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Wildflecken
Ratskeller in Wildflecken wird zum Apollo-Grill
Über viele Jahre schwankt das Schicksal des früheren Hotels am Marktplatz Wildflecken zwischen Abriss und hochtrabenden Konzepten. Jetzt bringt ein Gastronom neues Leben hinein.
Enver Umur eröffnet an diesem Freitag im Gebäude des Ratskellers seinen Apollo-Grill neu. Damit gibt er einer Immobilie eine Zukunft, um die sich die Gemeindeverantwortlichen lange Sorgen machen mussten.       -  Enver Umur eröffnet an diesem Freitag im Gebäude des Ratskellers seinen Apollo-Grill neu. Damit gibt er einer Immobilie eine Zukunft, um die sich die Gemeindeverantwortlichen lange Sorgen machen mussten.
Foto: Steffen Standke | Enver Umur eröffnet an diesem Freitag im Gebäude des Ratskellers seinen Apollo-Grill neu. Damit gibt er einer Immobilie eine Zukunft, um die sich die Gemeindeverantwortlichen lange Sorgen machen mussten.
Steffen Standke
 |  aktualisiert: 29.05.2024 17:10 Uhr

Enver Umur setzt alles auf eine Karte. Genauer: auf eine Speisekarte . Der 51-jährige Gastronom hat den lange vor sich hinsiechenden Ratskeller am Marktplatz in Wildflecken gekauft, ihn saniert – und damit ein Haus gerettet, das lange ein Schandfleck in der Gemeinde war. An diesem Freitag eröffnet der aus der Türkei stammende Kurde den Ratskeller als „Apollo-Grill“ neu. Alle Gäste sollen etwas davon haben.

Bis vor kurzem betrieb Umur seinen Apollo-Grill noch in der Bischofsheimer Straße in Wildflecken , schräg gegenüber von Schroeders Buchcafé. Weitere Gastronomien unterhielt er in seinem bisherigen Wohnort Fulda und in Niederaula (Landkreis Hersfeld-Rotenburg).

Drei Filialen zugunsten einer geschlossen

Alle drei Filialen schließt der 51-Jährige nun, um sich auf seinen neuen Apollo-Grill am Wildfleckener Marktplatz zu konzentrieren. Mehr als 400.000 Euro hat er nach eigenen Angaben in das Domizil gesteckt.

Im Obergeschoss will Umur künftig mit seiner Familie auch wohnen. „Die Kinder sind fertig mit der Schule, machen eine Ausbildung“, nennt er – neben der Konzentration auf ein Geschäft – einen weiteren Grund für den Zuzug. Im Rest der oberen Etage plant der Unternehmer Ferienwohnungen.

Angebot des Apollo-Grills wird erweitert

Der neue Apollo-Grill – er soll gastronomisch mehr bieten als der seit 2006 betriebene am alten Standort in der Hauptstraße. Dort gibt es künftig täglich von elf bis 23 Uhr neben Pizza, Döner, Salat, Schnitzel- und Steakgerichten auch Kaffee und Kuchen sowie Vorspeisen. Ein Wintergarten im rückwärtigen Bereich soll zur Shishabar werden. Nur montags hat der Apollo-Grill Ruhetag.

Traditionsreicher Standort

Das Gebäude des Ratskellers: Es spiegelt auf vielerlei Art die jüngere Geschichte Wildfleckens wider. Eines Ortes, der durch das ständige Auf und Ab des Militärs geprägt war, aber auch durch überdurchschnittlich hohe Zu- und Wegzüge.

In den 1950er-Jahren erbaut, erfuhr das Haus Anfang der 1960er eine Erweiterung. „Nach Umbau und Renovierung der traditionellen Gasträume eröffnen morgen die Gastwirtseheleute Karl und Resi Kleinheinz im ’Ratskeller’ einen Hotelanbau mit 16 Betten“, heißt es in einem Zeitungsbericht am 29. Mai 1964.

