
In Bad Kissingen haben sich die katholische und die evangelische Kirchengemeinde zu einem besonderen Projekt zusammengeschlossen: Die ökumenische Initiative „Eine Stunde Zeit füreinander“ möchte Menschen aller Altersgruppen durch ehrenamtliches Engagement unterstützen.
Mit dem Ziel, persönliche Begegnungen zu fördern und die Vereinsamung in der Gesellschaft zu lindern, schenken Freiwillige wöchentlich eine Stunde ihrer Zeit, um Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen zu begleiten, zu unterstützen oder einfach zuzuhören.
"Der seelische Hunger ist sehr groß"
Die Ursprünge des Projekts gehen auf das Jahr 2011 zurück, als Diakon Christoph Glaser gemeinsam mit Ehrenamtlichen einen Besuchsdienst organisierte. Der Diakon der katholischen Kirchengemeinde beobachtete, dass vor allem ältere Menschen in Bad Kissingen oft allein sind.
Zwar wählen sie die Kurstadt, aufgrund ihres Charmes als Alterswohnsitz, doch ohne Familie oder enge Freunde vor Ort fühlen sich viele im Alltag isoliert. „Viele haben ihre Familien weit weg, der Partner ist verstorben, und sie selbst schaffen es nicht mehr, neue Kontakte zu knüpfen“, beschreibt Glaser die Situation. „Der seelische Hunger ist sehr groß.“
Gerade in der Stadt sei die Nachbarschaftshilfe weniger selbstverständlich ausgeprägt als auf dem Land.
Die Kräfte bündeln
Durch die Zusammenarbeit der beiden Kirchengemeinden wird die Initiative nun ökumenisch getragen und neu ausgerichtet. „Wir haben beide Besuchsdienste angeboten, aber warum sollten wir das getrennt machen? Gemeinsam können wir unsere Kräfte bündeln und mehr Menschen erreichen“, erklärt Diakon Maik Richter von der evangelischen Kirchengemeinde , der unter anderem für Seniorenarbeit zuständig ist.
Beide Kirchengemeinden bringen ihre bisherigen Besuchsdienste in das gemeinsame Projekt ein, das durch die fachliche Unterstützung von Theresia Schodorf-Friedrich von der Gemeindecaritas begleitet wird. „Wir bieten auch psychosoziale Beratung, wenn dies nötig ist“, ergänzt sie.
Zeit schenken
Das Besondere an „Eine Stunde Zeit füreinander“ ist die Vielfalt der ehrenamtlichen Tätigkeiten: Die Freiwilligen besuchen ältere oder kranke Menschen in Seniorenheimen oder ihren Wohnungen, begleiten sie bei Spaziergängen, Arztbesuchen oder Einkäufen und übernehmen gelegentlich Besorgungen.
Aber auch andere Aufgaben werden übernommen: Unterstützung von Kindern beim Lesenlernen, Betreuung von Menschen mit Behinderung oder Hilfe beim Ausfüllen von Formularen sind ebenfalls Teil des Projekts.
Keine Haushaltshilfen
„Es geht darum, den Menschen das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein sind“, erklärt Elisabeth Wagner, die das Projekt von Beginn an als Koordinatorin begleitet. Wagner ist die zentrale Ansprechpartnerin für alle Hilfesuchenden und Ehrenamtlichen. „Ich versuche, die Menschen so zusammenzubringen, dass es zwischen ihnen passt“, sagt sie.
Dabei achtet sie auch darauf, dass die Ehrenamtlichen nicht überfordert werden und klare Grenzen ziehen können. Eine Grundregel lautet: Die Freiwilligen ersetzen keine Pflegekräfte oder Haushaltshilfen. „Wir möchten persönliche Begleitung und Austausch ermöglichen, nicht jedoch Dienstleistungen, die professionelle Kräfte erfordern“, betont Wagner.
Wachsender Bedarf an menschlicher Nähe
Der Bedarf übersteige das Angebot bei weitem: „Wir brauchen viel mehr Helferinnen und Helfer, denn gerade in Pflegeheimen gibt es viele Menschen, die auf einen Besuch warten“, weiß Wagner. Und weiter: „Viele Bewohner, vor allem Rollstuhlfahrer , wünschen sich, einfach mal aus ihrem Alltag herauszukommen – sei es für einen Besuch im Rosengarten, ein Eis im Café oder einen Spaziergang.“
Aber auch ältere Menschen, die noch zu Hause leben, freuen sich über Besuch. „Oft reicht es, sich mit ihnen hinzusetzen, zuzuhören oder gemeinsam Karten zu spielen“, sagt Diakon Glaser. Für viele sei die regelmäßige Begegnung ein Lichtblick in einem sonst einsamen Alltag.
Ehrenamtliche gesucht: Jeder kann helfen
„Wir suchen Menschen, die bereit sind, ihre Zeit zu verschenken“, sagt Glaser. Besonders Senioren, die im Ruhestand ihre freie Zeit sinnvoll nutzen möchten, gehören zu den Ehrenamtlichen. Doch auch jüngere Menschen sind eingeladen, sich einzubringen. Egal, ob jemand eine Stunde in der Woche für Besuche erübrigen kann oder nur gelegentlich Zeit hat – jede Unterstützung wird gebraucht und geschätzt.
Die Initiative legt großen Wert darauf, dass die Freiwilligen nicht allein gelassen werden. Sie erhalten regelmäßige Schulungen, bekommen thematische Impulse und einen fachlichen Austausch, um sich auf ihre Aufgaben vorzubereiten. „Wir lassen niemanden allein“, versichert Wagner. A
Auch praktische Kooperationen, etwa mit dem Hospizverein oder dem Netzwerk „Haus 4.0“, unterstützen die Ehrenamtlichen bei herausfordernden Themen wie Sterbebegleitung. Sommerausflüge und Adventsfeiern stärken zudem den Zusammenhalt unter den Freiwilligen.
Gemeinsam stark für Bad Kissingen
Um das Angebot bekannter zu machen, haben die Kirchengemeinden kürzlich einen neuen Flyer entwickelt. Die handliche Informationskarte informiert sowohl Hilfesuchende als auch potenzielle Ehrenamtliche über das Projekt. Ausgelegt wird sie in Kirchen, Krankenhäusern, Seniorenheimen und anderen öffentlichen Einrichtungen.
Informationen und Kontakt:
Alle Mitarbeitenden unterliegen der Schweigepflicht. Wer den Besuchsdienst in Anspruch nehmen möchte oder bereit ist, Zeit zur Verfügung zu stellen, kann sich hier melden:
E-Mail: einestundezeit@caritas-kissingen.de
Koordinatorin: Elisabeth Wagner, Telefon 0971 5423
Katholisches Pfarramt: Diakon Christoph Glaser, Telefon 0971 699 828 0
Evangelisches Pfarramt: Diakon Maik Richter, Telefon 0971 130 237 80, 0971 2747