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Münnerstadt
Ein Leben für die Kunst
Inge Kirch aus Münnerstadt ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt für ihre Bilder.
Inge Kirch gleich zweimal: dieses Selbstportrait, das sie im Alter von sieben Jahren zeigt, malte die Künstlerin mit 13 Jahren. Im Erzählcafé des Seniorenzentrums Sankt Elisabeth erzählte sie aus ihrem Leben. Foto: Dieter Britz       -  Inge Kirch gleich zweimal: dieses Selbstportrait, das sie im Alter von sieben Jahren zeigt, malte die Künstlerin mit 13 Jahren. Im Erzählcafé des Seniorenzentrums Sankt Elisabeth erzählte sie aus ihrem Leben. Foto: Dieter Britz
| Inge Kirch gleich zweimal: dieses Selbstportrait, das sie im Alter von sieben Jahren zeigt, malte die Künstlerin mit 13 Jahren. Im Erzählcafé des Seniorenzentrums Sankt Elisabeth erzählte sie aus ihrem Leben.
Dieter Britz
 |  aktualisiert: 19.08.2022 04:30 Uhr
Von unserem Mitarbeiter Dieter Britz

Münnerstadt. Nach der strengen Definition von Heini Hochrein ist sie
eigentlich keine Mürschterin, denn Inge Kirch wurde nicht hier geboren,
sondern im Mai 1945 in Arnstadt (Thüringen). Baldur Kolb hatte sie
eingeladen, im Erzählcafé des Seniorenzentrums Sankt Elisabeth aus dem
Nähkästchen zu plaudern und den Nachmittag unter das Motto "Malen ist meine
Leidenschaft" gestellt. Inge Kirch kennt in Münnerstadt jeder. Kein Wunder
also, dass weit mehr Besucher sie hören wollten, als ursprünglich Stühle im Saal
vorhanden waren.

Inge Kirch schilderte ihr Leben sehr anschaulich. Ihr Vater war in
Thüringen als Ingenieur in der Forschung tätig. "Die Russen wollten Papa
haben, doch der wollte nicht für sie arbeiten", erzählte sie. Deshalb floh
die ganze Familie 1946 bei Nacht und Nebel aus der damaligen sowjetischen
Besatzungszone nach Bayern.

Warum ausgerechnet nach Münnerstadt? Ihre Mutter stammte von hier und ihre Großeltern lebten hier in einem kleinen
Häuschen. Da in dem Haus auch eine Familie aus Köln und eine ältere Dame
aus Berlin zwangs-einquartiert waren und alle gemeinsam die Küche
benutzten, ging es anfangs sehr eng zu. "Unsere Kindheit war sehr
entbehrungsreich, da Papa als Ingenieur lange keine Arbeit fand",
berichtete sie. Dass sie künstlerisches Talent hatte, entdeckten ihre
Eltern schon früh, als sie drei Jahre alt war. Ihre ersten Bilder zeigten
Tiere und Menschen. Mit vier malte sie gerne Zwerge aus Walt-Disney-Filmen.


Nach fünf Jahre Volksschule meldeten ihre Eltern sie auf Initiative von
Lehrer Kern im hiesigen Gymnasium an. Alle Fächer machten ihr Spaß - "nur
Latein war für mich die Hölle, der Lehrer konnte mich nicht leiden." Aber
"Kunstunterricht bei Pater Emeran war für mich das Highlight damals." Als
auch Griechisch-Unterricht bei ihrem ungeliebten Lateinlehrer hinzu kam,
hätte sie gerne die Schule gewechselt. Doch ihre Eltern konnten das
Fahrgeld zum Gymnasium nach Bad Kissingen nicht aufbringen. Also machte sie
eine Lehre in einer Münnerstädter Drogerie und arbeitete dort anschließend
auch mehrere Jahre. Im Fotolabor konnte sie etwas künstlerisch tätig
werden.

