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Bad Kissingen
Ein Bilderbogen des Kleinbürgertums
Zum Abschluss gastiert mit "Geschichten aus dem Wienerwald" von Ödön von Horváth das Ensemble Theaters Hof im Kurtheater Bad Kissingen.
Zum Abschluss des 33. Theaterrings: Marianne und ihre Nachbarn in Ödön von Horváths kleiner Straße im 8. Wiener Bezirk in der Aufführung des Theaters Hof, mit der die Hofer am Donnerstag, 26. April um 19.30 Uhr beim Theaterring der Stadt Bad Kissingen im Kurtheater gastieren Foto: H. Dietz Fotografie       -  Zum Abschluss des 33. Theaterrings: Marianne und ihre Nachbarn in Ödön von Horváths kleiner Straße im 8. Wiener Bezirk in der Aufführung des Theaters Hof, mit der die Hofer am Donnerstag, 26. April um 19.30 Uhr beim Theaterring der Stadt Bad Kissingen im Kurtheater gastieren Foto: H. Dietz Fotografie
| Zum Abschluss des 33. Theaterrings: Marianne und ihre Nachbarn in Ödön von Horváths kleiner Straße im 8. Wiener Bezirk in der Aufführung des Theaters Hof, mit der die Hofer am Donnerstag, 26.
Gerhild Ahnert
 |  aktualisiert: 18.08.2022 22:40 Uhr
Ödön von Horváths "Geschichten aus dem Wiener Wald" ist ein Wiener Volksstück, das die Nationalsozialisten sofort von den deutschen Bühnen verbannten, nachdem ihnen das deutsche Volk zur Macht verholfen hatte. Vorher hatte der 1901 in Fiume (Rijeka) geborene österreichisch-ungarische Autor, Sohn eines 1909 nach München versetzten Diplomaten aus dem Kleinadel, in Wien sein Abitur gemacht und in München studiert. Auf Vorschlag von Carl Zuckmayer erhielt er 1931 den Kleistpreis. Nach dem "Anschluss" Österreichs floh Horváth, der die Nazis in seinen Stücken kritisiert und ihre Saalschlacht-Schläger bei einem Prozess belastet hatte, vor den neuen Machthabern über einige Stationen nach Paris und wurde 1938 auf den Champs-Élysées von einem herabfallenden Ast erschlagen. Und dann geriet er erstmal in Vergessenheit.
In den 1960ern fand dann eine Horváth-Renaissance statt, sein Roman "Jugend ohne Gott" wurde mehrfach im In-und Ausland verfilmt, die Theaterstücke "Kasimir und Karoline", "Glaube Liebe Hoffnung" und vor allem "Geschichten aus dem Wiener Wald" wurden zum festen Bestandteil der Theaterspielpläne und Lehrpläne. Marcel Reich-Ranicki pries den sozialkritischen "Klassiker der Moderne" 2001: "Er gehört zu den interessantesten und amüsantesten Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts."
"Geschichten aus dem Wiener Wald" ist natürlich auch jener berühmte Tanzwalzer von Johann Strauß (Sohn), Inbegriff des bürgerlichen Traumes von einer heilen Welt aus der guten alten Zeit. Beim Heurigen und in der Wachau konnte man die Probleme der unruhigen 20er-Jahre vergessen und "An der schönen blauen Donau" schwelgen bei "Wein, Weib und Gesang". Dieses Wien war für Horváth eine Mogelpackung, denn er sah, dass die desolate wirtschaftliche Lage, der salonfähig werdende Nationalsozialismus und vor allem die Lage der Frauen in dieser Gesellschaft keineswegs dem idyllischen Postkartenbild der österreichischen Hauptstadt entsprachen. Nicht von ungefähr ist die Hauptperson in den "Geschichten" Marianne, die Tochter des Spielzeughändlers "Zauberkönig" aus dem 8. Wiener Bezirk, die von ihrem Vater dazu ausersehen ist, den wohlhabenden Metzger Oskar von nebenan zu heiraten. Als sie jedoch den Hallodri und Frauenhelden Alfred trifft, lebt sie den Traum vom Ausstieg aus der Vorstadtstraße, aus dem kindlichen Gehorsam gegenüber dem Macho-Vater; sie geht mit ihrem Alfred und landet ohne Beruf und Geld auf der Kehrseite der bürgerlichen Gesellschaft, in der Halbwelt der Varietés. Obwohl Mariannes Desillusionierung im Zentrum steht, reicht Horváths Personal vom alten Rittmeister bis zum eifrigen jungen Nazi, von verarmten alten Baroninnen im Bordellbetrieb, von reichen Amerikanern und skrupellosen Geschäftemachern, bis zur Großmutter-"Engelmacherin" in der idyllisch burgenreichen Wachau. Dem scharfsichtigen Beobachter Horváth ist ein Panorama der Zwischenkriegszeit gelungen, das nicht wie im bürgerlichen Trauerspiel á la Kabale und Liebe in Mariannes Tod, sondern in ihrer unglücklichen Heirat endet. Gestaltet haben dieses Stück, das zeigt, dass es noch nicht so lange her ist in unseren Breiten, dass Frauen aus dem Kleinbürgertum wie selbstverständlich scheiterten, wenn sie aus Lebensziel Vernunftheirat ausbrechen wollten, zwei Frauen für das Hofer Ensemble: Judith Kuhnert führte Regie und Carola Volles zeichnet für Kostüme und Bühnenbild verantwortlich.
Dass dieser volkreiche, komplexe, daher bunte, vielschichtige und spannende Bilderbogen des Wiener Kleinbürgertums um 1930 einmal auf Tournee geht und so beim Theaterring im Kurtheater Bad Kissingen gastieren kann, hat das Theater Hof möglich gemacht. Die Aufführung bildet den Abschluss des 33. Theaterrings der Stadt Bad Kissingen und kommt am Donnerstag, 26.April um 19.30 Uhr ins Kurtheater. Karten gibt es in der Tourist-Information Arkadenbau im Kurgarten, unter der Telefonnummer 0971/8048-444, im Internet bei kissingen-ticket@badkissingen.de und natürlich an der Abendkasse im Kurtheater.
 
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