Schon früher viele Besucher aus den Kasernen

Die mit fließend kaltem und warmem Wasser, Zentralheizung und Duschbädern ausgestatteten hellen Fremdenzimmer boten demnach „besonders den vielen Besuchern des Truppenübungsplatzes, Familien und Soldaten und Geschäftsreisenden eine günstige und preiswerte Übernachtungsmöglichkeit“. Damals waren ja vor allem Angehörige der U.S.-Army, aber auch der Bundeswehr in Wildflecken stationiert.

 

Alfred Schrenk: „Das erste Haus am Platz“

Der verstorbene Bürgermeister Alfred Schrenk nannte den Ratskeller einmal „das erste Haus am Platz“. Neben gutem Restaurant und Hotel habe es Getränkeauslieferung und Tankstelle gegeben.

Doch der Glanz hielt nur bis in die 1980er-Jahre. Zwar gelang es noch, den Weggang der Amerikaner 1994 einigermaßen aufzufangen. Aber der Niedergang des Ratskellers war eingeleitet.

Verschiedene Gastronomen versuchten sich darin; der letzte Betreiber – eine Pizzeria Ciao Ciao gab am 15. Dezember 2002 auf.

Viele verschiedene Konzepte, kein zahlungskräftiger Investor

Im Jahr darauf erwarb die VR-Bank – gleichzeitig größter Gläubiger – die Immobilie. Was damit anfangen, fragten sich nun viele. Von Abriss und Neubau über gastronomische Wiedernutzung bis zur Vermietung an kleine Gewerbetreibende und Vereine schien vieles möglich.

Bereits 2007 kaufte die Marktgemeinde den Ratskeller – und erarbeitete verschiedene Konzepte mit potenziellen Käufern. Das bisher letzte vielversprechende mit Arbeitstitel „Arcaden“ umfasste unter anderem Arztpraxen und Seniorenwohnen. Doch alle diese Ideen scheiterten an etwas Wesentlichem: einem zahlungskräftigen Investor.

Umur bekundete mehrfach Interesse an Ratskeller

Derweil bekundete Enver Umur in der jüngeren Vergangenheit mehrfach sein Interesse am Ratskeller, bestätigt Bürgermeister Gerd Kleinhenz . „Wir haben ihm stets gesagt: Wir wägen die Möglichkeiten ab.“ Vor zwei Jahren befanden Verwaltung und Gemeinderat Umurs Ansinnen offensichtlich für passend. Er kaufte das Gebäude am 9. Juli 2021.

Eigentlich wollte der Gastronom seinen Apollo-Grill schon im Herbst oder frühen Winter 2022 eröffnen. Doch Lieferengpässe für die Einrichtung, zum Beispiel die Küche, machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Durch die Bauphase kam er hingegen gut durch – weil er vor dem Explodieren der Preise und dem Immer-knapper-Werden der Handwerker angefangen habe.

Für Bürgermeister wird es zur Eröffnung „ein sehr schöner Tag“

Bürgermeister Kleinhenz, dessen Gemeinde immerhin 10.000 Euro Zuschuss aus dem  bayerischen Förderprogramm zur Revitalisierung der Ortskerne beisteuerte, freut sich über die Eröffnung an diesem Freitag, ab 12 Uhr. „Das wird ein schöner Tag für Wildflecken werden, ein sehr schöner.“ Der Apollo-Grill und die Wiederbelebung des Ratskellers seien ein Gewinn für Einheimische und Touristen. Er sei gemeinsam erreicht worden. 

Der Zustrom der Gäste wird zeigen, wie nachhaltig der Erfolg sein kann. 

 

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So sah der Wildfleckener Ratskeller im Oktober 2006 aus. Erkennbar in der Mitte das Schild des letzten Betreibers, der Pizzeria Ciao Ciao.       -  So sah der Wildfleckener Ratskeller im Oktober 2006 aus. Erkennbar in der Mitte das Schild des letzten Betreibers, der Pizzeria Ciao Ciao.
Foto: Archiv/Sebastian Schmitt | So sah der Wildfleckener Ratskeller im Oktober 2006 aus. Erkennbar in der Mitte das Schild des letzten Betreibers, der Pizzeria Ciao Ciao.
 
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