Ein Freund und Arbeitskollege ihres Vaters, der inzwischen eine gute Stelle
in Erlangen hatte, wollte ihr die Kunstakademie in München finanzieren. Sie
bestand die schwierige Aufnahmeprüfung mit Bravour. Doch die Eltern sagten
Nein, wohl auch aus Angst, sie würde in München unter die Räder kommen.
"Mein Traum war geplatzt" klagte sie. Ihr Ehemann Reiner Kirch (bekannt
unter anderem als Nachtwächter), den sie schon von der Schule her kannte,
beendete 1967 seine Lehrer-Ausbildung. Wenig später wurde geheiratet und
bald kam eine Tochter zur Welt. "Danach habe ich mich nur noch der Familie
gewidmet und künstlerisch gearbeitet" sagte Inge Kirch.

Bald bekam die Aufträge. "Ich habe auch immer wieder für soziale Zwecke
gearbeitet und auf Honorar verzichtet" sagt sie. Pater Hugolin gab bei ihr
eine Federzeichnung von der Kirche in Auftrag, die gedruckt und vielfach
verkauft wurde. 1974 kam das Büchlein "Münnerstadt und seine Stadtteile mit
Zeichnungen von ihr heraus, "ein Bombenerfolg und schnell vergriffen."
Interessant für sie war auch einen Auftrag aus Bad Königshofen, eine Mappe
mit Abbildungen der Bildstöcke. Für den Kolpingfasching fertigte sie 20
Jahre lang Orden an, malte Bühnenbilder, nähte kostenlos die Kostüme und
war auch für die Choreografie der Garde verantwortlich.

Sie beherrscht alles, ob Aquarell, Ölgemälde oder Federzeichnung. Aber sie
hat für sich entschieden "Aquarellmalerei ist das schönste. Was auf dem
Papier drauf ist, kriegt man nicht mehr weg. Aquarell liegt mir am
meisten." Auftragsarbeiten für Privatleute oder Vereine, Plakate oder auch
Briefbögen - das künstlerische Schaffen der inzwischen 72-jährigen Inge
Kirch ist sehr vielfältig. Was sie kann, zeigte sie bei Ausstellungen in
Würzburg, Coburg und natürlich auch Münnerstadt.

Nicht vergessen werden darf ihr größter Auftrag: 1990 bat sie Pater
Rigobert, für die Pfarrkirche in Brünn einen Kreuzweg mit den üblichen 14
Stationen in Öl zu malen. Zunächst malte sie nur ein Bild. Das fand Anklang
und sie vollendete den Kreuzweg. "Das ist mein größtes Werk, ich habe mich
sehr bemüht und angestrengt" sagte sie dazu. Über Inge Kirch gäbe es noch
manches zu berichten. 2002 eröffnete sie einen Kunstgewerbeladen. Sie
führte ihn zehn Jahre lang, doch "in Münnerstadt gibt es nicht das
Publikum, dass sich sowas rentiert." Und ganz zuletzt: ab 1987 war sie 16
Jahre lang die Seniorenbetreuerin der katholischen Kirchengemeinde,
organisierte Veranstaltungen, Fahrten und Urlaub für die Senioren. Das ist
bei sehr vielen älteren Bürgerinnen und Bürgern noch in sehr guter
Erinnerung.

2001 bekam sie aus der Hand des damaligen Bürgermeisters Eugen Albert die
silberne Stadtmedaille für ihr soziales und kulturelles Engagement. 2008
wurde sie mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik ausgezeichnet. "Ich bin
stolz darauf, dass ich es auch ohne Studium und viel Ausbildung zu etwas
gebracht habe" sagte sie über sich. Viel dankbarer Applaus war ihr sicher.

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Inge Kirch gleich zweimal: dieses Selbstportrait, das sie im Alter von
sieben Jahren zeigt, malte die Künstlerin mit 13 Jahren. Im Erzählcafé des
Seniorenzentrums Sankt Elisabeth erzählte sie aus ihrem Leben. Foto: Dieter
Britz
 
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