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Bad Kissingen
Ein grandioser Vormittag
Jazzpianistin Olivia Trummer bewegt sich absolut souverän zwischen Jazz, Pop und Klassik, spielt eigene Kompositionen und Arrangements - und singt natürlich auch dazu.
Olivia Trummer beim Kissinger Sommer 2021 im Kurgartencafé.       -  Olivia Trummer beim Kissinger Sommer 2021 im Kurgartencafé.
Foto: Gerhild Ahnert | Olivia Trummer beim Kissinger Sommer 2021 im Kurgartencafé.
Thomas Ahnert
 |  aktualisiert: 17.08.2022 06:35 Uhr

Besser hätte man den verregneten Sonntagvormittag gar nicht verbringen können, als beim Jazz Breakfast im Kurgartencafé. Sich mit angenehm gefülltem Magen und einer ebensolchen Koffeindosis in seinem Stuhl zurücklehnen, die Blicke nach draußen in das trübe Licht gleiten lassen und der Musik zuzuhören. Und sie zu genießen. Denn die Jazzpianistin Olivia Trummer war wieder einmal zu Gast.

Klaus Doldinger hat schon recht: "Die Musik ist hervorragend - sowohl Komposition als auch Interpretation. Ich kenne in unseren Breitengraden keine Jazzkünstlerin dieses Zuschnitts - da stimmt wirklich alles." In der Tat: Olivia Trummer hat ihren ganz eigenen Stil entwickelt, der einen hohen Wiedererkennungswert hat, der zu ihrem Alleinstellungsmerkmal geworden ist. Eigentlich ganz einfach und doch sehr schwer. Wie sie das gemacht hat?

Sie ist nicht über die Zwei-Zeigefinder-Suchmethode in die Musik hineingestolpert, sondern hat Jazzpiano an der Stuttgarter Musikhochschule studiert. Und auch - und keineswegs nur als Nebenfach - klassisches Klavier. So hat sie auch nach einem Aufbaustudium an der Manhattan School of Music in New York, das ihr ein Stipendium des Deutsch-Akademischen- Austauschdienstes (DAAD) ermöglichte, nie die Beziehungen zur klassischen Musik abgebrochen. Die Zeit im "Big Apple " hat sie geprägt und immer wieder inspiriert.

Und ihr einen starken Qualitätsbegriff vermittelt. Olivia Trummer ist kein Tastenkasper, der meint, sich über virtuoses Geplänkel profilieren oder damit Leerstellen füllen zu müssen. Die gibt es bei ihr nicht. Sie scheint über ein bestens funktionierendes inneres Gehör zu verfügen, das ihr gestattet, ihre reichen Ideen unmittelbar auf die Tasten zu bringen - sie musss nicht erst herumversuchen, um diese Versuche dann kaschieren zu müssen. Das ermöglicht ihr ein Spiel, das in seiner Direktheit mitunter lakonisch wirkt und das ihr enorme Freiräume in ihren stilistischen Ausdrucksformen verschafft. Sie bewegt sich absolut souverän zwischen Jazz , Pop und Klassik , spielt eigene Kompositionen und Arrangements - und singt natürlich auch dazu.

Jetzt also im Kurgartencafé. Sie findet sofort Kontakt zu ihrem Publikum, das sie so lange vermissen musste. Und sie findet auch sofort ein Thema, das für ihr Publikum in den letzten eineinhalb Jahren so wichtig geworden ist: die Ferne, das Reisen, der Sehnsuchtsort: "Moena" heißt der bei ihr. Das ist ein Dorf im Trentino, in dem sie wohl einmal gewesen ist, und ihre Erinnerungen fasst sie in eine wunderbar swingende, leichthändige Musik mit einem bezwingenden italienischen Aroma. Plötzlich ist sie bei Bert Bacharach und seinem "Close to You" und dann bei einem Stück, das irgendwie klingt wie Debussy , allerdings ganz anders, "vertrummert". Und tatsächlich ist es aufbereiteter Debussy , "The Little Shepherd" aus der Suite "Children's Corner". Da merkt man ihre klassische Prägung, aber auch ihren souveränen Umgang mit ihr.

Oliva Trummer ist eine fantastische Rhythmikerin, die sich in Strukturen hineinwagt, wo man als Otto Normalrhythmiker Angst hätte, jemals wieder rauszufinden. Aber so ist sie auch als Sängerin . Wenn es keine dazugehörenden Texte gibt, dann singt sie gerne Scat mit einer seltsam pointierten Beiläufigkeit, die zum Zuhören zwingt, obwohl es eigentlich nicht mitzuteilen gibt. Und sie kann in jedem Stil improvisieren, kann das Wesentliche herausarbeiten und in ihre eigenen Ausdeutungen umwandeln. Und man hat als Zuhörer immer das seltsame, durchaus ein bisschen irritierende Gefühl, dann, wenn sie spielt, kein Ton fehlt, aber auch keiner zu viel ist. Das macht das Hören angenehm und spannend zugleich.

In ihren eigenen, auch selbstgetexteten Songs zeigt sie eine kleine Neigung zur Idylle, zur wunderbaren Welt, wie in "Ohne Winter ". Die Logik, die sie da entwickelt und animierend und gemütlich gleichzeitig begleitet, ist entwaffnend: Ohne Winter kein Frühling , ohne Frühling keine Blumen, ohne Blumen keine Bienen, ohne Bienen kein Honig zum Tee. Die Gedankenketten enden alle in der Idylle. Oder in ihrem "Seems Like You Gotta Miss Someone to Be Complete."

Aber dann ist sie plötzlich wieder bei Bach und zwei Sätzen aus seiner Partita Nr. 1 B-dur BWV 825, die absolut mitreißend klingen, weil die formalen Fragen zugunsten der emotionalen Aussagen zurückgetreten sind und einen Vortrieb haben, mit dem man bei Bach nicht rechnet - wie auch bei Mozarts rätselhaft beginnenden "Türkischen Marsch" aus der A-dur-Sonate KV 331.

Dass Olivia Trummer eine fabelhafte Jazzpianistin ist, war nicht überraschend. Aber dass sie so gut mit der Musik der Vorväter umgehen kann, das erstaunte dann doch. Als Zugabe gab's Stevie Wonders "You Are the Sunshine of My Life". Damit ist Olivia Trummer am Ziel: "Das ist mein Lieblingslied." Da kann ihr im Publikum niemand widersprechen.

 
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