"Ich kam zur Politik wie die Jungfrau zum Kind", sagt Johann Böhm. Der CSU-Politiker aus Bad Neustadt an der Saale hat es dort weit gebracht, bis zum Leiter der Staatskanzlei und zum Präsidenten des Landtags in München. Baldur Kolb konnte den 81-jährigen für das Erzählcafé im Seniorenzentrum Sankt Elisabeth gewinnen.
" Münnerstadt ist ein reizvolles Städtchen mit schönen Gassen und Fachwerkhäusern. Das Gymnasium ist sozusagen die Universität der Rhön, die Abiturienten trifft man überall, in Ministerien und so", begrüßte Johann Böhm die Senioren, die sich dafür interessierten, was er zum Thema "drei Jahrzehnte in der Politik aktiv" erzählen wollte.
Nach der Aussiedlung in Wülfershausen
Seine ersten Lebensjahre verbrachte er nicht in Franken oder sonst wo in Bayern, sondern im Egerland. Geboren wurde er 1937 in Daßnitz am Fuß von Maria Kulm. Da seine Eltern einen Bauernhof und ein Geschäft hatten, zählten sie zu den Gutsituierten im Dorf. Doch als der Krieg zu Ende war, war alles vorbei. Er erinnert sich daran, dass alle Deutschen weiße Armbinden tragen oder die deutschen Kinder ihrer Spielsachen abgeben mussten, die dann tschechische Kinder bekamen. "Es war schlimm wir uns. Wir waren froh, dass wir diesem System entschwunden sind", kommentierte er die Aussiedlung. Zunächst kam die Familie nach Wülfershausen bei Arnstein. Sie landeten auf einem Bauernhof. Der Mann war in französischer Gefangenschaft, sein Vater konnte derweil den Hof führen und errang sich Ansehen. "Es waren schöne Tage auf dem Dorf", erinnert sich Böhm. Seine Eltern schickten ihn zunächst auf die Oberrealschule nach Schweinfurt und dann auf das Wirsberg-Gymnasium nach Würzburg, wo er 1958 das Abitur machte.
Arbeit unkomplizierter, aber mit mehr Verantwortung
Weitere Stationen seines Lebens waren ein Jahr Bundeswehr , ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaft von 1959 bis 1963 an der Universität Würzburg, das anschließende Referendariat bis 1967 in Würzburg sowie München und schließlich die zweite juristische Staatsprüfung. Sein Berufswunsch war es, juristischer Staatsbeamter zu werden. Deshalb trat er bei der Regierung von Unterfranken in den Staatsdienst ein. 1969 bis 1973 war er juristischer Staatsbeamter am Landratsamt in Bad Neustadt. "Ich war damals der einzige Jurist am Landratsamt", erzählte er. Die Arbeit sei noch unkomplizierter gewesen, der Einzelne habe aber mehr Verantwortung getragen.
In dieser Zeit fanden die Gemeinde-, Kreis- und Bezirksreform statt, außerdem wurden die Wahlkreise für die Landtagswahl geändert. Zum Beispiel wurden die Landkreise Bad Neustadt, Mellrichstadt und Bad Königshofen zu einem neuen großen Landkreis Rhön-Grabfeld mit Sitz in Bad Neustadt zusammengelegt. Damit hatte Johann Böhm als juristischer Landesbeamter viel zu tun. Bad Neustadt kam jedoch, wie er andeutete, bei der Auswahl der Führungspersonen unter die Räder. 1973 wurde Böhm wieder zurück zur Bezirksregierung versetzt und zog samt Familie nach Würzburg um. Doch in Bad Neustadt hatte man ihn nicht vergessen. 1974 standen Landtagswahlen an. Ein Anruf erreichte ihn, ob er nicht als Abgeordneter kandidieren wolle. Im Vorfeld der Nominierungsversammlung wurde Stimmung für ihn gemacht. Er wurde CSU-Kandidat für die Landtagswahl, die die CSU mit bayernweit fast 62 Prozent, ihrem höchsten jemals erzielten Ergebnis gewann. Er ordnete sich schnell in die Parlaments- und Fraktionsarbeit ein, erzählte er.
Nach Anruf Leiter der Staatskanzlei
Eine große Hilfe war ihm dabei sein Kollege Franz von Prümmer, der Abgeordnete aus dem Nachbarwahlkreis Bad Kissingen. Er arbeitete im Haushalts- und im Sozialausschuss mit. Im Oktober 1990, als er gerade einen Termin im Landwirtschaftsamt in Bad Neustadt hatte, erreichte ihn dort ein dringender Anruf aus der Staatskanzlei mit der Bitte, noch am selben Tag dort zu erscheinen. Diese hatte er noch nie von innen gesehen nach der Devise "gehe nie zu deinem Fürsten, wenn du nicht gerufen wirst". Ministerpräsident Max Streibl ernannte ihn zum Staatssekretär und Leiter der Staatskanzlei. "Das war eine sehr interessante Zeit. Da hat man erfahren, was Politik interessant macht", sagte er. Von Juni 1993 bis Oktober 1994 war er Staatssekretär im Staatsministerium für Bundes- und Europaangelegenheiten und Bevollmächtigter des Landes beim Bund. "Da habe ich dann gesehen, dass auch anderswo die große Musik spielt und nicht nur in Bayern", meinte er dazu schmunzelnd über diese neue Erfahrung.
Weiter ging es auf der Karriereleiter des Abgeordneten aus Bad Neustadt: 1994 kam er als Landtagspräsident ins Gespräch und wurde auch gewählt. Er drängte sie nicht vor und betonte "das Amt kam zu mir, nicht ich zum Amt". Der Landtagspräsident sei der erste Mann im Land, der Ministerpräsident der Erste im Staat. Über die Rollenverteilung sagte schmunzelnd, "mir ist das wurscht, mir ist nur wichtig, dass mir der Stoiber nachsprechen musste bei der Vereidigung". Er habe sich das Wort von Papst Johannes XXIII "Johannes, nimm dich nicht so wichtig" zu Herzen genommen. Auch der Landtagspräsident dürfe nicht so tun, als sei er ein Herrgott, er dürfe nicht abheben. Er ist stolz darauf, dass er in den neun Jahren seiner Präsidentschaft keine einzige Rüge erteilt hat, "wenn man das humorvoll macht, ist es viel besser". Einmal machte er einem Abgeordneten klar: "Stramm stehen müssen Sie nicht, Maul halten genügt."
60-prozentiger Schnaps auf Ex
Als Landtagspräsident hat er auch Reisen unternommen, unter anderem nach China. Er erinnert sich daran, dass er dort 60-prozentige Schnäpse auf Ex trinken musste. Zu essen gab es zum Beispiel Seegurken und Skorpione, "knusprig gebraten, sie sehen wie große Ameisen aus, man muss sich schon ein wenig überwinden". Bei den Landtagswahlen im Jahr 2003 kandidierte Johann Böhm nicht mehr und beendete seine Politikerkarriere in München.