von Münnerstadt hatte. Geboren wurde er 1940 südlich von Posen im Warthegau. Sein Vater wurde 1942 als Soldat eingezogen und bereits ein Jahr später als in Rußland vermisst gemeldet. So wuchs er zusammen mit einer ein Jahr jüngeren Schwester bei seiner Mutter auf. Die Mutter, die von Beruf evangelische Religionslehrerin war, arbeitete bei Bauern, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Im Frühherbst 1945 wurde die kleine Familie nach dem Westen ausgewiesen. Die Mutter kannte die Adresse eines Kriegskameraden ihres Mannes aus Marktredwitz. Es gelang ihr, dorthin mit einem Eisenbahnwaggon zu kommen. Sie bekam bald eine kleine Wohnung und eine Stelle als Religionslehrerin .
Vier Kinder wurden geboren
Klaus-Dieter Guhling fand hier neben dem Pfarrhof eine zweite Heimat. Nach dem Besuch des dortigen Gymnasiums, wo er auch sein Abitur ablegte, studierte er Germanistik und Latein zunächst drei Jahre in Tübingen und dann noch drei Jahre in Erlangen. Nach dem Ablegen des 1. Staatsexamens wurde er einem Gymnasium in Regensburg als Referendar zugewiesen. Hier lernte er seine spätere Frau Anne kennen. Nach einem Jahr sollten sich ihre Wege schon wieder trennen. Er wurde nach Kulmbach versetzt und sie nach Münnerstadt . Bei ihrem Antrittsbesuch in Münnerstadt begleitete Guhling seine Freundin. Diese war entsetzt über den Zustand Münnerstadts, in dem alle Straßen aufgegraben waren. Das Gymnasium, das erst vor drei Jahren in einen Neubau umgezogen war und dessen Chef Oberstudiendirektor Robert Hornung, der sie freundlich begrüßte, gefiel ihr schon besser.
Auf Anraten des Direktors doch zu heiraten, um gemeinsam an eine Schule versetzt zu werden, setzten die jungen Leute alle Hebel in Bewegung, um am 30. August 1967 standesamtlich zu heiraten. Mit Hilfe Hornungs, der gute Verbindungen nach München hatte, konnten Klaus-Dieter und seine Frau Anne im Herbst am Gymnasium in Münnerstadt ihre Lehrtätigkeit beginnen. Eine erste Wohnung fanden sie an der Zent.
Zwischen 1968 und 1974 bekamen sie vier Kinder, zunächst zwei Söhne, dann eine Tochter und noch einen Sohn. Sie wollten sich auch ein Haus mit großem Garten anschaffen. Das gelang ihnen in Reichenbach. Hier konnte Anne Guhling gärtnerisch tätig sein. Sie stammte aus der Landwirtschaft und hatte eine große Liebe zur Natur. Da ihr Haus groß genug war, holten sie in deren letzten Lebensjahren ihre beiden Mütter zu sich.
14 Jahre lang unterrichteten beide Guhlings am Münnerstädter Gymnasium. Dann bewarb sich Klaus-Dieter an das Rhön-Gymnasium in Bad Neustadt. Sie befürchteten, ansonsten gemeinsam versetzt zu werden, da die Schülerzahl am Münnerstädter Gymnasium rückläufig war.
Beliebter Lehrer
In Bad Neustadt unterrichtete Guhling von 1981 bis 2002 Hunderte von Schülern . Er war ein sehr beliebter Lehrer, da er ein sehr ausgeglichenes und menschenfreundliches Wesen hatte. Von den Schülern bekam er deswegen den Spitznamen Papa Guhling. Im Jahre 2009 stand in einer Lokalzeitung der Artikel eines Redakteurs mit dem Titel „Der wertvollste Anschiss meines Lebens“. Darin schildert ein ehemaliger Schüler , wie sein Lehrer Guhling ihn aus seiner Faulheit mit deftigen Worten herausgerissen hatte, so dass er sogar später ein gutes Abitur ablegte.
Gemeinsamer Ruhestand
Anne Guhling machte am Münnerstädter Gymnasium Karriere. Sie wurde stellvertretende Direktorin. 2002 traten beide Guhlings zusammen in den vorgezogenen Ruhestand. Gemeinsam verfasste das Ehepaar Guhling die Dorfchroniken von Burglauer und Althausen. „Lebenszeit – Erntezeit“ hatte Klaus-Dieter Guhling seinen Lebensbericht überschrieben. Breiten Raum gab er der Entwicklung seiner vier Kinder. Sie haben alle Berufe, Familien und zusammen acht Kinder. Besondere Freude hat er an seiner Tochter. Sie ist Gymnasiallehrerin in Aschaffenburg, unternimmt aber immer wieder Ausflüge mit ihrem Vater. Nach dem Tod seiner Frau Anne im Jahre 2013 zog Guhling nach Münnerstadt zur Familie seines jüngsten Sohnes. Dieser ist bei der Staatsbibliothek in München tätig, muss aber nur drei Tage vor Ort sein und kann die andere Arbeit im Homeoffice erledigen.
Zwei Jahre nach dem Tode seiner Frau fand Guhling Kontakt zu einer Jugendfreundin, die aber jetzt in Amerika lebte. Mit ihr konnte er weitere erfüllte Lebensjahre verbringen. Insgesamt flog er elfmal in die Staaten. Inzwischen können beide aus Gesundheitsgründen nicht mehr so lange fliegen, so bleibt ihnen nur die Möglichkeit per Facetime miteinander zu sprechen. Guhling bekannte, dass Einsamkeit kein schöner Zustand ist. Er forderte alle Paare auf, die noch zusammen waren, die gemeinsame Zeit dankbar zu genießen.
Guhling hatte vor Jahren als neues Hobby das Teppichknüpfen entdeckt. Er hatte auch einen selbstgeknüpften Läufer mitgebracht, auf dem er das Konterfei seiner Schwiegertochter wiedergegeben hatte. Da aber keine Nachfrage nach seiner Kunst bestand, gab er das Hobby wieder auf. Größeren Erfolg hatte er als Stadtarchivar alter Zeitungen. So konnte er für das Stadtarchiv die Jahrgänge 1884 bis 1932 der Münnerstädter Volkszeitung retten. Sie befanden sich auf dem Dachboden der früheren Druckerei Uhlein in der Jörgentorgasse. Die Zeitung existierte seit 1874. Den Jahrgang 1933 und zehn weitere Jahre ließ er als Reprint fertigen. Nachdem die Lokalredaktion der Saalezeitung in Münnerstadt umgezogen war, konnte er auch neuere Jahrgänge für das Stadtarchiv retten.
Nächster Termin 5. Februar
Guhling hat auch alle Reden, die er jemals hielt, in einem Buch zusammengestellt. Im Rückblick auf sein fast 85-jähriges Leben fühlt er vor allem Dankbarkeit, auch dafür, dass er nach den Kriegsjahren zu Beginn seines Lebens jetzt 80 Jahre in Frieden leben konnte.
Moderator Leo Pfennig bedankte sich im Namen der zahlreichen Zuhörer mit herzlichen Worten für die interessante Lebensschilderung.
Am 5. Februar findet das nächste Erzählcafé statt, wobei der Fasching im Mittelpunkt stehen soll.
Angenehm. prägend, danke für das Vermittelte. Es wirkt bis heute nach.
Bleiben Sie gesund und aktiv…